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Olga

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Erst am späten Abend wurde Irmis Tochter geboren.

Als Martha Irmis Namenswunsch für das Kind, Olga, und das Geburtsjahr, 1948, eintrug, entfuhr ihr diese schroffe Zurechtweisung: „Bist du noch gescheit, dein Kind mit einem russischen Namen zu belasten? Haben wir seit dem Kriegsende nicht genug halbe Iwans auf der Insel? Danach trug sie das neugeborene Mädchen zur Familien- Wiege, legte es seufzend ab und schaute mit Bedauern auf das Kind.

Irmi rollte sich nach Marthas mahnenden Worten unter einer dünnen Decke von Zweifeln zusammen, blieb aber trotzig bei ihrer Entscheidung. Nicht nur Martha, auch Mertens weigerte sich standhaft, den Namen Olga auszusprechen. Für ihn und seine Frau hieß die Enkeltochter Marie. Kaum aus dem Wochenbett entlassen, verkündete Irmi, sie wolle mit diesem Namen etwas zur deutsch-sowjetischen Völkerverständigung beitragen. Da es offiziell keinen Vater zu ihrem Kind gab, brodelte seither in dem kleinen Dorf die Gerüchteküche. Besonders, als Irmi, ein Jahr später, mit der neu gegründeten SED zu sympathisieren begann. Karl Kruse, ein Zugezogener, der Bürgermeister der Gemeinde, hatte sie zu seiner rechten Hand gemacht. Wahrscheinlich kokettierte Irmi mit ihm und erwähnte so nebenbei, dass sie ihr einziges Kind gegen jeden privaten Widerstand, Olga genannt hatte.

Vielleicht hätte Karl zu einer anderen Jahreszeit an ihrem Heroismus gezweifelt, aber ihr verführerisches Sommerkleid, das ihre wohlgeformte Figur nur leicht verhüllte, war ein starkes Argument. Mit Handschlag besiegelte er das beginnende Arbeitsverhältnis: „Genossin“, und das, obwohl Irmi kein Parteimitglied war, „solche Leute wie dich braucht unser Land. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit dir“. Nicht ohne Triumph im Herzen atmete Irmi erst einmal tief durch. Geschickt hatte sie alle anderen Kandidatinnen aus dem Rennen geworfen. Danach wischte sie mit einer energischen Bewegung seinen Schweiß, der nun an ihr klebte, an ihrem Sommerkleid ab. Er hatte ihre Hand ein wenig zu lange festgehalten, und das mochte Irmi gar nicht. Karl rief ihr beim Hinausgehen zu: „Bring doch deine kleine Olga mit. Ich bin gespannt, ob sie auch so hübsch, wie die Mutter ist.“ Irmi aber dachte immer nur in kleinen Schritten, erst die Arbeit und dann sehen wir weiter. Heute war ein guter Tag, und sie wusste auch schon, wie sie sich den ehemaligen Kommunisten Karl, der jetzt ein Sozialist war, vom Halse halten würde. Er hatte bei seinem jahrelangen Aufenthalt in Moskau als Partisan oder Geheimagent, was auch immer er dort gewesen war, viel gelernt. Zum Beispiel wie man den Feind unterwandert, aber mit Sicherheit nicht, wie man Irmi unterwandert.

Es kam der Tag, an dem das Mädchen Olga, die erste, bewusst wahrgenommene Ablehnung traf. Ein Junge aus dem Dorf rief: „Russen- Olga- Popolka, welcher Iwan ist dein Vater?“ Dabei signalisierte sein Lachen tiefe Verachtung für sie oder ihren Namen, beides verletzte Olga. Sie lief zu ihren Großeltern, beklagte sich, worauf der Großvater dem Jungen eine Ohrfeige verpasste und den heulenden Buben aufklärte, dass Olga im richtigen Leben Marie hieße, und nur ihre Mutter sich diesen Namen ausgedacht hatte. So zu sagen, um Marie ein wenig zu ärgern. Warum sie das tat, wisse nur der Himmel. Seit diesem Tag nannten alle Kinder Olga nur noch Marie. Zu gefürchtet waren Mertens Ohrfeigen.

ein ungeklärter Mord

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