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Vesuvius regiert

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Vorn im Schiff saß der Herr mit erstarrtem Antlitz. Niemand redete ein Wort; nur das Knirschen und rhythmische Klatschen der Ruder beim Eintauchen ins Wasser mischte sich in das ferner werdende Getöse von der Stadt her. Pomponianus beobachtete vom Heck des Schiffes, rückwärts zur Stadt gewendet, den dahinter aufragenden Berghügel des Vesuvius. Eine riesige Wolke hatte sich wie eine mächtige Baumkrone über dem Gipfel gebildet und breitete sich mit Windeseile immer weiter aus. Die Wolke erschien bald weiß, bald schmutzig und fleckig, als ob sie mit Asche und Erde beladen wäre. Wiederum schienen Flammen aus dem Krater zu züngeln, und Blitzschein erhellte gewisse Partien. Milon, dessen Blicke beim Rudern dieselbe Richtung hatten, schaute gebannt auf das unheimliche Geschehen über dem Berge, der, unten von Rauch und Dampf verhüllt, Feuer zu speien schien. Die Wolke näherte sich Pompeji. Plötzlich rief Fuscus, der am Steuer saß, Pomponianus zu:

«Herr, da fällt Asche in unser Boot; wenn nur nicht Feuer nachfolgt!»

Tatsächlich fielen leichte und schwere Flocken wie grauer Schnee. Auf der Hand konnte man sie zu Aschenmehl zerreiben. Auf einmal, als ob Hagel fiele, spritzte ums Boot herum Wasser auf. Kleinere Steinstücke prasselten ins Schiff. Bald konnte man drüben am Ufer von Stabiae anlegen neben einem größeren Schiff, das ebenfalls Pomponianus gehörte. Der Herr hatte seine anfängliche Beherrschtheit und Ruhe verloren. Er befahl aufgeregt:

«Rasch hinauf zur Villa! Wenn die Feuersteine noch heißer und größer fallen, brennt mein ganzes Gut nieder. Helft heruntertragen hier in mein Schiff, was zu retten ist. Wir werden aufs Meer hinausfahren!»


Oben in der Villa war ein wirres Durcheinander unter der Familie und Dienerschaft des Pomponianus. Seine Frau stürzte ihm weinend in die Arme, da sie schon um sein Leben gebangt hatte. Er aber wiederholte seine Befehle. Sogleich wurden Kisten und Kasten, Vorräte, Tuchballen und Teppiche hinunter ans Meer in das Schiff getragen. Die Träger mussten ihr Haupt zudecken, da mit der warmen Asche immer mehr Steine herabfielen. Milon bückte sich nach einem größeren Stück, das dicht vor ihm zu Boden fiel. Er nahm es in die Hand und fühlte die verglühende Hitze. Trotz seiner Größe war es seltsam leicht und roch schwefelig. Das war kein gewöhnlicher Stein, von einem Felsen gebrochen, das waren Schlacken aus dem Erdfeuer der Unterwelt, aus der Feuerwerkstatt des Hephaistos. Indes war nicht Zeit, seinen Gedanken nachzuhängen. Als er eben seine Bürde ins Schiff hineintrug, bemerkte er, dass ein Vierruderboot, vom Meer herkommend, in der Nähe anlegte. Die Insassen stiegen aus und näherten sich mit raschen Schritten dem Schiff des Pomponianus.

Ein würdiger älterer Herr rief ihn an:

«Ist Pomponianus oben im Hause?»

Da Milon bejahte, begab sich der Fremde mit seinen Begleitern den Treppenweg hinauf zur Villa. Als Milon sich auf dem Schiff seiner Ladung entledigte, sah er, dass die beiden Schiffswächter lange Besen in Wasserkübel steckten und die Bretter des Schiffes bespritzten, wo die heiße Asche mit dem Wasser einen grauen dampfenden Brei bildete. Auf dem Rückweg hinauf zur Villa stülpte er sich eine Lederschürze über den Kopf, um sich vor Steinschlag zu schützen. Er kam oben an, als Pomponianus gerade aus dem Hause unter das Vordach trat, um den unerwarteten Gast aus dem Vierruderboot zu begrüßen. Sie mussten alte Freunde sein; denn Pomponianus schloss ihn in die Arme und rief:

«Plinius, du bist es! Die Götter senden dich in dieser schlimmen Stunde zu mir.»

Der Fremde, der von hoher, gebieterischer Gestalt war, lächelte, machte mit der Hand eine beruhigende Gebärde:

«Was seid ihr alle so außer Rand und Band geraten? Wenn ein Berg etwas Asche und Unrat ausspuckt, geht die Welt noch nicht unter! Mein Freund, du willst doch jetzt nicht durch den Sarnus auf das Meer hinausfahren, um nach einigen Stunden des Herumirrens zurückzukehren?»

Pomponianus stammelte einige verlegene Worte. Da sprach der Gast weiter:

«Lieber Freund, ich wollte flussaufwärts zum Hofe des Cessus Bassus fahren; aber der Steinhagel hat mich zu dir getrieben. Lass uns zusammen essen und trinken und der Ruhe pflegen, bis sich Vesuvius wieder beruhigt hat.»

Diese Worte wirkten Wunder. Pomponianus verlor seine Aufgeregtheit und gebot Fuscus, das Hinuntertragen ins Schiff abzubrechen. Dann wendete er sich wieder seinem Gast zu:

«Mein Freund Plinius, ich wähnte dich in Rom. Was führt dich in diese Gegend?»

«Ich bin als Befehlshaber der kaiserlichen Flotte drüben in Misenum und habe Muße, alte Freunde zu besuchen, um sie vor Torheiten zu bewahren!»

Damit verschwanden die Herrschaften im Inneren des Hauses. Fuscus, der in der Nähe mit den Sklaven das Gespräch belauscht hatte, meldete wichtig:

«Das ist einer der mächtigsten Römer. Er gebietet über Tausende und fürchtet sich vor nichts; und wenn der Schlund der Erde vor ihm aufbräche, der kennt kein Zittern.»

Kaum hatte Fuscus diese Worte zu den Umstehenden gesprochen, verstärkte sich das Prasseln der Steine wieder, sodass schon Ziegel auf dem Dach zerbrachen. Auf Fuscus’ Befehl begab sich Milon in die Küche, da er mit Tyrios die Tafel für den hohen Gast zu richten hatte.

Milon und der Löwe

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