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IV

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Als Sanin nach anderthalb Stunden in die Conditorei von Roselli zurückkehrte, wurde er wie ein Verwandter empfangen. Emilio saß auf demselben Divan, auf dem man ihn gerieben hatte; der Doktor hatte ihm eine Arznei verschrieben und ihn sorgfältig »vor Gemüthserschütterung zu behüten« anempfohlen – da das Subjekt von nervösem Temperament und zu Herzleiden geneigt sei. Bereits früher hatte er an Ohnmachten gelitten, doch noch nie war der Anfall so anhaltend und stark gewesen. Im Uebrigem hatte der Doktor erklärt, jede Gefahr sei vorüber. Emil hatte, wie es einen Genesenden ziemt, einen weiten Schlafrock an; die Mutter hatte ein blaues wollenes Tuch um seinen Hals gewickelt; sein Aussehen war heiter, ja festlich; auch Alles umher sah festlich aus. Vor dem Divan erhob sich auf einem mit reiner Serviette bedeckten runden Tische, von Tassen, Caraffen mit Fruchtsäften, Biskuits, Brötchen – selbst Blumen umgeben – eine große Porzellankanne mit duftender Chocolade gefüllt; sechs dünne Wachskerzchen brannten in zwei alten, silbernen Armleuchtern; aus der einen Seite des Divans breitete ein behaglicher Lehnstuhl seine weichen Arme aus – und Sanin mußte in demselben Platz nehmen. Alle Bewohner der Conditorei, mit denen er an dem Tage bekannt geworden, waren anwesend, der Pudel Tartaglia und der Kater nicht ausgenommen; alle schienen überaus glücklich zu sein: der Pudel nieste sogar vor Vergnügen, nur der Kater war wie früher, verlegen und blinzelte mit den Augen. Sanin mußte sagen, wer er sei, woher er komme und wie er heiße; als er sagte, er sei Rasse – wunderten sich die beiden Damen, ließen selbst ein leises »Ach!« vernehmen – und erklärten sofort übereinstimmend, daß er ausgezeichnet deutsch spreche; daß aber, wenn es ihm geläufiger sei, französisch zu sprechen, er sich dieser Sprache bedienen möge – da sie dieselbe kennen. Sanin benutzte sofort diesen Vorschlag. »Sanin! Sanin!« die Damen hatten gar nicht erwartet, daß ein russischer Name so leicht auszusprechen sei; sein Eigenname »Dimitrij« gefiel auch außerordentlich. Die ältere Dame bemerkte, daß sie in ihrer Jugend eine Oper: »Demetrio e Polibio« gehört habe, daß aber »Dimitri« viel hübscher sei als »Demetrio.« In solcher Weise unterhielt sich Sanin über eine Stunde. Ihrerseits f weihten ihn die Damen in alle Einzelheiten ihrer Lebensweise ein. Am meisten sprach die Mutter, die Dame mit weißen Haaren. Sanin erfuhr von ihr, daß sie Lenora Roselli heiße; daß ihr verstorbener Mann Giovanni Battista Roselli vor fünf und zwanzig Jahren sich in Frankfurt als Conditor angesiedelt hatte; daß Giovanni Battista aus Vicenza gebürtig war und ein ausgezeichneter, wenn auch ein wenig heftiger und leidenschaftlicher Mensch, ja sogar Republikaner gewesen sei. Bei diesen Worten zeigte Frau Roselli auf sein Bild in Oelfarbe, das über dem Divan hing. Man mußte annehmen, daß der Maler – »ebenfalls ein Repuplikaner!« bemerkte mit einem Seufzer Frau Roselli – nicht ganz die Aehnlichkeit fassen konnte, denn auf dem Bilde glich der selige Roselli einem finsteren und grimmigen Briganten – in der Art des Rinaldo Rinaldini. Die Frau Roselli selbst war aus der alten, wunderschönen Stadt Parma gebürtig, wo sich die prachtvolle Kirchenkuppel mit den Fresken des unsterblichen Correggio befindet; doch durch den langen Aufenthalt in Deutschland war sie beinahe ganz zur Deutschen geworden. Dann fügte sie, den Kopf traurig schüttelnd, hinzu, daß ihr Nichts geblieben sei, als diese Tochter und dieser Sohn (sie zeigte auf Beide nach einander mit dem Finger), daß die Tochter Gemma, der Sohn Emilio heiße; daß sie Beide gute und gehorsame Kinder seien, namentlich Emilio (»Und ich nicht?« warf hier die Tochter ein. »Ach, Du bist auch eine Republikanerin!« antwortete die Mutter), – daß die Geschäfte jetzt allerdings nicht so gut wie bei ihrem Manne gingen, der im Conditorfach ein großer Meister gewesen . . . (»Un grand uomo!« rief mit finsterer Miene Pantaleone); daß man dennoch, Gott sei Dankt leben könne.

Frühlingsfluthen

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