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Mission Mars

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Prolog

Kraftvoll dreht er seine Runden. Ein um´s andere Mal. Schwungvoll und doch beinahe mühelos. Immer und immer wieder; typisch Ausdauersportler. Wunderschön ist er dabei anzusehen; typisch Modellathlet.

Bislang gibt es niemanden, der besser aussieht. So stark sieht er aus und doch so verletzlich.

Ehrlicherweise muss erwähnt werden, dass er sich am besten aus der Entfernung darstellt. Das bleibt nicht aus, wenn man tagtäglich sein Bestes gibt und buchstäblich das Letzte aus sich herausholt. Kommt man jedoch näher heran, dann ist deutlich zu erkennen, dass die Zeit nicht spurlos an ihm vorübergegangen ist. Kein Wunder, etwa 4,6 Milliarden Jahre sind kein Pappenstiel. Doch aus einer schlappen Entfernung von gerade einmal vierhundert Kilometern, da zeigt er sich wirklich von seiner schönsten Seite. Überwiegend in blau gehalten und doch gleichzeitig in einer Farbenvielfalt, wie sie kaum ein Maler auf die Leinwand bannen kann. Selbst wenn die Nacht über ihn hereinbricht, erhellt er in weiten Teilen die naturgemäß dunkle Umgebung.

Das ist der blaue Planet in der Unendlichkeit des Raums, unsere Erde.

Wir arbeiten kräftig daran, diese beinahe makellose Schönheit zu zerstören und uns den derzeit einzig möglichen Lebensraum zu nehmen. Aber die Wissenschaft sieht ein Ende erst in vielen Millionen Jahren gekommen. Wenn sich jedoch die klügsten Köpfe zusammentun, um nach Möglichkeiten für einen neuen Lebensraum zu suchen, dann scheint es zumindest an der Zeit zu sein.

Ja, ja, die Zeit; sie ist unendlich vorhanden und doch für jeden von uns nur sehr begrenzt verfügbar. Dennoch gehen wir so verschwenderisch mit ihr um.

Sie ist messbar und besitzt sogar einen Preis. Zudem stellt sie eine physikalische Größe dar, zu der es eine Formel gibt. Aus der philosophischen Perspektive beschreibt sie das Fortschreiten der Gegenwart, von der Vergangenheit kommend und zur Zukunft hinführend.

Was aber ist, wenn uns keine Zeit mehr bleibt? Tick-tack-tick-tack-tick-tack, so vergehen Sekunden, Minuten und Stunden, die uns dem Ende näherbringen. Jeden von uns, sehr individuell und auf seine ganz besondere Art und Weise. Wenn es niemanden und nichts mehr gibt, dann bleibt nur sie allein zurück, die Zeit.

Die Zeichen stehen auf Sturm. Im wahrsten Sinne des Wortes, und wenn es doch damit nur getan wäre. Doch diesmal kommt es richtig dicke.

Einmalig; anders ist es kaum zu beschreiben. Nie zuvor schafften die führenden Nationen so intensiv an einem gemeinsamen Werk. Die Raumstation ISS als bescheidener Anfang einmal davon ausgenommen.

Es wird Zeit, neuen Lebensraum zu schaffen. In den vergangenen Jahrtausenden ist es der Menschheit nicht gelungen, mit der Erde zu leben. Wir lebten und leben bis heute von ihr und berauben uns selbst der eigenen Daseinsgrundlagen. Ein Irrweg, der nun auf einem anderen Planeten seine Fortsetzung finden soll.

Während in weltweit mehr als vierhundert Scharmützeln die großen Nationen ihrer Stellvertreterkriege abarbeiten und der Bevölkerung aufzeigen, dass das Leben aus Leid besteht, entsenden sie gleichzeitig ihre klügsten Köpfe, um dieses Projekt voran zu treiben. Es gibt nichts, was zu diesem Thema nicht schon gesagt wäre, es gibt keinen Namen, den man diesem Vorhaben noch vergeben kann.

Dennoch, mit jedem Tag, den das spektakuläre Ereignis näher und näher rückt, mit jeder Stunde die vergeht, mehren sich die Berichterstattungen. Rund um den Globus gibt es keinen Fernsehsender, der nicht mit Sondersendungen aufwartet. Kaum ein Studio, in welchem sich nicht die Pseudokundigen die Klinke in die Hand geben.

Jahrzehnte in denen Visionen und wissenschaftliche Erkenntnisse die technischen Möglichkeiten immer weiter vorantrieben, scheinen nun wie im Fluge vergangen. Das schier Unmögliche ist nicht nur machbar, sondern wird definitiv in die Tat umgesetzt. Wie klein wirken dagegen die einst so großen Ereignisse.

Aber was ist geblieben von den vielen Hundertausenden, von den Abenteurern, den Zockern und Entdeckern, die begeistert hier schrien und unbedingt dabei sein wollten? Nachdem sich ein Heer von Medizinern, Psychologen, Sportlehrern, Ernährungswissenschaftlern und etliche weitere Fachleute ihrer annahmen, blieb ein Häuflein von dreißig Personen übrig. Nicht mehr.

Sind das noch die Wagemutigen, die Abenteurer oder die, die in beinahe selbstmörderischer Absicht zu Ruhm und Ehren kommen möchten? Nein, ein ganz klares Nein. Fünfzehn Frauen und fünfzehn Männer sind es, welche den schwersten Prüfungen standhielten. Sie schafften den psychischen wie physischen Härtetest, der sich über Jahre hinzog und dessen Grenzen nie höher angesetzt waren.

Ganz unabhängig davon, wie diese Reise ins Ungewisse enden wird, ihren Platz in der Geschichte werden diese dreißig Personen finden. Vorausgesetzt natürlich, die Zukunft wird eine Geschichte bereithalten.

Selbstverständlich gibt es bis heute auch die kritischen Stimmen. Durchaus zu Recht wird behauptet, dass mit den investierten unvorstellbaren Summen alle Not der Erde von einem Moment auf den Nächsten beendet werden könnte. Andere meinen sogar, das ganze Vorhaben sei nichts als purer Unsinn. Sie fragen, berechtigt oder auch nicht, weshalb man dorthin zurückkehren will, woher man doch vor Urzeiten gekommen ist.

Diese Kritiker vertreten allen Ernstes die These, dass der Mensch einst den Mars bewohnte, ihn ausplünderte, so wie es derzeit mit der Erde geschieht und sich dann auf die Reise zu unserem blauen Planeten machte.

Ein sehr düsteres Szenario wird da gemalt. Sollte unsere Mutter Erde in wenigen Jahrhunderten wahrhaftig so aussehen, wie es der derzeitige Stand vom Mars hergibt? Die Antwort dazu liegt irgendwo in der Zukunft.

Es gibt kein Zurück mehr. Nicht nur der milliardenverschlingende Megawatt-Kernreaktor wird als neuartiger Raumschiffantrieb seine Fähigkeiten unter Beweis stellen müssen. Startraketen, gegen die selbst die bekannte und bewährte Saturn V wie ein Relikt aus Urzeiten daherkommt, werden erstmalig in Dienst gestellt.

Und sollte der ferne Planet wie erhofft erreicht werden, dann würden zwischen dem baldigen Start und einer eventuellen Rückkehr immer noch zwei Jahre des Hoffens und des Bangens liegen.

Alleine der Hinflug wird trotz der neuen Antriebe kaum weniger als einhundertachtzig Tage in Anspruch nehmen. Treten während des Fluges Probleme auf, so ist eine Umkehr aus der Hinflugbahn unmöglich; selbst wenn darauf verzichtet wird, überhaupt erst auf dem Mars zu landen. Da spricht der Fachmann vom Point of no return. Wollte man jedoch tatsächlich vom Mars aus die Rückkehr in Angriff nehmen, so wäre dort zunächst ein Aufenthalt von etwa einem Jahr erforderlich, um bei einem erneuten Start der Erde wieder relativ nahe zu sein. Auf Hilfe von außen kann bei diesem Vorhaben niemand hoffen.

Eine waghalsige Unternehmung, die in zwei Tagen beginnt. Also durchaus verständlich, dass die Medien fast nur ein Thema im Programm haben. Mittlerweile sind jedem Erdbewohner drei Orte so bekannt, als würden sie in der unmittelbaren Nachbarschaft liegen.

Drei Namen von Standorten, die schon seit vielen Jahren immer wieder einmal Erwähnung finden und doch eher beiläufig wahrgenommen werden.

Cape Canaveral, an der Ostküste Floridas gelegen, Baikonur, was sich in der kasachischen Steppe befindet und Kourou, in Französisch-Guayana, das sind die, nach bisherigem Sprachgebrauch, bekannten Weltraumbahnhöfe. Von dort aus wird sich jeweils einer der neuentwickelten Giganten mit je zehn Personen an Bord aufmachen. Das in jeder Hinsicht entfernte Ziel ist, neuen Lebensraum zu schaffen. Der Vorteil zu den Entdeckungsreisen vergangener Jahrhundert besteht darin, dass man weiß, wohin man sich aufmacht. Eine Ahnung ist da, was auf die Abenteurer der Neuzeit zukommt. Und das Wissen dazu, dass es kaum lebensfeindlicher geht.

Manche meinten, man hätte sich etwas mehr Zeit nehmen sollen, um noch mehr Tests und technische Verbesserungen abzuwarten. Andere hingegen drängten geradezu zur Eile. Berichte, dass Meteoriten einschlagen könnten, gab und gibt es zu Hauf und immer wieder tauchen Vorhersagungen über den bevorstehenden Untergang auf. Greifbar ist bislang jedoch nur, dass an den Polkappen das Eis noch schneller schmilzt, als vorhergesagt, die Meeresspiegel steigen und die Wetterextreme sich häufen.

Pessimisten neigen gar zu der Ansicht, der Mensch würde den Planeten Erde zerstören. Das ist natürlich Humbug. Der Mensch kann Leben vernichten, sich der eigenen Daseinsgrundlagen berauben; doch wie sollte er so einen Giganten wie die Erde in die Knie zwingen? Das kann sie nur selbst schaffen.

Nach Jahrmillionen des steten Marathons um die eigene Achse und der täglichen Veränderungen gibt es nur die Möglichkeit, dass sie selbst aufgibt. An den eigenen Grenzen der Belastbarkeit angekommen, würde dies der Techniker lapidar mit Materialermüdung umschreiben.

Doch weshalb soll heute eintreffen, was gestern noch nicht möglich erschien? Darum geht das Leben weiter, für jeden von uns und sehr individuell.

Ellen kommt

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