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Viertes Kapitel Aufbruch zu einer Rettungsmission

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Das Glück war uns hold gewesen. Unsere schlichte List hatte sie getäuscht. Doch verhielten wir uns still und bejubelten unseren kleinen Sieg nicht. Dies hätte sicherlich die Aufmerksamkeit der Mannschaft der Shams Albahr auf uns gezogen. Im Moment waren sie jedoch von uns abgelenkt und amüsierten sich über die seltsamen Visionen des Steuermanns. Wir hörten sie scherzen und lachen. Da nun aber die Seeleute wach waren und reger Verkehr auf und unter Deck herrschte, war es uns nicht mehr möglich, erneut die Frauen aufzusuchen. So mussten wir gezwungenermaßen bis zum Morgen ruhen.

Als die Sonne aufging, kam der kleine Ridvan und brachte Haschim ein Frühstück. Halef und ich spielten ihm vor, gerade aus unserer Ohnmacht zu erwachen. Er war sichtlich erfreut, uns bei guter Gesundheit zu sehen.

„O Effendi, ihr lebt.“

„Sollten wir nicht?“, fragte ich.

„Ich hatte befürchtet, dass ihr tot wärt“, gab der Kleine zu.

„Warum sollte man uns töten?“

„Das weiß ich nicht. Doch noch nie sah ich einen Mann nach so langer Zeit aus dem Reich der Träume wieder erwachen.“

„Sag, Ridvan, wie lange sind wir denn bewusstlos gewesen?“

„Oh, es waren mehr als drei Tage. Ihr werdet sicher großen Hunger haben. Ich hole euch sofort etwas zu essen.“

„Vielen Dank. Und vielleicht könntest du auch den Kapitän bitten, zu uns zu kommen. Ich meine, er ist uns eine Erklärung schuldig.“

Der Junge blickte ein wenig ängstlich, wie mir schien. „Ich werde es versuchen, Effendi.“ Somit verschwand er wieder.

Er hatte Recht. Halef und ich hatten tatsächlich einen Bärenhunger. Hashim ließ uns den Vortritt und wir taten uns an dem einfachen Mal gütlich. Nach kurzer Zeit brachte Ridvan Nachschub. Den Kapitän jedoch brachte er nicht mit. Das war zu erwarten gewesen. Abdulwahab hatte sicherlich eine Menge zu verbergen und kein Interesse daran, uns Rede und Antwort zu stehen.

Wir verhielten uns tagsüber ruhig und beschlossen zu warten, bis sich die Nacht herabgesenkt hatte und wir in der Stille und Dunkelheit erneut zu den Frauen schleichen konnten. Dann wollten wir einen festen Plan schmieden, von dem Schiff zu entkommen. Doch alles entwickelte sich anders als geplant.

Die Zeit zog sich zäh dahin wie ein Sauerteig. Am späten Nachmittag stand Halef von seinem Lager auf und kramte in seinem Bündel herum. Er entnahm etwas und ging damit zur Tür. Ich beobachtete voller Erstaunen, dass er dort irgendwelche seltsamen Gebärden ausführte. Nachdenklich schaute ich Haschim an. Der Scheik lagerte auf seiner Pritsche und las in einem kleinen ledergebundenen Büchlein. Irgendwie spürte er meinen Blick und sah auf. Ich deutete mit dem Kopf zu Halef hinüber. Dieser hatte nun begonnen, eigentümliche Formeln zu murmeln. Haschim beobachtete Halefs Tun interessiert. Da ich von Natur aus äußerst wissbegierig bin – was man auch als schlichte Neugier bezeichnen mag –, konnte ich nicht an mich halten. So stand ich auf und trat zu meinem Gefährten.

„Was tust du da, Halef?“

„Sihdi, ich versuche, dem Fell seine Magie zu entlocken“, gab er bereitwillig kund. Jetzt sah ich auch den verblichenen Fetzen in seiner Hand, den er für ein Stück des Goldenen Vlieses hielt. Damit wedelte er vor dem Schloss herum.

„Und du meinst, es könne den Mechanismus öffnen?“

„Vielleicht.“

Halef hatte mit der Kugel und dem – zwar nur durch Zufall, aber durchaus sehr hilfreichen – magischen Zelt schon einige gute Griffe bezüglich der Magie getan. Bei dem Fell jedoch war ich skeptisch. Allerdings wollte ich nicht vorschnell urteilen und hoffte für ihn, dass er sich nicht irrte. Halef konzentrierte sich. Ich ebenso. Wir blickten gespannt auf die Tür. Ich hielt die Luft an.

Mit einem Seufzer ließ Halef die Hand mit dem Fell sinken. „Ich weiß nicht, was es kann. Aber, wie es scheint, öffnet es keine Türen“, antwortete er sichtlich enttäuscht. Mein Freund tat mir aufrichtig leid. Ich wollte etwas Aufmunterndes erwidern, als wir plötzlich das Kratzen vom Zurückschieben des Riegels vernahmen. Mit Erstaunen und feierlicher Freude in den Augen strahlte mich Halef an. Die Tür öffnete sich und …

… Kapitän Geoffrey Abdulwahab trat ein. Mit verschränkten Armen stand er da und blickte uns eine Weile an. Halefs Kinnlade klappte herab, als er seinen Irrtum bemerkte. Das Öffnen der Tür hatte augenscheinlich nichts mit Magie zu tun gehabt. Ich konnte mir ein kurzes Lachen nicht verkneifen. Der Kapitän dagegen wusste nicht, warum wir uns derart seltsam verhielten, und bezog es anscheinend auf sich. Seine Miene verfinsterte sich.

„Wie ich sehe, Mister Kara Ben Nemsi, geht es Ihnen gut, und die Situation scheint Sie zudem zu amüsieren. Nun, das ist erfreulich. Ich hatte erwartet, dass Sie – gelinde gesagt – stinksauer wären.“

„Werter Kapitän Abdulwahab, in der Tat bin ich nicht erfreut über diese mir unbekannte Art der Gastlichkeit. Da Lord Lindsay Sie überaus reichlich belohnt hat, nehme ich an, dass jemand anderes noch wesentlich spendabler war, damit sie uns hier festhalten.“

Der Kapitän antwortete nicht.

„Ich nehme außerdem an, dass es das britische Militär war, welches dieses Kidnapping veranlasst hat?“

„Oh, Kidnapping ist ein böses Wort, das Sie da in den Mund nehmen. Glauben Sie mir, ich will Ihnen nichts Böses. Aber es gibt weit mächtigere Männer auf Allahs weitem Meer als Sie und mich.“

„Ich vermute, dass ich sie bald kennenlernen werde, diese mächtigen Männer?“

„Ja, deshalb bin ich hier. Wir erhielten gerade eine Nachricht mit Lichtzeichen. Das nennt man Morsecode“, berichtete der Kapitän stolz.

„Ich bin durchaus mit dem Morsealphabet vertraut“, gab ich zu. Denn in den Weiten Amerikas war es seit einigen Jahren möglich, Nachrichten per Telegraf von Ort zu Ort zu senden. Eine überaus praktische Erfindung. Dass dieses System nun auch in der Seefahrt angewandt wurde, war mir jedoch neu. Aber es war ein höchst interessantes Phänomen. Ich überlegte, ob es nicht möglicherweise in der Zukunft sogar Technologien geben konnte, die eine Telegrafie ohne Kabel erlaubten und mittels derer Informationen einfach durch den Äther geschickt würden. Hier und heute aber war es noch ganz verständlich, dass diese Zeichen per Lichtsignal weitergegeben werden mussten. Es wäre ja kaum machbar gewesen, alle Schiffe mit einem Kabel zu verbinden. Aber vielleicht Inseln, sinnierte ich weiter. Denn vor elf Jahren war nach langjährigen Anstrengungen und vielen Rückschlägen die Verbindung zwischen London und den Vereinigten Staaten geglückt. Ich wusste zudem von Bemühungen der Briten, Kabel nach Afrika und Bombay zu verlegen. Selbst hier im Mittelmeer waren Verbindungen entstanden, natürlich nicht zu Schiffen.

„Mister Kara Ben Nemsi“, riss mich die Stimme des Kapitäns aus meinen Gedanken, „bitte folgen Sie mir an Deck. Es wird in Kürze jemand eintreffen, der Sie über alles informieren wird.“

Halef und Haschim waren unverzüglich an meiner Seite. Doch standen im Korridor vor unserem unfreiwilligen Quartier zwei weitere Seeleute, breit und kräftig gebaut wie Ringer. Der Kapitän ließ keinen Zweifel aufkommen, dass nur ich mit ihm gehen sollte.

„Tut mir leid, aber ich habe Anweisung, nur Mister Kara Ben Nemsi nach oben zu begleiten.“

„Nun gut. Meine Gefährten werden hier warten“, erwiderte ich. Es blieb mir zunächst nichts anderes übrig, als mich zu fügen. Denn meine Neugier war sehr groß, zu erfahren, was es mit dieser Sache auf sich hatte und ob ich mit meinen Vermutungen richtig lag.

„Wenn meinem Sihdi etwas zustößt, dann werdet ihr erfahren, was ein echter Haddedihn ist“, erklärte Halef mit zusammengekniffenen Augen. Er wirkte wie ein Raubvogel, der kurz davor stand, sich auf seine Beute herabzustürzen. Ich war mir sicher, mich im Notfall auf meine Freunde verlassen zu können. Auch wenn Halefs Fell nicht über die Macht verfügte, die Tür zu öffnen, so tat es Haschims Magie umso mehr. Demnach konnte ich ohne Sorge dem Kapitän nach oben folgen.

Als wir das Deck erreichten, stand die Sonne schon recht tief. Sie lugte unter der dicken Wolkendecke hervor, die des Nachts den größten Teil des Himmels bezogen hatte. Ich konnte zwei Schiffe ausmachen, welche in einigem Abstand zur Shams Albahr auf dem Meer schwammen, beides waren Segeldampfer der Briten. Sie befanden sich offenbar als Bewachung unseres ‚Pestschiffs‘ vor Ort. Das kleinere der beiden Marineschiffe hielt auf uns zu. Aus seinem Schornstein quoll dicker Rauch. Die Segel waren jedoch gerefft. Das größere Schiff hatte neben den beiden Masten mittig zwei Schornsteine, die allerdings nicht in Betrieb waren. Diese Segelschiffe mit zusätzlichem Dampfantrieb nannte man in meiner Heimat Auxiliarsegler. Es war dem Lateinischen entlehnt und bedeutete Hilfssegler, also ein Segelschiff mit einem Hilfsantrieb. Der Vorteil war natürlich, dass es auch bei Flaute vorwärtskam und in engen Passagen besser manövrierfähig war. Das Schiff behielt seinen Abstand bei. Am Rumpf konnte ich eine Reihe von Kanonenluken erkennen. Sie waren aber geschlossen.

Ich folgte dem Kapitän an die Reling. Ein Blick zum Oberdeck zeigte mir, dass mich der Steuermann argwöhnisch musterte. Er schien den Vorfall von gestern Nacht noch nicht vergessen zu haben.

„Mister Nemsi, dort kommen die Herren, die Ihnen die Erklärung schulden“, sagte der Kapitän und deutete zu dem kleineren Schiff hinüber. Der Segeldampfer war in einigem Abstand längsseits gegangen und ließ ein Boot zu Wasser. Ich erkannte drei Personen darin. Das Ruderboot näherte sich recht zügig der Shams Albahr, da die Dünung nicht besonders hoch war. Beim Näherkommen erkannte ich in einem der Männer Captain Sean MacLean. Ein Seemann niedrigeren Rangs ruderte und ein dritter Mann in Zivil saß neben dem Captain. Dieser war auch der Erste, der über die herabgelassene Strickleiter an Bord des Frachters kletterte. Er trug einen grauen Mantel und einen Hut. Nach ihm kam Captain MacLean zum Vorschein. Diesmal hatte er seine blaue Uniform nicht mit einem Umhang verhüllt. Er blieb ein Stück hinter dem erheblich kleineren Unbekannten stehen, nickte mir jedoch grüßend zu. Ich erwiderte seinen Gruß ebenfalls mit einem dezenten Kopfnicken. Der Unbekannte jedoch kam mit aufgesetztem Lächeln auf mich zu. Er streckte mir die Hand entgegen.

„Guten Abend Herr …“

„Kara Ben Nemsi“, fiel ich ihm ins Wort.

„Kara Ben Nemsi, natürlich. Ganz, wie Sie es wünschen.“ Sein Händedruck war fester, als ich erwartet hatte, und seine Augen bekamen bei seinen Worten einen spöttischen Ausdruck. Der Mensch war mir sogleich unsympathisch.

„Mit wem habe ich die Ehre? Mit Mister Smith, nehme ich an?“, fragte ich mit ausdrucksloser Miene, aber spöttischem Unterton. Natürlich war mir geläufig, dass die Mitglieder des britischen Geheimdienstes gern unverfängliche Namen benutzten.

Er lachte.

„Nennen Sie mich Mister Smythe.“

„Nun“, entgegnete ich lächelnd, „sehr erfreut wäre jetzt sicher eine Übertreibung. Aber ich bin ganz Ohr, welche Erklärung Sie mir für diese Entführung anbieten können.“

„Alles zu seiner Zeit, Herr Kara Ben Nemsi.“ Er nickte Kapitän Abdulwahab zu. Dieser bat uns durch ein Zeichen seiner Hand, ihm zu folgen.

Der Wind trug die abendliche Kühle der offenen See heran. Ich hörte das Wasser an den Rumpf schlagen. Mister Smythe klappte seinen Kragen hoch. Wir folgten dem Kapitän nach unten in die Messe. Ridvan war gerade dabei, Tee auf den Tisch in der Mitte des Raums zu stellen. Er schob einige aufgerollte Landkarten beiseite. Nur zwei Tassen konnte ich sehen. Also sollte dies ein Gespräch unter vier Augen werden. Ich war gespannt, was mir Mister Smythe zu erzählen hatte. Ridvan lächelte mir zu, als er hinausging. Auch Kapitän Abdulwahab verließ den Raum. Wir setzten uns an gegenüberliegende Seiten des Tischs. Mister Smythe legte seinen Hut beiseite und entblößte dunkelblondes schütteres Haar. Mit abgespreiztem kleinen Finger nahm er eine der Teetassen und führte sie zum Mund. Dabei ließ er mich nicht aus den Augen. Ich versuchte mir keinerlei Nervosität anmerken zu lassen, obgleich mir seine Gegenwart nicht behagte. Mein Blick fuhr kurz durch den Raum. Im hinteren Bereich gab es eine Reihe Fenster, die den Blick aufs Meer zuließen. Ich konnte die Sonne sehen, die zwar noch über dem Horizont stand, jedoch den Himmel schon rot zu färben begann – rot wie die Pestflagge am Mast über uns oder auch rot wie Blut. Beides waren keine idyllischen Assoziationen. Doch in diesem Moment spiegelten sie meine Stimmung wieder. Denn ich spürte, dass dieser Mann etwas in der Hand hatte, um mich unter Druck zu setzen. Was konnte das sein? Ich wusste es nicht und musste abwarten, bis er sein Geheimnis lüftete.

„Mister Smythe, was haben Sie mir zu berichten? Diese ganze aufwendige Aktion werden Sie sicher nicht ohne Grund durchgeführt haben.“

„Of course not, Kara Ben Nemsi. Ich denke, es wird Zeit, Sie einzuweihen.“

„Ich bitte darum.“

Mister Smythe setzte die Teetasse ab. „Vor einigen Wochen“, begann er, „haben wir – also ein Trupp unserer Royal Marines unter Captain Sean MacLean – angefangen, das Höhlensystem auf Kreta zu erforschen. Rein wissenschaftlich, versteht sich, isn’t it?“

„Sicher. Warum sollte ich da auch etwas anderes annehmen? Schließlich gehört Kreta dem Osmanischen Reich an und steht unter dem Dekret der Hohen Pforte. Hätten Sie andere Intentionen als die Wissenschaft, käme dies ja einer Kriegserklärung gleich.“ Ich grinste ihn an, belustigt über dieses Katz- und-Maus-Spiel.

„Sure – gewiss. So ist es. Unsere Wissenschaftler wollten die Höhlen kartografieren. Dabei kam es zu einigen, sagen wir einmal, bedauerlichen Zwischenfällen. Do you understand?“ Mister Smythe lächelte mich an, wohlwissend, dass ich dies schon von Captain MacLean erfahren hatte. „Wir haben uns an einen Einheimischen gewandt, der uns diesbezüglich unterstützen sollte. Dieser Mann ist sehr vertraut mit den Höhlen und der Inselgeschichte. Er war selbst gerade im Begriff, Ausgrabungen in einigen Höhlen sowie auf seinem Land durchzuführen. Er war der Ansicht, auf der Spur des sagenumwobenen Palasts des Minos zu sein. Are you familiar with it?“

Ich nickte. „Ja, ich bin vertraut mit der Sage um den Palast des Minos.“

„Well, dann wissen Sie sicher auch, dass es ein unterirdisches Labyrinth geben soll, in dem in vorchristlicher Zeit ein Monster – halb Mensch, halb Stier – sein Unwesen trieb. Ein menschenfressendes Untier. Horrible!“ Er sah mir prüfend in die Augen. Ich erwiderte seinen Blick gelassen, denn ich glaubte nicht an derlei Dinge und so konnte mir diese alte Erzählung auch keinen Schrecken einjagen. „Das sind natürlich nur Märchen und Sagen“, gestand er sogleich.

„Natürlich. Aber Sie suchen mich sicherlich nicht wegen einer alten Gruselmär auf.“

„Nein und doch auch ja. Der Einheimische ist ein Mann namens Minos Kalokairinos.“

„Minos – ein sehr trefflicher Name für einen Sucher des Minospalastes.“

„Indeed. Sehr trefflich. Aber reiner Zufall. Dieser Minos ist nicht irgendein Bauer, der ein paar historische Münzen beim Pflügen seines Feldes gefunden hatte. No, dieser Minos ist ein angesehener wohlhabender Bürger von Megalokastro. Er ist Kaufmann und Jurist und Hobby-Archäologe. Vor den Toren der Stadt auf einem Hügel besitzt er ein beachtliches Stück Land, really. Captain MacLean war vor Ort. Dort hatte er mit seinen Ausgrabungen begonnen und einige Säulen und Kultgegenstände freigelegt. Außerdem soll er eine Karte gefunden haben, auf der er den Eingang zum sagenumwobenen Labyrinth vermutete.“ Nun blickte er mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, als erwarte er eine bestimmte Reaktion von mir.

„Und diese Karte hat er Ihnen aus purer Freundlichkeit überlassen“, frotzelte ich.

Smythe grinste mich belustigt an. „Almost. Aber wir konnten ihn letztendlich nur dazu bewegen, uns bei unseren Erkundungen behilflich zu sein. Die Karte hat er gut verwahrt.“ Ich glaubte fast, die Enttäuschung in seinem Gesicht zu sehen. Das war natürlich bloß Einbildung, denn diese Sorte Mensch war trainiert darauf, ihr Inneres durch nichts zu verraten. Alles was ich sah, sollte ich auch sehen.

„Schade für Sie.“

„Yes, allerdings. Wahrscheinlich hat dieser Umstand zudem einige unserer Männer das Leben gekostet.“

„Captain MacLean berichtete mir schon davon. Das ist höchst bedauerlich. Aber noch immer sehe ich nicht, wie ich Ihnen behilflich sein könnte.“

„Dazu komme ich noch. Be patient! Zunächst müssen Sie die Zusammenhänge verstehen.“

Ich nickte. Gut, dachte ich bei mir, soll er seine Schauergeschichte erzählen. Das war höchst interessant und sicher inspirierend für einen Reiseschriftsteller wie mich. Doch mir fiel kein Grund ein, der mich hätte dazu bewegen können, diesem Mister Smythe zu helfen. Denn darauf würde es mit Sicherheit erneut hinauslaufen. Mit dieser Annahme sollte ich Recht behalten. Mit dem Grund allerdings nicht. Ich konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen, was der Agent des britischen Geheimdiensts für ein Druckmittel gegen mich in der Hand hielt. Doch ich sollte es bald erfahren.

Inzwischen begann die rote Sonne vor meinem Ausblick durch die Fenster ins Meer einzutauchen. Eine dunkle Wolkenfront schob sich behäbig in mein Blickfeld. Mir schien, dass ein Unwetter aufzog – am Himmel sowie hier auf der Erde.

„As luck, wie es der Zufall wollte, stattete uns Captain Terbut bei seiner Durchreise einen Besuch auf Kreta ab.“

„Ah“, entfuhr es mir. Davon hatte ja auch schon Captain MacLean gesprochen.

„Terbut berichtete uns von Ihnen und Ihrem Lord Lindsay. Und – wie es der Teufel will – erzählte uns dieser Minos Kalokairinos, dass er mit Sir David Lindsay bekannt sei. So konnten wir Minos überzeugen, Lindsay durch einen Brief nach Kreta …“

„… zu locken“, schloss ich den Satz.

„My goodness. Sie sehen das alles zu negativ.“ Smythe nahm einen Schluck Tee und ließ die Worte im Raum herumflattern wie aufgeschreckte Tauben. Kurz musste ich an die Taubenfrau von Aleppo denken. „Natürlich waren wir für jede Hilfe dankbar“, fuhr Smythe fort. „And yes, ich hatte gehofft, dass der Lord auch Sie mitbringen würde. Dem war jedoch nicht so. Leider.“

Er stellte die Tasse wieder ab.

Mein Tee stand noch immer unberührt vor mir. Ich hätte mir auch eher einen Muckefuck gewünscht.

„Ich verstehe noch nicht, wie Minos’ Brief Lord Lindsay hier auf Zypern erreichen konnte. Niemand wusste, wo wir uns aufhielten“, rätselte ich laut.

„Niemand außer Terbut. Er hat uns die Lage der Bucht beschrieben. Das war uns Anhaltspunkt genug. Unsere Patrouillenschiffe kreuzten vor der Nordküste und fanden die Yacht recht schnell. So war es uns möglich, dem Lord im Namen der britischen Marine den Brief zu übergeben. Landsleute sind sich eben überall auf dem Globus behilflich. That’s a matter of honor.“

„Sehr ehrenvoll von Ihnen. Ich bin beeindruckt. Und als Ihnen klar wurde, dass Ihre List nur halb fruchtete und ich nicht mit an Bord war …“

„… entschlossen wir uns, ein Bündnis mit Kapitän Abdulwahab einzugehen. Schließlich hat jeder seinen Preis. Der eine lässt sich mit blinkendem Gold überzeugen und bei dem anderen muss man schwerere Geschütze auffahren. That’s the way it is.“

„Zum Beispiel ein Narkotikum?“

„Oh, Sie haben mich ertappt. Ich möchte mich in aller Form entschuldigen für diese – notwendige Finte. I’m sorry.“

Ich musste mich sehr beherrschen, denn diese Sache mit dem Narkotikum machte mich wütend. Dies konnte man kaum als Finte bezeichnen, vielmehr als Intrige oder Kabale. Ich wäre ihm liebend gern an die Kehle gesprungen. Doch das hätte es nicht ungeschehen gemacht und zudem wollte ich endlich den Grund erfahren, warum dieser Kerl der Ansicht war, mich umstimmen zu können.

„Wir benötigten Zeit, um einen Plan zu ersinnen, wie wir Sie, verehrter Herr Kara Ben Nemsi, für unser Projekt gewinnen könnten. Da Sie aber im Begriff waren, diese Gefilde auf Dauer zu verlassen, mussten wir schnell handeln. Zu unserem Glück hatte Sir David Lindsay die Organisation Ihrer Passage vertrauensvoll in unsere Hände gelegt und Kapitän Ahab … äh Abdulwahab …“ Er lachte.

„Lieber Mister Smythe“, unterbrach ich seine Ausschweifungen und stand auf, „sagen Sie mir nun einfach, was Sie zu sagen haben, damit wir dieses Gespräch beenden können. Ich kann Ihnen versichern, dass es nichts gibt, was mich und meine Freunde dazu bewegen könnte, Ihnen bei Ihrer Unternehmung zu helfen. Wie ich schon Captain Sean MacLean mitteilte, bin ich nicht gewillt, mich in Angelegenheiten einzumischen, die einen Konflikt zwischen dem britischen Empire und der Hohen Pforte auslösen könnten.“

„Es handelt sich um eine Rettungsaktion“, gab der Mann plötzlich zu. Dabei setzte er eine bedauernswerte Miene auf.

„Ach, haben Sie nun doch Spuren Ihrer verschollenen Soldaten gefunden?“

„No! Es gibt keine Spuren – weder von unseren Soldaten noch von Sir David Lindsay und Minos Kalokairinos.“

Es war mir, als hätte mich ein elektrischer Schlag durchfahren. „Wie bitte? Wollen Sie damit andeuten, dass Lindsay und Kalokairinos ebenfalls in den Höhlen verschollen sind?“

„Herr Nemsi, ich will es nicht nur andeuten. It’s a fact. Sie sind vor drei Tagen hinabgestiegen und bis dato nicht wieder erschienen.“

Zunächst war ich sprachlos. Lindsay war in den kretischen Katakomben verschollen? Entsprach dies der Wahrheit oder war das nur ein Trick dieses Secret Service Agenten, um mich nach Kreta zu locken?

„Können Sie mir das beweisen?“

„No, das kann ich nicht.“

Das musste ich kurz verdauen. Sicher war dieser Mensch äußerst gerissen. Aber, falls dies ein Trick war, hätte er sich dann nicht einen überzeugenden Beweis einfallen lassen, um es mich glauben zu machen? Würde er wirklich da so stehen und zugeben, dass er keinen Beweis hatte? Er wusste, dass ich ihm nicht vertraute. Andererseits konnte genau dies der Trick an der Sache sein.

„Wie konnten Sie so schnell erfahren, dass Lindsay verschwunden ist? Ein Brief hätte mehrere Tage benötigt, um von Kreta nach Zypern verschifft zu werden.“

„Indeed. Sie haben Recht. Es gibt heutzutage technische Möglichkeiten, diese Nachricht in wenigen Stunden zu erhalten. Telegrafie. Ich habe eine Depesche bekommen.“

„Es existiert ein Unterseekabel zwischen Kreta und Zypern?“, fragte ich mit gespieltem Erstaunen. Natürlich war ich nicht wirklich überrascht. Ich hatte dies vermutet. Das war nun die Bestätigung dafür. Es gab also tatsächlich Kabelverbindungen zwischen den Mittelmeerinseln.

„Yes. Es ist top secret. Wir haben eine geheime Telegrafenstation in einer Bucht in der Nähe von Paphos. Das muss aber unter uns bleiben, werter Kara Ben Nemsi. Sonst wird es beim nächsten Mal kein Narkotikum sein, was Sie in Ihrem Wasser finden werden. Do you understand?“

„Ja, ich verstehe ihre Drohung recht gut, Mister Smythe. Doch nicht diese Drohung, sondern die Sorge um meinen Freund lässt mich nun in Erwägung ziehen, nach Kreta zu fahren.“

„Thank you, verehrter Kara Ben Nemsi. Vielen Dank.“

„Nein, Sie müssen mir nicht danken. Ich habe nicht vor, Ihnen auf irgendeine Art zu helfen. Ich werde Lord Lindsay suchen und finden und ich erwarte, dass Sie mir dabei helfen.“

Smythe sah mir fest in die Augen und nickte. Ich traute ihm noch immer nicht. Doch ich musste ihm im Moment Glauben schenken. Jede Minute zählte. Falls der Lord schon drei Tage in den Höhlen war, wir zwei Tage für die Überfahrt benötigten und wahrscheinlich noch mindestens einen Tag, um am Ort des Geschehens einzutreffen, dann wäre Sir David schon fast eine Woche in dem unterirdischen Labyrinth. Hatte er somit eine Überlebenschance? Lebte er überhaupt noch? Ich musste davon ausgehen, sonst wäre jeder Rettungsversuch zum Scheitern verurteilt. Zunächst aber musste ich meinen Freunden von der neuen Situation berichten.

Smythe erbot sich, an Deck auf meine endgültige Antwort zu warten. Der Kapitän wurde angehalten, Halef, Haschim und die Frauen in die Messe zu bringen. Als alle versammelt waren, oblag es mir, ihnen die schmerzliche Nachricht zu offenbaren. Ich sagte ihnen kurz und ohne Umschweife, wie sich die Lage für mich darstellte. Lindsay und Kalokairinos wollten den Palast des Minos finden und waren mit Unterstützung des britischen Militärs in das kretische Höhlensystem gestiegen, da sie dort den Eingang zum sagenumwobenen Labyrinth vermuteten. Wahrscheinlich sollten sie zusätzlich Kartenmaterial für die Briten erstellen. Doch sie kehrten nicht zurück und waren nun seit drei Tagen in dieser Unterwelt verschollen.

„Ich werde mit den britischen Soldaten nach Kreta fahren, um Sir David zu finden“, schloss ich meinen Bericht.

Meine Freunde hatten still meinen Ausführungen gelauscht. Ab und zu nahm ich von einem von ihnen ein entsetztes Stöhnen wahr. Gleichwohl waren sie insgesamt sehr gefasst.

„Ich werde dich begleiten, mein Freund“, antwortete Haschim. „Du hast mir auch stets beigestanden und mich nicht im Reich Saba zurückgelassen. Auch der Lord verdient es nicht, dass wir ihn kampflos aufgeben und den Kreaturen der Unterwelt überlassen.“

„Danke, Haschim. Ich nehme deine Hilfe sehr gern an.“

„Sihdi, ich lasse dich doch nicht allein in die Tiefe steigen. Natürlich werde ich dich begleiten. Aber ich fühle mich auch verpflichtet, meine Hanneh und natürlich die ehrwürdige Amscha nach Hause zu bringen.“

Ich sah ihm seinen Seelendruck an und wollte ihn schon erlösen, indem ich ihn nach Hause schickte, als sich Amscha einmischte.

„Hadschi Halef Omar, willst du unsere Familie entehren? Natürlich wirst du deinen Freunden beistehen. Was fällt dir ein? Glaubst du, dass wir drei Frauen nicht in der Lage sind, nach Hause zu finden?“

„Amscha, ich …“, begann Halef zu stottern.

„Ich will nichts hören!“, unterbrach Amscha ihn. „Du tust, was deine Pflicht ist! Wir finden allein nach Hause. Glaubst du denn, dass Frauen weniger können als Männer?“ Mit in die Hüften gestemmten Händen baute sie sich bedrohlich vor ihm auf.

„Aber, Hanneh …“, druckste er herum.

„O Halef, geliebter Mann. Ich werde mit Amscha und Djamila auf dem schnellsten Weg nach Hause zu unserem Sohn Kara reisen. Mach dir um uns keine Sorgen. Steh deinen Freunden bei.“

„Wenn du das verlangst, geliebte Frau, dann werde ich dir nicht wiedersprechen.“ Er nahm Hanneh in die Arme und ich sah den Stein regelrecht zu Boden plumpsen, der ihm gerade vom Herzen gefallen war.

„Ich werde mit euch mitkommen!“, hörte ich nun Djamilas Stimme. Sie schob sich hinter Amscha hervor. Ihr Gesicht drückte Bestimmtheit aus.

„Auf keinen Fall, junge Frau“, war Amschas Reaktion. „Du kommst mit uns mit nach Hause!“

„Nein!“ Djamila stampfte mit dem Fuß auf. „Ich werde mit Halef und Onkel Kara gehen.“

„Ausgeschlossen“, mischte ich mich ein. Ich hatte genug Sorgen um Lindsay und konnte mich jetzt nicht auch noch um ein junges Mädchen kümmern. Selbst Halef schüttelte den Kopf.

„Sir David Lindsay habe ich viel zu verdanken“, beharrte Djamila. Sie kam zu mir und blickte mir in die Augen. „Denk an Basra …“ Dann schritt sie zu Halef. „… an die Wüste …“ Nun stellte sie sich vor Haschim auf und sah hoch in das Gesicht des Zauberers. „… an das Abenteuer mit Al-Kadir. Ich möchte helfen, den Lord zu retten.“

„Hör zu, Djamila“, erklärte ich in ruhigem Ton. „Du musst dich um Hanneh und Amscha kümmern. Ich vertraue dir ihre Sicherheit an.“

Djamila blickte mich aus Augen an, die zu Schlitzen geworden waren. Den Unterkiefer hatte sie trotzig nach vorn geschoben. Ich sah ihr an, dass sie meine Rede durchschaute. Jedoch widersprach sie nun nicht mehr. Sie drehte auf dem Absatz um, stieß die Tür auf und stürmte hinaus.

Für einen Moment war es sehr still. Alle blickten betreten dem Mädchen hinterher. Amscha war die Erste, die sich fasste. „Geht nun. Ich werde mich um das Kind kümmern. Sorgt euch nicht. Sie wird sich wieder beruhigen.“

Keine zehn Minuten später standen wir mit unserem bescheidenen Gepäck an Deck der Shams Albahr – der Sonne des Meeres. Die Sonne des Himmels war indes fast gänzlich im Meer verschwunden. Das Blutrot des westlichen Firmaments hatte sich in tiefes Purpur gewandelt, unterbrochen von dunkelblauen Wolken. Die Intensität des Windes und das Schaukeln des Schiffes nahmen ebenfalls bedenklich zu. Die Takelage surrte und pfiff. Die Planken knarrten. Das Wasser schlug gegen den Rumpf. Amscha und Hanneh hatten uns zum Abschied hinaufbegleitet und standen an der Reling. Djamila dagegen war schmollend unter Deck geblieben. Seit der Auseinandersetzung hatten wir sie nicht mehr gesehen. Ich bedauerte sehr, keinen Abschied von ihr nehmen zu können, aber es blieb keine Zeit für derlei Konflikte. Es ging um Leben und Tod des Lords.

Kapitän Abdulwahab und Mister Smythe standen wartend an der Reling und überwachten den Transport einiger Güter vom Handelsschiff auf das britische Schiff, welches uns nach Kreta bringen sollte. Im Hintergrund ragte die Silhouette dieses Segeldampfers der Royal Navy auf. Noch immer quoll dicker Rauch aus dem Schornstein. Auch das zweite Schiff war dicht aufgerückt. Einer der Seeleute trug unsere Waffen bei sich und übergab sie uns bereitwillig.

„Er wird die Frauen sicher zur Küste befördern, ihnen Pferde für die Rückreise besorgen und ihnen drei Mann zum Schutz mitgeben“, versprach der britische Agent.

„Können wir ihm denn vertrauen, Sihdi?“, fragte Halef und blickte besorgt zu Hanneh.

Bevor ich antworten konnte, trat der Kapitän hervor. „Ihr könnt mir vertrauen, Mister Nemsi und verehrter Hadschi Halef Omar. Wie ihr euch erinnern müsstet, habe ich euch allen kein Haar gekrümmt. Die Betäubung war nicht meine Idee. Lord Lindsay hat mich gut entlohnt für die Passage. Dieser Verpflichtung werde ich nachkommen. Sie haben mein Wort – mein Ehrenwort.“ Er hielt mir die Hand entgegen, um den Vertrag zu besiegeln.

Ich schlug ein. „Ich werde Ihnen vertrauen, Kapitän Geoffrey Abdulwahab. Doch denken Sie stets daran: Wenn den Frauen etwas zustößt, werden wir Sie finden. Das Mittelmeer ist nicht groß genug, um sich vor uns zu verstecken. Glauben Sie mir.“

„Es wird ihnen kein Leid geschehen“, bekräftigte er.

Halef baute sich vor dem Kapitän auf und blickte ihm ernst ins Gesicht. „Das will ich Ihnen raten. Hüten Sie sie, als wären es Goldstücke. Sonst …“ Den Rest schluckte er hinunter. Denn eigentlich war es nicht die Art der Haddedihn, ihre Gefühle so zur Schau zu stellen. Halef konnte ich in diesem Moment jedoch sehr gut verstehen. Hatten wir mit Amschas Hilfe doch gerade erst Djamila und Hanneh aus den Klauen der Sklavenjäger befreit und nun musste er sie schon wieder ziehen lassen. Er merkte wohl zudem, dass es nicht angebracht war, den Kapitän mit Drohungen gegen sich aufzuwiegeln. Das würde den Frauen kein Fünkchen mehr Sicherheit bringen. Ein wenig widerwillig mussten wir ihm vertrauen. Zudem war ich mir sicher, dass Hanneh und besonders Djamila und Amscha sich zu verteidigen wussten, falls es nötig sein sollte. Uns blieb keine Wahl. Wir nahmen Abschied von ihnen. Smythe kletterte als Erster über die Reling. Als ich nach unten blickte, sah ich ein zweites Beiboot in den Wellen dümpeln.

„Ich werde Sie nicht begleiten, Herr Nemsi. Die Mission liegt nun in der Hand von Captain Sean MacLean. Auf mich warten andere Aufgaben. Goodbye and good luck“, rief er nach oben und sprang in das Boot. Zwei Ruderer legten sich in die Riemen und trieben die Schaluppe in Richtung des großen Segeldampfers.

Halef, Haschim und ich kletterten nacheinander in das zweite wartende Boot, welches als Spielball der Wellen leicht auf- und niederhüpfte. Dort wartete Captain Sean MacLean und blickte uns sichtlich verlegen an. Ich konnte nicht deuten, ob es das schwere Gewissen oder die zu erwartende schwere See war, die seine Miene formte. Die Wolken hatten mittlerweile den gesamten Himmel bedeckt und verkündeten Unheil.

„Sir Kara“, murmelte er grüßend.

„Captain MacLean.“ Ich nickte ihm zu. Für Vorwürfe war nun aber der falsche Augenblick. Ich nahm eins der Ruder und half dem Captain, das Beiboot zurück zum Patrouillenschiff zu manövrieren. Der Weg war glücklicherweise nicht weit. Das Wasser breitete sich dunkel inmitten der beiden Schiffe aus. Ein Trupp Tümmler zog neugierig dazwischen hindurch, recht nah an unserem Boot vorbei. Mit lautem Zischen stießen die Tiere die Luft aus dem Atemloch aus. Ich blickte ihnen fasziniert nach. Lautes Rufen ließ mich den Blick abwenden und zum Frachtschiff hinüberschauen. Da sah ich die Frauen winken. Halef winkte zurück. Die rote Pestflagge wurde eingeholt und die Shams Albahr hisste die Segel.

Der Herrscher der Tiefe

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