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VII
ОглавлениеMalz war ein Frankfurter Schriftsteller der dreißiger Jahre, welcher in seinen kurzen, leicht hingeworfenen Komödien im Localdialect, mit drolligem und scharfem, wenn auch nicht tiefem Humor geschrieben, Frankfurter Typen vorführte. Es zeigte sich, daß Gemma prachtvoll – ganz wie eine Schauspielerin vortrug.
Jeder Person gab sie einen derselben entsprechenden Charakter und führte diesen bis zu Ende durch; sie wandte alle Komik auf, die sie zusammen mit dem italienischen Blute geerbt hatte; ohne Mitleid für ihre zarte Stimme, für ihr schönes Gesicht, schnitt sie, wenn es galt, eine verrückt gewordene alte Frau oder einen dummen Bürgermeister darzustellen, die allerdrolligsten Gesichtchen, sie zwängte die Augen ein, rümpfte die Nase, schnarrte, kreischte sogar . . . Sie selbst lachte beim Lesen nicht, doch wenn die Zuhörer (allerdings mit Ausnahme von Pantaleone, der sich, als die Rede auf den forroflucto Tedesco kam, sofort mit Unwillen entfernt hatte) sie durch den einmüthigen Ausbruch des Gelächters unterbrochen – dann lachte sie auch hell auf, den Kopf zurückwerfend, das Buch auf die Knie fallen lassend, und ihre schwarzen Locken hüpften dann in zarten Ringen um den Hals und auf den erschütterten Schultern. Das Lachen hörte auf – sofort erhob sie das Buch, verlieh ihrem Gesichte den grade entsprechenden Ausdruck und las ernst weiter. Sanin konnte sie nicht genug bewundern; namentlich, staunte er darüber: durch welches Wunder ihr so ideal schönes Gesicht plötzlich einen so komischen, ja manchmal trivialen Ausdruck erlangen konnte. Weniger befriedigend trug Gemma die Rollen junger Damen, sogenannter jeunes premières vor; die Liebesscenen wollten ihr gar nicht gelingen; sie fühlte es selbst und verlieh ihnen daher einen leichten Anstrich des Lächerlichen – als ob sie allen diesen erhabenen Schwüren und entzückten Reden – deren sich übrigens der Autor selbst, soweit es ging, enthielt – keinen Glauben schenke.
Sanin bemerkte nicht, wie der Abend vergangen war – und erinnerte sich der bevorstehenden Reise erst, als die Uhr Zehn schlug. Er sprang vom Stuhle auf wie von einer Biene gestochen.
»Was fehlt Ihnen?« fragte Frau Leonore.
»Ich sollte ja heute nach Berlin fahren – und habe bereits einen Platz im Postwagen genommen!«
»Und wann geht die Post?«
»Um halb elf!«
»Nun, dann ist es schon zu spät, um hinzukommen, bemerkte Gemma, »bleiben Sie . . . ich werde weiter lesen.«
»Haben Sie das ganze Geld für den Platz bezahlt oder nur einen Theil?« fragte Frau Lenora mit Antheil.
»Das Ganze!« rief Sanin mit trauriger Miene.
Gemma sah ihn scharf an – und lachte; die Mutter tadelte sie. – »Der junge Mensch hat unnütz Geld ausgegeben – und Du lachst!«
»Das thut nichts,« antwortete Gemma, »es wird ihn nicht ruiniren, wir aber wollen ihn trösten. Wünschen Sie nicht Limonade?«
Sanin trank die Limonade, Gemma nahm wieder Malz vor – und Alles kam wieder in den alten Gang.
Die Uhr schlug zwölf und Sanin wollte sich verabschieden.
»Sie müssen jetzt einige Tage in Frankfurt bleiben sagte Gemma zu ihm; »wo wollen Sie hineilen? Lustiger wird es in einer anderen Stadt auch nicht sein.« Sie schwieg. »Wirklich nicht,« fügte sie hinzu und lächelte.
Sanin antwortete Nichts und dachte, daß er jetzt unter allen Umständen, schon wegen der Leere seines Beutels einige Tage in Frankfurt werde zubringen müssen, bis eine Antwort von seinem Berliner Bekannten anlange, an den er sich wegen Geld zu wenden die Absicht hatte.
»Bleiben Sie, bleiben Sie,« rief auch Frau Lenora. »Wir werden Sie mit dem Bräutigam von Gemma, Herrn Carl Klüber bekannt machen. Heute konnte er nicht kommen, weil er in seinem Laden sehr beschäftigt ist. – Sie haben wohl sicher das größte Magazin von Tuch und seidenen Waaren auf der Zeil bemerkt – dort ist er der erste Commis. Es wird ihm sehr angenehm sein, sich Ihnen vorstellen zu können.«
Sanin wurde – Gott weiß warum – von dieser Nachricht betroffen.
»Ein Glückskind muß dieser Bräutigam sein!« ging ihm durch den Kopf.
Er blickte Gemma an – und er glaubte einen schelmischen Ausdruck in ihren Augen zu bemerken. Er verabschiedete sich.
»Auf morgen? Nicht wahr auf morgen?« fragte Frau Lenora.
»Auf morgen!« rief Gemma nicht in fragendem, sondern bejahendem Tone, als ob es nicht anders sein könne.
»Auf morgen!« antwortete Sanin.
Emil, Pantaleone und Tartaglia begleiteten ihn bis zur Straßenecke. Pantaleone konnte nicht umhin, seiner Unzufriedenheit über das Lesen Gemma’s Ausdruck zu geben.
»Wie, schämt sie sich nicht! sie schneidet Fratzen, sie schnarrt – una carricatura! Sie sollte Merope oder Klytämnestra vorstellen – etwas Großes, etwas Tragisches, sie aber äfft eine eklige Deutsche! Das kann ich ja auch. .. Merz, Kerz, Smerz,« fügte er mit rauher Stimme hinzu, das Gesicht nach vorn schiebend und die Finger auseinander ziehend. Tartaglia bellte ihn an, Emil lachte. Der Alte kehrte schroff um.
Sanin kam nach dem Gasthaus zum »weißen Schwan« – er hatte vorher bloß sein Gepäck dort gelassen – in ziemlich verwirrter Gemüthsstimmung. Alle diese deutsch-französisch-italienischen Gespräche klangen in seinen Ohren nach.
»Braut!« flüsterte er, schon im Bette des ihm zugewiesenen Zimmers liegend. »Und welche Schönheit! Warum aber bin ich geblieben?«
Am nächsten Tage schickte er jedoch den Brief an seinen Berliner Freund ab.