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a) Anwendung des mildesten Gesetzes bei Gesetzesänderungen zwischen Beendigung der Tat und Entscheidung

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§ 2 Abs. 3 StGB begründet ein Rückwirkungsgebot für das mildeste Gesetz. Diese „Meistbegünstigungsklausel entspricht der Regelung in Art. 15 Abs. 1 S. 3 IPbpR und der in Art. 49 Abs. 1 S. 3 GRCh, wonach es dem Täter zugutekommt, wenn das Gesetz nach Begehung der Straftat eine leichtere Strafe vorsieht.[142] Das Gebot der Rückwirkung des mildesten Gesetzes ist bereits nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 StGB obligatorisch. Die Einschränkung des Reichsgerichts, die Gesetzesänderung müsse auf einer „geläuterten Rechtsauffassung“ beruhen, hat der BGH zu Recht aufgegeben[143] und damit dem Umstand Rechnung getragen, dass das Rückwirkungsgebot aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt und dem Prinzip des Vertrauensschutzes, dem Willkürverbot sowie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung trägt.[144] Mit diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere mit dem Gebot der materiellen Gerechtigkeit, wäre es unvereinbar, eine Sanktion zu verhängen, die in ihrer Existenz oder Strenge nicht mehr vom Willen des parlamentarischen Gesetzgebers gedeckt ist.[145]

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Auch bei milderen Zwischengesetzen sind diese Gerechtigkeitsvorstellungen von Bedeutung: Dem Betroffenen darf die ihm günstigere Gestaltung der Rechtslage durch ein milderes Zwischengesetz nicht nachträglich entzogen werden. Auch wenn überwiegend dem Milderungsgebot kein Verfassungsrang beigemessen wird, so dass der Gesetzgeber im Einzelfall abweichende Regelungen treffen könne,[146] kann dies nicht bedeuten, dass eine solche Entscheidung im Belieben des Gesetzgebers stünde.[147] Denn die Berücksichtigung des mildesten Zwischengesetzes stellt ein Problem der Willkürfreiheit und des allgemeinen Vertrauensschutzes, beide Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips,[148] dar. Dies bedeutet, dass im Falle einer nur kurzfristigen Ahndungslücke infolge eines Fehlers des Gesetzgebers das mildeste Gesetz ausnahmsweise nicht zur Anwendung kommen muss.[149] Erforderlich ist allerdings, dass der Gesetzgeber den Fehler nachträglich behebt. Schließlich wird die Nichtberücksichtigung einer zwischenzeitlichen Gesetzesaufhebung unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes problematisch, wenn die Straflosigkeit über eine längere Zeitspanne besteht[150] und nicht nur wenige Wochen andauert.[151] Außerdem ist das durch Art. 49 Abs. 1 S. 3 GRCh garantierte Milderungsgebot zu beachten, das keine Einschränkungen kennt.[152]

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