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VORWORT DES ÜBERSETZERS

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Das Buch von James und Rene McGovern entwickelt das Konzept osteopathischer Medizin fort. Insbesondere die Vernetzung klassischer osteopathischer Einsichten mit neueren immunologischen, psychosomatischen und neurobiologischen Erkenntnissen versucht das alte Versprechen zu erfüllen, Körper, Psyche und Geist in der Medizin zu vereinbaren. Das Buch stellt entsprechend eine Reihe von geschichtlichen und systematischen Erwägungen vor, die ein Panorama antiker und moderner Medizin aus verschiedenen Kulturen entfalten.

Dabei kommt der bislang besonnensten Philosophie eine zentrale Rolle zu. Aristoteles gehört zu den phänomenologischen Denkern, die an der Wahrnehmung und Erfahrung von Phänomenen orientiert sind. Derartige Wahrnehmungen und Erfahrungen sind immer perspektivisch gebrochen. Entsprechend entwickelte Aristoteles eine Methode, verschiedene philosophische Ansichten miteinander zu vergleichen und sie kritisch zu diskutieren. Dabei werden jeweils Wahrheitsmomente gegeneinander abgewogen und als Aspekte des (mutmaßlich) Ganzen erfasst. Auf die wissenschaftliche Grundfrage von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen bezogen, vereinheitlichte er die vier bis dahin erarbeiteten Vorschläge: Es gibt Form-Ursachen, Material-Ursachen, Wirk-Ursachen und Final-Ursachen.

Dieses differenzierte Ursachen-Modell wenden McGovern & McGovern auf die Probleme der Gesundheitsfürsorge (healthcare) bzw. des Gesundheitswesens an. Dann zeigt sich, dass die osteopathischen Prinzipien von Andrew Taylor Still1 (Interaktive Einheit des Körpers, Interdependenz von Struktur und Funktion, Selbstheilungsmechanismen) den ersten drei aristotelischen Ursachentypen entsprechen. Der vierte Ursachentyp, die Final-Ursache verweist auf die grundlegende menschliche Struktur, von (nicht immer bewussten) Zielen bzw. Lebensentwürfen bestimmt zu sein. Das Prinzip lässt sich medizinisch als Bedeutungs-Erwartungs-Reaktion bezeichnen. Wissenschaftlich wird dies durch eine zutreffende Interpretation des Placebo-Effekts bzw. der Placebo-Reaktion von Patientinnen und Patienten eingeholt. Die Idee einer einheitlichen Feldtheorie, die auf Anregungen Albert Einsteins zurückgeht, wird so gedanklich kontrolliert und anschaulich erfasst.

Mit diesem vierten Schritt sind McGovern & McGovern auch in der modernen Philosophie angelangt, welche die Entwurfsstruktur und Zukunftserwartung menschlichen Daseins als grundlegend ansieht. Dass dies medizinisch reformuliert und in moderne Behandlungsweisen umgesetzt werden kann, ist eine große Leistung des Buchs. Damit ist ein wesentlicher Schritt getan, der die zur Schulmedizin alternativen Behandlungsweisen (z. T. religiöser Art) und die Hinwendung vieler Patientinnen und Patienten zu derartigen Methoden philosophisch und wissenschaftlich rekonstruieren und rechtfertigen kann. Das Glossar des Buches erschließt zusätzlich eine Reihe solcher Verfahren und in ihren Kontexten verwendete Begriffe.

M. E. sind nur zwei kleinere Fragezeichen anzubringen. Wirft das kraniale Konzept von William Garner Sutherland2 keine eigenständigen ‚philosophischen‘ Fragen auf, sodass es stillschweigend unter A. T. Still subsummiert werden kann? Wie erklären sich McGovern & McGovern genau die Interaktion von mentalen Prozessen, Körper und Geist? Hier ist neben der Ursachentheorie m. E. eine konkrete semiotische Theorie für eine einheitliche Feldtheorie nützlich und wohl auch nötig, um die Interaktionen von Körper, mentalen Prozessen und Geist zu verstehen. Denn in den unterschiedlichen Aspekten eines Menschen werden – zum größten Teil unbewusst – Zeichen ausgetauscht. Eine derartig noch ein wenig erweiterte einheitliche Feldtheorie wäre mit Stills philosophischem Zeitgenossen und Landsmann Charles Sanders Peirce (1839 – 1914) im Gespräch. Zudem fände man ihm einen reflektierten Verteidiger der Final-Ursache. Auch die psychosomatische Theoriebildung wählt zumindest gelegentlich diesen Weg.3

Diese Einwände verstärken die Einschätzung, dass hier ein tatsächlich bedeutendes amerikanisches Buch seinen Weg in den deutschsprachigen Raum findet. Es handelt sich um ein innovatives Buch, das weitere Innovationen befördern kann. Es ist sowohl für Patientinnen und Patienten als auch für Berufstätige im Gesundheitswesen gut lesbar. Nicht zuletzt aber korrigiert es einen (falschen) Eindruck, der in der letzten Zeit vielleicht entstehen konnte. Denn es rezipiert unter modernen Bedingungen die bedeutendste Theorie des ‚alten Europa‘ – und wendet sie erkenntnisfördernd an.

PD Dr. Martin Pöttner

Heidelberg, 2003

Dein innerer Heiler

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