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VON DER ASTRONOMIE ZUR ASTROPHYSIK

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So wie Menschen reifen auch Wissenschaften in Phasen. Was und wie wir etwas wissen, ändert sich gleichzeitig. Bis ins 19. Jahrhundert beschäftigten sich zum Beispiel Biologen vor allem mit der Katalogisierung des Lebens auf der Erde. Heute fragen sie nach den molekularen und physikalischen Prozessen, die das Leben steuern. Das heißt, die Biologie hat sich viel Chemie und Physik einverleibt.

Die klassische Astronomie fokussierte sich bis Mitte des 19. Jahrhunderts auf Helligkeit, Farbe und Ort der Himmelskörper – so sehr, dass der französische Philosoph Auguste Comte sie formell zu den fundamentalen Grenzen der Astronomie erklärte.

»Jede Forschung, die letztlich nicht auf die einfache visuelle Beobachtung reduzierbar ist … ist uns in Bezug auf die Sterne untersagt«, schrieb er 1835 im Cours de philosophie positive, was heißt, dass wir »ihre chemische Zusammensetzung oder mineralogische Struktur vielleicht nie studieren können«.

Das ist sicher eine der dümmsten Bemerkungen, die je ein Gelehrter machte. Nur wenige Dekaden später folgten Entdeckungen zu allen Aspekten, die Comte als unerforschlich erklärte: chemische Zusammensetzung, Dichte, Temperatur. Motor dieser Veränderung war ein neuer Zweig der Chemie und Physik: die Spektroskopie. Die Astronomie griff sie sofort auf, was die Entstehung der modernen Astrophysik einleitete.

Zwei Wissenschaftler der Universität Heidelberg – die bis zum Aufstieg Adolf Hitlers eine der angesehensten Wissenschaftsinstitutionen der Welt war – bahnten diesem neuen Feld den Weg. Einer war der Chemiker Robert Bunsen, der, wie Sie sicher schon ahnen, den Bunsenbrenner erfand, an den Sie sich vielleicht noch aus dem Chemieunterricht in der Schule erinnern. Seine Studien über Gase, die bei der Produktion von Gusseisen freigesetzt werden, verhalfen Deutschland zur Dominanz in der Schwerindustrie. Der zweite war der Physiker Gustav Kirchhoff, dessen Regeln der elektrischen Stromkreise die Studenten weltweit noch immer lernen.


Der Spitzname des Five-hundred-meter Aperture Spherical Radio Telescope (FAST) in China ist »Tianyan«, »Himmelsauge«.


Das mit mehr als 1,5 Kilometer Umfang größte Teleskop der Welt steht in der Provinz Guizhou in China. Wenn Aliens »Hallo« sagen, werden also chinesische Astrophysiker ihr Signal als Erste empfangen.

Bunsen erforschte das Licht, das die verschiedenen Elemente ausstrahlen, wenn sie erhitzt werden. Kirchhoff regte an, Licht durch ein Prisma zu senden. Ein Prisma bricht Licht in seine Teilfarben auf, es lenkt jede Farbe in einem anderen Winkel ab, sodass ein Spektrum entsteht. Geschieht das an Regentropfen im Sonnenlicht, entsteht ein Regenbogen.

Die beiden Forscher entdeckten, dass chemisch reine Stoffe beim Erhitzen einen charakteristischen Satz von Merkmalen abstrahlen, die als Linien im Spektrum erscheinen, und dass diese Linienmuster sich von Element zu Element unterscheiden. Das Spektrum eines Elements ist also eine Art Fingerabdruck, der benutzt werden kann, um die Existenz dieses Elements nachzuweisen, worin auch immer es erhitzt wird.


DAS ERSTE SPEKTROSKOP

Bunsen und Kirchhoff bauten das erste Spektroskop – ein Instrument zum Messen von Spektren – aus ein paar alten Landvermesser-Fernrohren, einem Prisma und einer Zigarrenschachtel. Was hat das mit Astrophysik zu tun und mit der Frage, wie wir zu unserem Wissen kommen? Egal wie entfernt eine Lichtquelle ist: Das typische Spektrum ist immer dasselbe. Sie kann am anderen Ende des Labors sein oder in einer Galaxie, Milliarden Lichtjahre entfernt. Wird das Licht ausgestrahlt, trägt es ein charakteristisches Spektrum mit mehreren »Fingerabdrücken«, die die Beschaffenheit der Quelle identifizieren. So können Astrophysiker den chemischen Aufbau von Sternen und Exoplaneten analysieren. Und wir können unsere Aufmerksamkeit mehr dem »Was ist es?« statt dem »Wo ist es?« widmen.


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