Читать книгу Unbekanntes Wien - Isabella Ackerl - Страница 28
20. Der Bildhauer als
Architekt: DIE KIRCHE ZUR HL. DREIFALTIGKEIT
(WOTRUBA-KIRCHE)
ОглавлениеDer ungewöhnliche Kirchenbau auf dem Maurer Georgenberg entspringt der Idee einer religiösen und sehr tatkräftigen Frau: Margarethe Ottillinger konnte auf ein Leben voller Höhen und Tiefen zurückblicken. Schon in sehr jungen Jahren durchlief sie eine großartige Karriere in der Wirtschaftsbürokratie. Als erste Frau in Österreich erreichte sie den Rang einer Sektionsleiterin im Bundesministerium für Vermögensschutz und Wirtschaftsplanung, und ihrem unermüdlichen Wirken sind entscheidende Weichenstellungen für Österreichs Wirtschaft nach 1945 zu verdanken. Gleichsam auf dem Höhepunkt ihrer beruflichen Laufbahn wurde sie am 5. November 1948 von russischen Besatzungssoldaten an der berüchtigten Ennsbrücke aus dem Autokonvoi von Minister Peter Krauland, der unbehelligt weiter fahren durfte, verhaftet und monatelang in Gefängnissen in Österreich und Russland festgehalten. Die Anklage lautete auf Spionage, was die tüchtige, aber vielleicht etwas naive Frau immer entschieden zurückgewiesen hat. Auch Einzelhaft, Folterzellen und psychische Qualen vermochten sie nicht zu brechen. In einem abstrusen Verfahren wurde sie zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt.
1230 Wien, Maurer Lange Gasse 137 (Autobus 60A)
Als sie nach Abschluss des Staatsvertrages schwer krank und psychisch wie physisch von der Haft gezeichnet nach Österreich zurückkehrte, erhielt sie mit viel Mühe einen adäquaten Wirkungsbereich in der Verstaatlichten Industrie, nämlich in der ÖMV (= Österreichische Mineralöl Verwaltung), keineswegs aber ihren früheren Posten als Sektionsleiterin. Als geborener Workaholic stürzte sie sich trotzdem sofort in die Aufbauarbeit des Ölkonzerns, den sie nach den Jahren der sowjetischen Verwaltung erfolgreich austrifizieren konnte. Daneben engagierte sie sich noch in zahlreichen Initiativen, vor allem im Bereich der antikommunistischen Politik und der katholischen Kirche.
Ihr Lebenswerk krönte sie mit dem Entschluss, eine Kirche zu bauen. Es gelang ihr, den international renommierten Bildhauer Fritz Wotruba, der sich selbst als areligiös bezeichnete, für ihre Idee einzunehmen. Nach langem Suchen fand sie auch einen Bauplatz für den monumentalen Entwurf Wotrubas. 1976 konnte der Architekt Fritz Mayr am Georgenberg den Plan des kurz zuvor verstorbenen Künstlers realisieren: Eine aus Betonquadern aufgeschichtete Skulptur, deren Innenraumgestaltung durch ihre Leichtigkeit und Helligkeit überrascht. Es ist ein stilles, eng mit der Natur verbundenes Gotteshaus, nicht prunkvoll und doch Ehrfurcht gebietend.