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d) Änderungen der Rechtsprechung

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Die Anwendbarkeit des Rückwirkungsverbots auf die strafrechtliche Rechtsprechung ist umstritten.[109] Rechtsprechung und h.M. in der Literatur wenden auf Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung § 2 StGB nicht an, da Art. 103 Abs. 2 GG nur „gesetzliche“ Bestimmtheit fordere.[110] Diese Problematik ist insbesondere anhand der Änderung der Rechtsprechung zum Begriff der absoluten Fahruntüchtigkeit in § 316 StGB diskutiert worden: Eine Kammer des Bundesverfassungsgerichts hat die Herabsetzung der Promillegrenze von 1,3‰ auf 1,1‰ durch den BGH mit der Begründung gebilligt, die Gerichte seien nicht gehindert, bestimmte Sachverhalte aufgrund neuer tatsächlicher Erkenntnisse als tatbestandsmäßig zu qualifizieren.[111] Damit liegt der Umkehrschluss nahe, Änderungen des strafrechtlichen Unwerturteils durch die Rechtsprechung seien dem Rückwirkungsverbot zu unterwerfen: Wenn ein Gesetz erst durch eine konkretisierende Rechtsprechung hinreichend bestimmt wird, müssten Änderungen der Rechtsprechung zulasten des Betroffenen konsequenterweise auch dem Rückwirkungsverbot unterfallen.[112] Allerdings darf die Anerkennung der gesetzesergänzenden Funktion der Rechtsprechung nicht zur Gleichsetzung von Rechtsprechung und Gesetzgeber führen, denn gewisse Auslegungsspielräume sind der Rechtsprechung als fallorientierter Entscheidungsinstanz eigen.[113] Gleichwohl dürfte das Bundesverfassungsgericht[114] einen Wandel eingeläutet haben, weil es bei der Präzisierung unscharfer Tatbestandsmerkmale durch die Rechtsprechung dem Vertrauensschutz bei Rechtsprechungsänderungen gesteigerte Bedeutung beimisst. Entsprechend sollte das Rückwirkungsverbot auf (unangekündigte) Änderungen der Bewertungsgrundlage einer gefestigten Rechtsprechung angewendet werden, die das Risiko einer Bestrafung für einen informierten Durchschnittsadressaten ausgeschlossen erscheinen lassen.[115]

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