Читать книгу Wisperwasser. Es ist unser Geheimnis - Ирмгард Крамер - Страница 6
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Wotan Killerwal
Alles begann mit einem dampfenden Hundehaufen. Ein dicker Mops setzte ihn vor meine Nase auf eine Brücke. Er trug ein geblümtes Mäntelchen und wollte seinen Haufen mit den Hinterbeinen verscharren, was nicht funktionierte, und so wuselte er mit erhobenem Kopf über die Brücke zum Eingang der Schule, als hätte er nichts mit dem Haufen zu tun.
Der Mops hieß Tante Inge – das erfuhr ich allerdings erst später – und der Gestank war … Puuu! Ich würde es also verstehen, wenn du die Nase jetzt schon voll hast von meiner Geschichte und deine Nase lieber in eine Tüte voller Himbeerbonbons steckst als in ein Buch. Leider wirst du dann aber nicht erfahren, was für unglaubliche Abenteuer ich an meinem ersten Tag auf der Inselschule Luschenau erlebt habe. An diesem einen Tag ist so viel passiert, dass es für ein ganzes Buch reicht. Und damit du weißt, mit wem du es zu tun hast: Ich bin Lani. Nicht Leni. Nicht Luna. Sondern Lani – das kommt aus Hawaii und bedeutet Himmel.
Freiwillig wollte ich nicht auf diese Schule, das kannst du mir glauben. Niemand geht freiwillig nach Luschenau. Nach Luschenau gehen nur Kinder, die das Kunststück fertigbringen, aus allen drei anderen Schulen rauszufliegen – so wie ich.
In der Schulvilla im Park (wo meine Stiefschwester Undine ein Star ist, weil sie die Hauptrolle in einem Hexenfilm spielt) war ein Mädchen, das alle »Stinksuppe« nannten. Ich fand das gemein und stopfte Stinkbomben in die Rucksäcke der anderen. Das haben sie mir nicht verziehen. Wirklich schlimm aber war, dass jeder Undine sagte, wie peinlich es für sie sei, mich zur Stiefschwester zu haben. Als ich merkte, wie wenig ich hierhin passte, fand ich es besser, die Schule zu wechseln.
In der Sir-Elton-John-Schule (wo meine zweite Stiefschwester Elouise ein Promi ist, weil sie zehntausend Follower für ihren Mode-Blog hat) lief ich einen Vormittag mit einem Riss in meiner Hose durch die Schule und merkte es nicht – im Gegensatz zu allen anderen, die mich fleißig von hinten fotografierten. Diese Fotos tauchten im Internet auf. Die Kommentare waren hässlich. Alle lachten über mich, aber noch mehr lachten sie über Elouise. Denn sie hatte zwar einen tollen Blog, schaffte es aber nicht, ihrer Stiefschwester beizubringen, wie man sich cool anzog. Elouise verlor Follower und Freundinnen. Als ich sie jeden Abend weinen hörte, fand ich es besser, die Schule zu wechseln.
In der König-Drosselbart-Schule (wo mein Stiefbruder Damion zum beliebtesten Schüler gewählt wurde) brach ich einem vierzehnjährigen Superfiesling die große Zehe – er hatte einem Mitschüler gesagt, dass er fett sei. Während ich ihm meine Meinung geigte, rammte ich wütend mein Fahrrad in den Ständer, es kippte auf andere Räder, die wie die Dominosteine umfielen und auf seiner Zehe landeten. Leider war der Superfiesling der beste Fußballer der Schule, weswegen sie das wichtigste Spiel der Saison verloren. Damion musste sich von allen anhören, was für eine Pissnelke seine Stiefschwester war. Eines Morgens stand ich vor dem Schultor, schaffte es nicht mehr hineinzugehen und fand es besser, die Schule zu wechseln.
Nun also meine letzte Chance: Luschenau.
Stell dir die schlimmste Schule vor, die es gibt, nur mit zehnmal volleren Vollidioten, mit zehnmal stinkigeren Umkleidekabinen, mit zehnmal fieseren Lehrern und mit tausendmal mehr Läusen auf den Köpfen. So ungefähr war Luschenau oder das, was man sich davon erzählte. Aber wenigstens bestand hier keine Gefahr, dass ich eines meiner Stiefgeschwister blamierte.
Meine Mama hatte mich an jenem Morgen begleiten wollen. Aber ich habe ihr erklärt, dass ich das nicht so cool fand, und sie ließ mich alleine gehen. Ich musste ihr versprechen, sie sofort anzurufen, wenn irgendwas wäre, dann käme sie schneller als die Feuerwehr, um mich rauszuholen. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch stand ich also da und sah ans Ende der langen Brücke.
Dort erhob sie sich: die schlimmste Schule der Welt. Schwarz und mächtig. Ein Eingang wie ein Gefängnistor und das Gebäude wie ein Betonklotz mit hundert blinden Fenstern. Kinder sah ich keine. Wahrscheinlich verbat man ihnen, aus den Fenstern zu sehen. Das Blubbern eines Tauchers im Fluss neben mir unterbrach die unheimliche Stille und eine gepresste Männerstimme sagte: »Mistvieh.«
Ich drehte mich um. Ein Mann betrachtete mürrisch den dampfenden Hundehaufen. In der Hand hielt er eine Angel. Er hatte eine lange Nase, einen Bart wie Sauerkraut, trug Fischerstiefel und ein kariertes Hemd. Unheimlich sah er aus. Das lag an einem Auge, das milchig weiß in eine Richtung starrte, während sich das andere nervös hin und her bewegte, um das Ufer zu beobachten, wo ein Lastwagen Rohre ablud. Unter uns im Fluss blubberte es immer lauter. Wir beugten uns über das Geländer. Gewaltige Luftblasen stiegen zwischen Plastikflaschen aus dem Wasser, das strudelte, als ob im Fluss ein Abfluss wäre.
»Sapperlot!«, knurrte der Angler. »So wird das nie was. Ich muss ein ernstes Wörtchen mit der Direktorin reden. Erst vertreibt mir der Köter mit seinem Teufelsgestank die Fische und dann kommt auch noch jemand auf die verrückte Idee, in dieser Drecksbrühe zu tauchen.«
»Ich glaube, da is’ was kaputt … Eine Leitung oder so?«, murmelte ich.
»Musst du nicht zur Schule?«, fragte der Angler. »Es ist schon spät.«