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Unruhiges Dasein
ОглавлениеDoch abseits der großen Gebiete gibt es auch kleine Inseln, die viel zu bieten haben, gerade auch aus der Sicht der Geologen; und sie liegen ganz nahe daran, an Afrika.
Beruf und Liebe und natürlich das schöne Wetter, brachten Monika hinaus aus der rheinischen Metropole und ließen sie einen Neubeginn auf La Palma, richtigerweise San Miguel de la Palma, starten. Nur zirka vierhundert Kilometer vor der Marokkanischen Küste gelegen und mit notwendigem Niederschlag ebenso wie mit Sonnenschein gesegnet, ist La Palma eine bei Nordeuropäern sehr beliebte Urlaubsinsel. Vor acht Jahren, an einem typisch deutschen grauen Novembertag, machte sich Monika, für ursprünglich zwei geplante Wochen auf den Weg dorthin. Sie lernte Jose Maria kennen, der immer noch seine bei Touristen und Einheimischen gleichermaßen beliebte Bar betreibt und das war´s. Sie kehrte Ihrer Heimatstadt Köln den Rücken und welch ein Zufall, Liebe und berufliche Interessen fanden zusammen.
Seitdem arbeit sie mit Ines, die mittlerweile sowohl Kollegin, als auch Freundin ist, zusammen am geologischen Institut.
Wie alle Kanarischen Inseln, ist La Palma vulkanischen Ursprungs aber diese Insel hat eine schaurig-schöne Besonderheit. In den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde festgestellt, dass die Cumbre in ihrem Inneren wasserdurchtränkte, vertikale Schichten aus porösem Vulkangestein aufweist. Bei einem erneuten Vulkanausbruch, so die Theorie, könnte die westliche Flanke des Cumbre Vieja instabil werden und ins Meer abrutschen. Der Theorie folgend, könnte auf Grund dessen ein Tsunami ausgelöst werden. Mit einer Geschwindigkeit von geschätzt siebenhundert Kilometern pro Stunde, würde die Energie den Atlantik überqueren und sich demzufolge vor der Ostküste des amerikanischen Kontinents Wellenberge von bis zu fünfundzwanzig Metern Höhe auftürmen. Ein Horrorszenario, welches innerhalb der nächsten zehn Millionen Jahre für als wahrscheinlich angenommen wird.
Sollte dieses Ereignis wirklich in zehn Millionen Jahren zutreffen, hätte es für die nächsten Generationen eher weniger fatale Auswirkungen. Was aber, wen das Dilemma morgen eintritt oder in der kommenden Woche? Danach sieht es aber nicht aus. Monika und Ines gehen ihrer Arbeit nach und außer, dass sie einmal ganz kurz ein leichtes Rumpeln zu spüren vermeinen, verläuft auch dieser Tag wie alle vorhergehenden. Nur die Rechner scheinen verrückst zu spielen.
„Monika, hast Du das gerade gespürt?“
„Was?“
„Na, das Zittern.“
„Ach was, das war bestimmt wieder so ein alter LKW, dessen Dieselmotor nicht rund läuft. Aber ich bekomme ganz sonderbare Daten auf den Bildschirm und Tokio meldet sich sehr besorgt.“.
„Ja, bei meinen Eingängen stimmt auch so manches nicht überein.“ „Meinst Du es tut sich was, mit unserer Insel?“
„Blödsinn, Experten haben ausgerechnet, dass bis dahin noch zehn Millionen Jahre vergehen; dann sind selbst wir alt und grau“, lacht Ines. „Wie laufen die Geschäft bei Jose?“
„Ganz gut Ines, etwas besser kann es aber immer sein; viele Urlauber kommen aus ihren All-inklusive-Ghettos kaum noch raus, das spürt Jose schon.“
„Komm doch bitte mal rüber, Monika, schau Dir das an; hier stimmt wirklich etwas nicht!“
Und während die Sorgen bei Monika und Ines wachsen, weil vermutlich „etwas“ nicht stimmt, erholt sich Ellen Rodriguez weit abseits dieser kleinen Insel, beim Wellness in Fernost.
In der kleinen Stadt Tarlac erreicht man jede Stelle zu Fuß beinahe schneller, als wenn man mit dem Auto unterwegs ist, und das liegt nicht unbedingt daran, dass die Stadt so klein ist.
Das Auto ist aber einfach bequemer und die feinen Lederschuhe oder der Anzug bleiben sauber, denn die Wasser spritzen hoch, wenn ein anders Auto oder die unbändige Menge an Mopeds, durch die vom Monsun geschaffenen Wasserlachen rauschen. Zudem ist es weitaus angenehmer, die kühlen Temperaturen im Fahrzeuginnern zu genießen, als in der schwülen, feuchtheißen Luft herumzulaufen. So sehen es Viele und damit bleibt lediglich das Vorankommen mit dem Fahrzeug ein Problem; die Straßen sind ständig verstopft, weil eben alle so denken, die ein Auto besitzen. Die Mopedfahrer, die sich weniger an die Straßenregeln halten, kommen weitaus besser durch. Aber dafür ist so ein Gefährt nicht unbedingt was für schicke Lederschuhe und Maßanzug.
Gerne hätte sich Sanchez nach dem Mittagessen etwas ausgeruht aber er muss noch zum Reisebüro. Müde und nur vom ständigen Hupkonzert der anderen Verkehrsteilnehmer wachgehalten, verspürt er einen Stoß, als wäre jemand auf sein schickes Auto aufgefahren. Verärgert schaut Sanchez in die Spiegel, um den Schuldigen zu erblicken, doch da ist niemand. Kein Auto hinter ihm, in dieser wenig befahrenen Nebenstraße und wäre ein Mopedfahrer aufgefahren, der hätte mit seinem Kopf sicher die Heckscheibe durchschlagen. Die Garantiezeit für die Limousine ist noch lange nicht abgelaufen, aber schon ärgerlich, wenn er mit dem relativ neuen Wagen in die Werkstatt muss.
Ellens Anmeldung für den Wellnessbereich ging im Hotel recht kurzfristig ein. Häufig werden Termine zur Hot-Stone-Massage, der Lichtdusche oder anderen Wohlfühlmaßnahmen, Wochen im Voraus gebucht. Aber Ellen Rodriguez, einer der bekanntesten Damen der Stadt, einen Terminwunsch vorenthalten, nein, dies hätte sich kein Angestellter des Hotels gewagt. Mit asiatischer Höflichkeit wird Ellen vertröstet und ihr angeboten, bis dahin, dass einem römischen Amphiteather nachempfundene luxuriöse Bad zu benutzen. Ellen ist keineswegs verärgert, ganz im Gegenteil und gerne möchte sie einige Bahnen schwimmen, um die recht ansehbare Figur weiter in Form zu halten. Dass sie nicht selbst auf diese Idee gekommen ist.
Einer anderen Dame scheint man ebenfalls mit diesem Angebot entgegengekommen zu sein. Langsam steigt Ellen die wenigen flachen Stufen hinab, die in das kristallklare Wasser führen und lässt sich von Diesem tragen. Dann beginnt sie ruhig und kräftig zu schwimmen, Bahn um Bahn.
Für die andere Dame scheint der Zeitpunkt gekommen, die bestellten Behandlungen in Anspruch zu nehmen. Im flacheren Wasser stehend, möchte sie gerade auf die flachen Stufen zustreben, als eine kristallklare Flut über sie hereinbricht und sie zurück ins tiefere Wasser drückt. Im gleichen Moment tut sich auch vor Ellen eine Woge auf, die sie unter sich begräbt. So schnell wie sie kam, ist sie wieder verschwunden. Im ersten Moment sehr erschrocken, lachen nun beide Frauen, wie um die innere Anspannung zu verdrängen.
„Was war das denn?“, fragt die Dame ungläubig nach und spuckt dabei Wasser aus.
„Vielleicht hat jemand auf den Knopf der Gegenstromanlage gedrückt, oder? Es gibt doch diese Bäder, mit diesen künstlichen Wellen.“ „Nein, das ist unmöglich, ich komme schon sehr lange hierher. Hier gibt es keine Gegenstromanlage oder eine Maschine, die künstliche Wellen erzeugt. Also, wenn ich das erzähle, das glaubt mir kein Mensch. Gut, dass Sie das auch erlebt haben.“
„Ja, wahrhaftig, ich würde es auch nicht glauben und ich kann es noch immer nicht verstehen. Man sieht nichts mehr davon. Na, ich werde jetzt besser auch das Schwimmbecken verlassen und mich durchkneten lassen.“
Auf dem Weg zum Massageraum kommt Ellen an der kleinen Bar vorbei, an welcher die Wellness-Gäste sich erfrischen können und spricht die Bedienung auf den Vorfall an.
„Nein, gnädige Frau, eine Gegenstromanlage haben wir in unserem Poolbereich nicht; ich habe aber auch überhaupt nichts bemerkt. Wir haben in den unteren Räumen ein altes Notstromaggregat, das hat schon einmal sehr heftig gewackelt, als es zu einem Testlauf angeschmissen wurde. Wir hatten jetzt jedoch keinen Stromausfall und es ist keiner der Monteure in den unteren Räumen im Moment beschäftigt.“
Dem leisen Klirren der Gläser in den Regalen misst niemand Bedeutung bei.
Derweil hat Sanchez hat sein Fahrzeug am Straßenrand abgestellt, um sich davon zu überzeugen, dass wirklich niemand aufgefahren ist. Der Wagen hat keinen ersichtlichen Schaden; Sanchez vermutet, dass eventuell die Automatik „geruckelt“ hat. Beruhigt macht er sich wieder auf den Weg. Sollte das sonderbare Verhalten des Fahrzeugs noch einmal auftreten, wird er wohl die Werkstatt aufsuchen.