Читать книгу Frühlingsfluthen - Иван Тургенев - Страница 12

XI

Оглавление

An der Thüre nach der Straße ließ sich die Klingel hören. Ein junger Bauernbursche mit Pelzmütze und rother Weste trat in die Conditorei. Vom frühen Morgen an hatte sich noch kein Käufer blicken lassen . . .

»Solche Geschäfte machen wir!« hatte beim Frühstück Frau Lenora mit einem Seufzer zu Sanin gesagt. Sie schlief weiter. Gemma hatte Angst, die Hand hinter dem Kissen vorzuziehen und flüsterte zu Sanin:

»Gehen Sie, verkaufen Sie statt meiner!« Sanin begab sich sofort auf den Zehen in den Laden.

Der Bursche wollte ein Viertel Pfund Pfeffermünzkuchen haben.

»Was habe ich von ihm zu bekommen?« fragte Sanin durch die Thüre Gemma zuflüsternd.

»Sechs Kreuzer,« antwortete sie ihm ebenfalls leise. Sanin wog ein Viertel Pfund ab, suchte Papier, machte daraus eine Düte, wollte die Kuchen hineinschütten, schüttete sie vorbei, bei wiederholtem Versuche schüttete er sie wiederum vorbei, gab sie endlich hin und bekam das Geld.

Der Bursche, der seine Mütze auf dem Bauch zusammendrückte, sah ihn verwundert an und im Nebenzimmer wollte Gemma, den Mund fest geschlossen haltend, sich fast zu Tode lachen. Kaum hatte sich dieser Käufer entfernt, da kam der zweite, dann der dritte . . .

»Ich habe wohl eine glückliche Hand!« dachte Sanin. Der zweite verlangte Orgeade, der dritte ein halbes Pfund Confect. Sanin befriedigte sie, eifrig mit den Löffeln klimpernd, die Untertassen herumschiebend und die Finger kühn in Kasten und Büchsen steckend. Bei der Berechnung stellte sich heraus, daß er die Orgeade zu billig gelassen, für das Confect zwei Kreuzer zu viel bekommen hatte. Gemma hörte nicht auf, still zu lachen und Sanin selbst fühlte eine unbeschreibliche Lustigkeit, eine besonders glückliche Gemüthsstimmung. Eine Ewigkeit wäre er hinter dem Ladentisch gestanden, hätte mit Orgeade und Confect gehandelt, während das liebe Wesen mit den freundlich-schelmischen Augen ihn durch die Thüre anblickt, die Sonne durch die mächtige Blätterschicht der vor dem Fenster auf der Straße wachsenden Castanien dringend, das ganze Zimmer mit dem grünlichen Golde der Mittagsstrahlen füllt und das Herz in der süßen Lust der Trägheit, der Sorglosigkeit und der Jugend, der urwüchsigen Jugend, schwelgt!

Der vierte Gast verlangte eine Tasse Caffee.

Man mußte sich an Pantaleone wenden (Emil war vom Herrn Klüber noch nicht zurückgekehrt), Sanin setzte sich wieder neben Gemma. Frau Lenora schlummerte immer fort, zur großen Freude ihrer Tochter.

»Bei der Mutter vergeht während des Schlafens die Migraine,« bemerkte sie. Sanin sprach flüsternd über sein »Geschäft«, erkundigte sich in allem Ernst nach den Preisen verschiedener Conditorwaaren; Gemma theilte ihm ebenso ernst diese Preise mit und unterdessen lachten Beide innerlich, als ob sie fühlten, daß sie die lustigste Komödie spielten. Plötzlich ließ auf der Straße ein Leierkasten die Arie aus dem Freischütz: »Durch die Felder, durch die Auen . . . « hören. Die weinerlichen Klagetöne des Instrumentes erklangen zitternd und pfeifend in der regungslosen Luft.

Gemma fuhr auf . . . »Er weckt die Mutter!« Sanin lief sofort auf die Straße, gab dem Leiermann einige Kreuzer, hieß ihn schweigen und sich entfernen. Als er zurückgekehrt war, dankte ihm Gemma mit leichtem Kopfnicken und, nachdenklich lächelnd, fing sie selbst, kaum hörbar, die hübsche Melodie von Weber, in welcher Max alle Bedenken der ersten Liebe ausdrückt, zu singen an. Dann fragte sie Sanin, ob er den Freischütz kenne, ob er Weber liebe und fügte hinzu, daß, obgleich sie selbst Italienerin sei, sie solche Musik über Alles liebe. Von Weber kam das Gespräch auf Poesie und Romantik, auf Hoffmann, welcher zu jener Zeit von Allen gelesen wurde . . .

Und Frau Lenora schlummerte immer zu, ja schnarchte selbst ein wenig, und die Strahlen der Sonne, in schmalen Streifen durch die Laden dringend, bewegten sich und wanderten zwar unmerklich, doch rastlos auf der Diele, über die Möbel, über das Gewand Gemmas, über die Blätter der Blumen.

Frühlingsfluthen

Подняться наверх