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Einkäufe in Pompeji

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Über zwei Wochen waren im Hausdienst beim reichen Pomponianus vergangen, den die Neulinge als freundlichen älteren Herrn achteten. Sie hatten mit Fuscus und dem Gärtner zu seiner Zufriedenheit dem Faun beim Fischteich eine erhöhte Mauer gebaut, und es verging kein Tag, an dem Pomponianus nicht unter einem Schattenbaum in der Nähe ruhte. Der Dienst in Haus und Garten war angenehm, nur etwas eintönig nach dem Leben in Athen und der erlebnisreichen Meerfahrt. Oft schauten sie hinüber nach Pompeji und zu dem dahinter liegenden Hügelberg Vesuvius hin. Gar zu gerne hätten sie schon längst diese Stadt besucht; aber diese Gelegenheit mussten sie abwarten. Endlich kam der Tag, wo Fuscus ihnen unvermittelt verkündigte:

«Heute geht’s nach Pompeji. Die vier jüngsten Burschen rudern das Boot. Unser Herr kommt auch mit. Rüstet Körbe und Krüge. Es gibt mancherlei einzukaufen.»

Bei den Jüngsten waren natürlich auch Tyrios und Milon dabei. Unten am Flusse Sarnus bestiegen sie das Vierruderboot, das Pomponianus für solche Fahrten nach Pompeji benutzte. Es war mit bunten Farben bemalt, hatte am Bug eine vergoldete Schnitzerei und sah sehr stattlich aus.

Es ging gegen Ende des heißen Monats August. Aus dem Gespräch zwischen Fuscus und Pomponianus war zu entnehmen, dass der Herr die Fahrt deshalb für heute angeordnet hatte, weil ihm zu Ohren gekommen war, dass am Vortage in Pompeji einige Häuser Schaden genommen hätten durch ein leichtes Erdbeben, das man auch in Stabiae verspürte. Den Fluss Sarnus, der unweit Pompeji ins Meer führt, hatte man vor der Stadt zu einem Bootshafen erweitert, wo nach kurzer Überfahrt das Vierruderboot angebunden wurde. Nach dem Aussteigen gebot Pomponianus:

«Wenn du deine Einkäufe in der Stadt besorgt hast, Fuscus, kommst du mit den Burschen wieder hierher. Gönne dir aber in den Thermen ein Bad. Es mag mehrere Stunden dauern, bis ich vom Besuch meiner Freunde zurück bin.»

Der Herr wollte allein seiner Wege gehen, und so nahm Fuscus alle vier mit sich, die Einkäufe zu besorgen.

Vor dem Weggehen vom Flusshafen betrachtete Milon die Fischerboote und kleinen Warenschiffe. Am meisten aber erregten einzelne vergoldete Ruderschiffe sein Interesse, die reichen Bürgern von Pompeji gehörten.

Bald betraten sie die Innenstadt durch ein hohes Tor. Verglichen mit den Straßen Athens kamen Milon die pompejanischen mit ihrer großen Pflasterung eher schmal vor. Wenn ein Wagen herannahte, musste man auf den fast kniehohen Bürgersteig hinaufspringen, da der Fahrweg viel tiefer lag und der Wagen nicht ausweichen konnte. Nach den Straßen zu lagen offene Kaufläden, und überall waren Handwerker fleißig bei ihrer Arbeit. Hier wurde Leder genäht und zu Gürteln und Schuhen verarbeitet. In einer Metallwerkstätte sah man Kupfer hämmern, und in den Auslagen waren die schönsten Gürtelschnallen, Haarfibeln, aber auch Ringe und Ketten ausgestellt. Schenkwirte schöpften aus riesigen Steinkrügen roten und goldgelben Wein in Trinkschalen und boten dazu Brot mit gebratenen Hühnchen oder gebackenen Fischen an. Hier waren Öllampen in verschiedenen Größen zu kaufen, und ein Töpferweib saß nebenan in einem Heer von Vasen und Töpfen, die sie mit lauter Stimme anpries. Ein geschäftiger Verkäufer schwenkte bunte Tücher in der Luft herum und reichte sie bereitwillig neugierigen Damen, sie an sich selber auszuprobieren.

Bei einem Ziehbrunnen hatten sich mit Krügen und Eimern ärmere Frauen versammelt, in deren Häuser keine Wasserleitung fließendes Wasser herantrug. Milon hörte, wie sie erregt die Schäden des gestrigen Erdbebens besprachen. Eine wies dabei angstvoll auf eine Rauchwolke, die über dem Berg Vesuvius erschienen war. Eselskarren führten vom Lande Gemüse und Früchte herbei, die in der Markthalle auf grobe Tücher ausgebreitet und feilgehalten wurden. Bei einem Händler ließ Fuscus einen Krug mit Fischtunke füllen, bei einem andern kaufte er Mehl. Milon bekam in seinen Korb eine große Zahl von Eiern, die zwischen Weinblättern weich gelagert wurden. Tyrios trug zwei schwere Krüge mit Öl, die man bei einer Ölmühle hatte auffüllen lassen.

Als Fuscus mit seinen Burschen beim großen Platz des Forums ankam, durften sie einen Augenblick die Lasten ablegen und die Tempel und andere Gebäude betrachten. Tatsächlich, da und dort lagen als Zeugen des gestrigen Erdbebens herausgebrochene Steine umher. In einer Seitenmauer des Gebäudes der Stadtregierung klaffte ein Riss von oben bis unten. Milon war nicht erstaunt, bei den Tempeln griechische Säulen zu finden; hatte ihm doch Alkides berichtet, wie die Römer dies von den Griechen übernommen hätten.

Fuscus winkte, begab sich mit ihnen hinüber zur Markthalle an einen schattigen Platz und sprach:

«Legt hier alles auf den Boden. Ich begebe mich für eine gute Weile in ein Badehaus. Die zwei Neulinge dürfen sich die Stadt ansehen. Vesonius und Vargo, bleibt bei unseren Waren und ruht euch aus, bis ich zurück bin!»

So begaben sich Milon und Tyrios auf Entdeckungen und schlenderten durch die belebten Straßen. Sie bewunderten schön bemalte Häuserfassaden, wie sie sie von Athen nicht kannten. Aus dem hohen Portal einer Villa traten eben prächtig gekleidete Menschen heraus, die Damen in Gold- und Silberschmuck und buntfarbigen Tüchern. Übermütiges Lachen hallte von den Hauswänden wider. Die beiden Freunde traten in eine Mauernische zurück, von wo aus sie die schönen, glücklichen Menschen beobachten konnten, die vor das Portal strömten. Kinder mit Körbchen waren dabei, die einem eben heraustretenden Paar Blumen zuwarfen, sodass das Steinpflaster wie ein Blütenteppich aussah.

«Eine Hochzeit!», bemerkte Tyrios; «in solchem Glück und Reichtum möcht’ ich auch Bräutigam sein!»

Der Zug setzte sich Richtung Forum in Bewegung. Im Vorbeiziehen verbreiteten sich Wohlgerüche von Duftwässern, mit denen man die Gewänder besprengt hatte. Aus den wieder gefüllten Körben streuten die lieblichen Kinder unermüdlich nach allen Seiten Blüten. Eine Rose fiel vor Tyrios’ Füße. Rasch hob er sie auf und sog ihren Duft ein. Dann wendete er sich zu Milon:

«Arme Teufel sind wir! Welch ein Glück, reich zu sein!»

«Es gibt ärmere als wir», versetzte dieser. «Sieh, wie hinter dem Zuge Krüppel und elende Bettlergestalten nachhinken, um da und dort eine Bronzemünze vom Boden aufzuheben, die die Hochzeitsgäste übermütig in die Luft werfen.»

Eine Weile verfolgten ihre Blicke den schwindenden Festzug; dann setzten die beiden ihren Entdeckungsweg fort. Sie gelangten in eine Gasse, wo der Geruch frischen Brotes ihnen entgegenwehte; zugleich ließ sich ein merkwürdiges Knirschen vernehmen, das immer lauter wurde, je weiter sie gingen. Als sie um eine Hausecke bogen, bot sich ihnen ein seltsamer Anblick: Bei hohen Steinzylindern gewahrten sie Männer, die mit eingesteckten Stangen eine Art von Steinhauben drehten, wobei das laute Knirschen erzeugt wurde.

«Das sind Mühlen!», rief Milon. «Sieh unten das weiße Mehl!»

Da vier der Müllerburschen eben eine kurze Drehpause machten, indes ein fünfter oben frisches Korn einschüttete, fragte Tyrios:

«Wie lange dreht ihr diese Ungetüme?»

«Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Die Pompejaner vertilgen Berge von Brot!»

Ganz nah hinter diesen Mühlen zog eben der Bäcker aus einem riesigen Steinofen dampfende Brote heraus, die seine Gehilfen in verschiedene Körbe warfen, je nach Größe.

«Ich kaufe ein kleines», sprach Tyrios.

Und wirklich, er klaubte eine Münze aus seinem Gürtel und handelte beim Bäcker rasch ein frisches Brot ein.

«Wo hat er wohl wieder das Geld her?», dachte Milon. «Bei ihm steckt immer wieder etwas im Gürtel.»

Bereitwillig teilte Tyrios mit seinem Freund das Gebäck und meinte:

«Herrlich ist frisches Pompejanerbrot, wenn man sich auch beim Abbeißen das Maul verbrennen kann!»

So kehrten sie, Brot kauend und genießend, zurück zum Forum, wo sie Fuscus erwarten sollten, bis er vom Besuch des Badehauses zurück wäre.

Auf einem Platze, den die beiden überquerten, blieb Milon vor einer Hauswand stehen. Auf dem Kalkverputz war mit roter Farbe eine Inschrift angemalt, die er entzifferte. Plötzlich begann er schallend zu lachen. Tyrios, der nicht lesen konnte, fragte:

«Was gibt es Lustiges? Schreiben die Pompejaner Witze an ihre Häuser?»

Milon erklärte:

«Du siehst hier zweierlei Inschriften. Die obere, groß und schön geschrieben, meldet, dass demnächst in der Arena der berühmte Gladiator Satrius Valens kämpfen wird, der bis jetzt als unbesiegbarer Liebling der Götter jeden Feind niederkämpfte. Darunter steht mit ungelenken Buchstaben eine zweite Inschrift als Kommentar dazu: ‹Es ist ein Wunder, o Mauer, dass du unter der Last dieses geschriebenen Unsinns nicht einstürzest!› – Sicher hat dies ein Feind von Satrius Valens daruntergeschrieben, um ihn beim Publikum lächerlich zu machen. – Diese zwei möchte ich kämpfen sehn in der Arena! Es sind Ringkämpfer.»

Inzwischen war das warme Brot verzehrt, und die beiden gelangten wieder zum Forum zurück, an dessen Säulenhallen sie entlangschlenderten. Auf schattigen Treppenstufen sah Milon einige vornehme Jünglinge sitzen; vor ihnen saß ein Magister, der sie offenbar unterrichtete. Zu Tyrios meinte er:

«Schleichen wir uns hinter die Säulen, dann können wir vernehmen, was sie lernen!»

«Mich interessiert das nicht. Ich gehe zurück zur Markthalle, zu den anderen. Fuscus kann bald vom Bade zurückkehren. Vale Milon!»

Als Tyrios wegging, dachte Milon: Pompeji hat ihm wohl mächtig imponiert, dass er mich plötzlich mit römischem Gruß verabschiedet.

Unauffällig schlich er in die Nähe der Treppenschule hinter eine der hohen Säulen. Eben vernahm er, wie der Magister vom Kampf der Römer gegen die Barbaren erzählte.

«Wir Römer sind dazu berufen, alle Völker der Erde unter unsere Macht zu zwingen. Ein Volk, das Rom gehorcht, ist wie ein Schiff, das vom wilden Meer in den Hafen zurückkehrt. Rom ist von den Göttern dazu bestimmt, die Erde zu beherrschen. Jeder Römer muss wissen, dass dies unser Stolz, unser täglicher Gedanke sein muss: das große, ewige Rom!»

Milon hatte genug gehört. Versonnen schritt er die Säulenhalle entlang in Richtung des Apollo-Tempels, von wo ihn griechische Säulen grüßten. Als er auf den Vorplatz kam, bemerkte er eine Gruppe von Händlern, die miteinander feilschten. Elende Bettlergestalten lungerten auf den Treppenstufen. Einige spielten mit Würfeln und kreischten gelegentlich auf. Weiber gingen herum und priesen Wein und Essbares aus Krügen und Körben zum Verkauf an. Hinter diesem Wirrwarr erhoben sich die schlanken Säulen, die Milon an die Akropolis denken ließen. Aber dort hatten sich nur stille, verhaltene Schritte dem Tempel genähert; niemand wäre es eingefallen, vor einem Tempel zu zechen, zu würfeln, zu handeln. Auf einmal ließ sich der Klang von Bronze vernehmen. Zwei dicke Priester erschienen auf der Tempeltreppe, den Beginn des Opfers zu melden. Nur wenige erhoben sich lässig aus der Menge und erstiegen die Stufen. Nicht Andacht, eine gewisse Neugier ließ Milon in den Vorraum des Tempels treten. Zu gern hätte er einen Blick in den inneren Raum der Celia geworfen, die Marmorgestalt des Apollo von Weitem zu schauen. Er hatte Glück. Die beiden hohen Tore zur Celia standen offen. Er begab sich etwas näher hinzu, als auch in Pompeji üblich war. Aus dem Halbdunkel schimmerte eine weiße Marmorfigur hervor. Es war eine wundervolle griechische Götterstatue, die die Römer sicher aus Griechenland hierher entführt hatten. Nun stand Apollo da drinnen, gefangen in der Dunkelheit, vergessen im geschäftigen Treiben der Stadt.

«Fort mit dir, elender Sklave!», herrschte ihn plötzlich die Stimme eines Tempeldieners an. Eine Faust stieß in seine Seite. Milon torkelte zwischen den Säulen durch und sprang fluchtartig die Treppenstufen hinunter zurück zum Forum.

Als er bei seinen Gefährten ankam, zeigten sie schon Unruhe über sein Ausbleiben. Jeden Moment war Fuscus zu erwarten.

Plötzlich, was war das? Ein dumpfes Rollen wurde hörbar. Milon und Tyrios, die sich auf den Rand eines Brunnens gesetzt hatten, verspürten ein Zittern unter sich. Schon erschollen laute Schreie. Die Erde bebte wieder. Menschen stürzten aus den Häusern. Weiber verließen ihre Verkaufsstände und eilten zu den Tempeln, da sie sich auf geweihtem Boden sicher glaubten. Das Beben wiederholte sich stärker. Allgemeiner Tumult. Durch das dumpfe Rollen der Erde und Schreien der Menschen tönten Aufschläge niederfallender Steine, die aus den Fassaden der Häuser brachen. Fuscus, der gerade zurückkam, rief seinen Sklaven zu:

«Rettet euch zum Schiff! Fort zum Hafen!»

Es war kein Leichtes, durch die aufgewühlte, vor Angst rasende Menschenmenge und die verstopften Gassen hindurchzukommen. Als seitlich aus einem Hause ein dicker Wirt herausstürzte, warf er Milon samt seinem Eierkorb um. Schnell wieder auf den Beinen, bemerkte der Jüngling hinter sich eine gelbe Eierspur auf der Pflasterung. Aber was lag an einigen Eiern, wo es jetzt um Leben und Tod ging! Milon hatte die andern Gefährten verloren und musste sich allein zum Hafen durchkämpfen; den Korb ließ er nicht fahren, wie oft er auch seinetwegen stecken blieb. Endlich erreichte er den Hafen. Fuscus und die anderen drei hatten das Boot zur Abfahrt gerichtet; aber der Herr war noch nicht da. Aufgeregte Schiffer stießen ihre Fahrzeuge vom Ufer, um aufs offene Meer hinaus zu fahren. Hie und da sprangen wild Flüchtende in wegfahrende Boote, um sich zu retten. Das Warten war für Fuscus und die vier Sklaven eine harte Geduldsprobe; aber es war ganz unmöglich, jetzt Pomponianus irgendwo suchen zu gehen. Endlich tauchte er auf. Atemlos kam er dahergelaufen, das Gesicht so von Schweiß und Staub bedeckt, dass er kaum zu erkennen war. Mühsam unterdrückte er seine Aufregung. Mit beherrschender Ruhe befahl er:

«Losbinden, wegfahren!»

Milon und der Löwe

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