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4. Regelungsgehalt des § 2 Abs. 2 StGB: Änderungen der Strafart und Strafdrohung zwischen Beginn und Beendigung der Tat

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§ 2 Abs. 2 StGB regelt die Frage, welche Tatzeit zugrunde zu legen ist, wenn die Strafart oder Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert wird. Diese Regelung, die § 2 Abs. 1 StGB ergänzt, hat Bedeutung für zeitlich gestreckte Tatbestandsverwirklichungen, insbesondere für Dauerdelikte, bei denen Einzelakte oder die Begründung eines rechtswidrigen Zustandes in den zeitlichen Geltungsbereich verschiedener Gesetze fallen können, sowie bei Zustandsdelikten. Hier ist es notwendig, der Einheitlichkeit der Dauer- oder Zustandsstraftat durch eine einheitliche Beurteilung auch bei der Rechtsanwendung Rechnung zu tragen.[124] In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts[125] stellt § 2 Abs. 2 StGB auf das bei Beendigung der Handlung geltende Gesetz ab.[126]

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Die Strafdrohung muss sich während der Begehung der Handlung geändert haben, nämlich gemildert oder verschärft worden sein.[127] Die Anwendung auch strengeren Rechts soll sich daraus legitimieren, dass die Handlung zeitlich in den Geltungsbereich der verschärften Sanktion hineinreicht und der Täter deshalb mit der strengeren Ahndung rechnen musste.[128] Jedoch dürfen die Teilakte, die vor der Sanktionsverschärfung lagen, bei der Strafzumessung nur mit dem Gewicht berücksichtigt werden, das ihnen schon vor der verschärfenden Gesetzesänderung zukam.[129] Dies gilt auch dann, wenn ein verbotenes Verhalten vom Gesetz bis zu einem bestimmten Zeitpunkt als Ordnungswidrigkeit eingestuft war und erst danach als Straftat qualifiziert wurde.[130] Da es sich hierbei um einen Vorgang der Strafbegründung handelt, dürfen die der Rechtsänderung vorausgegangenen Teilakte auch bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt werden.[131] Wird ein Straftatbestand in eine Ordnungswidrigkeit umgewandelt, so ist gemäß § 2 Abs. 2 StGB i.V.m. § 4 OWiG die Geldbuße zu verhängen.[132]

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Grundsätzlich ist nach § 2 Abs. 2 StGB die bei Beendigung der Tat geltende Strafdrohung maßgeblich.[133] Für den Begriff der Beendigung der Tat kommt es auf den Zeitpunkt des letzten Teilaktes der Straftat an.[134] Bei Zustandsdelikten, wie den Eigentums- und Vermögensdelikten, den Körperverletzungsdelikten und der Personenstandsfälschung, führt der Täter einen rechtswidrigen Zustand herbei, mit dem die Tat abgeschlossen ist; die Aufrechterhaltung des durch die Tat geschaffenen Zustandes hat keine selbstständige strafrechtliche Bedeutung.[135] Daher sind Gesetzesänderungen, die nach Eintritt des rechtswidrigen Zustands eintreten, nicht zu berücksichtigen. Erst wenn durch das Untätigbleiben die Gefahr oder der Schaden vergrößert wird, kommt eine Fortsetzung durch unechtes Unterlassen in Betracht.[136] Demgegenüber enden Dauerdelikte, wie die Freiheitsberaubung, die fortdauernde Nötigung oder die Trunkenheitsfahrt erst mit der Aufhebung des rechtswidrigen Zustandes. Die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes bedeutet hier eine Intensivierung des Eingriffs.[137] Daher gehören sowohl Handlungen, die den Zustand schaffen, aufrechterhalten und schließlich abbrechen, als auch Unterlassungen, die ihn nicht beenden, zum tatbestandsmäßigen Verhalten,[138] soweit der Täter noch Einfluss auf das Geschehen hat.[139] Solange der vom Täter geschaffene rechtswidrige Zustand in die Geltungszeit des neuen Gesetzes hineinreicht, ist dieses Gesetz bei Dauerdelikten anzuwenden. Dies gilt für Verschärfungen sowohl der Strafbarkeit als auch der Strafhöhe sowie dann, wenn der weitaus überwiegende Teil der Dauerstraftat unter der Geltung der milderen Strafdrohung verübt worden ist. Der Tatrichter hat diese Besonderheit bei der Strafzumessung zu berücksichtigen; insoweit gilt bezüglich des vor der Gesetzesänderung liegenden Verhaltens auch das Rückwirkungsverbot.[140]

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