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16. Streit um eine Kirche: DIE ALTE MATZLEINSDORFER
PFARRKIRCHE
ОглавлениеMitte der 60er-Jahre erhitzte der Abriss einer architektonisch an sich unbedeutenden Kirche die Gemüter der Wiener: Die alte Matzleinsdorfer Pfarrkirche, im Volksmund „Rauchfangkehrerkirche“ genannt, weil diese Zunft dort regelmäßig Umzüge veranstaltete, musste dem Verkehr auf der Wiedner Hauptstraße geopfert werden. Sie galt als einmalig – weil sie mitten auf der Straße stand, denn links und rechts führte jeweils eine Fahrbahn vorbei. Die 1725 errichtete Kirche „Zum heiligen Florian“, bis 1783 Filialkirche von St. Stephan, war ein typisches bescheidenes Vorstadtkirchlein im Barockstil, in ihrer Uniformität entsprach sie ganz dem josephinischen Sparsamkeitsgebot. Doch trotz dieser Schlichtheit war sie schon Kaiser Joseph II. ein Dorn im Auge, aber der Widerstand der Bevölkerung verhinderte damals einen Abriss.
Im Jahr 1900 wurde die Kirche sorgsam restauriert, 1937 um den von Karl Ehn erbauten Pfarrhof erweitert (er war übrigens auch der Erbauer des Karl Marx-Hofes). Sogar den Zweiten Weltkrieg überstand sie noch unbeschadet, aber Mitte der 60er-Jahre schlug ihre Stunde. Die Matzleinsdorfer Pfarrkirche war wegen ihrer den Verkehr behindernden Lage den Stadtplanern im Weg: Ihretwegen mussten die Autofahrer bremsen, ihretwegen war der Verkehrsfluss in der Wiedner Hauptstraße unterbrochen.
Der Entscheid für den Abbruch führte zu einer ersten vehementen Diskussion um die Stadterhaltung in Wien, doch die Befürworter des Kirchenerhalts kämpften vergeblich. Die Verkehrsplaner und Fetischisten von glatten Neubauten behielten die Oberhand. Heute erinnert nur mehr ein Mosaik an das alte Kirchlein.
Als Ersatz wurde ein wenig stadteinwärts bei der Wiedner Hauptstraße 97 vom deutschen Star der Sakralarchitektur Rudolf Schwarz eine moderne turmlose Kirche in Stahlbeton-Skelettbauweise errichtet. Nur wenige Ausstattungsstücke aus der alten Kirche wurden in den Neubau übertragen. Die Wiener konnten sich lange nicht mit dieser „Gottesgarage“ anfreunden, zu ungewohnt und vielleicht auch zu unausgereift war der Ersatzbau.
1050 Wien, Wiedner Hauptstraße, bei Nr. 97 bzw. 105 (Straßenbahn 1 und 62, Badner Bahn)