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aa) Anforderungen an die Unrechtskontinuität

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Wenn der Gesetzgeber die Tatbestandsvoraussetzungen modifiziert, so dass das Verhalten sowohl nach dem früheren Recht strafbar war als auch noch nach neuem Recht strafbar ist, muss zunächst geprüft werden, ob die Gesetzesänderung eine Fortsetzung der ursprünglichen Strafbarkeit darstellt oder aber wegen fehlender Unrechtskontinuität eine ersatzlose Streichung und Einführung eines neuen Straftatbestandes bedeutet. Dies bestimmt sich danach, ob der Unrechtskern des Delikts erhalten geblieben oder ob ein neuer Unrechtstyp geschaffen worden ist, weil der Gesetzgeber die bisherige Regelung für unzutreffend hielt und diese aus Gerechtigkeitsgründen bereits in der Vergangenheit nicht hätte angewendet werden sollen.[157] Im letzteren Fall wird einer Bestrafung des damaligen Normverstoßes rückwirkend die gesetzliche Grundlage entzogen. Wenn hingegen die bisherige Regelung nur verbessert und durch eine gerechtere ersetzt werden soll, entzieht die Gesetzesänderung für die damalige Straftat nicht die gesetzliche Grundlage des Strafens. Es soll lediglich für die Zukunft eine Verbesserung erreicht werden. Diese Abgrenzung nehmen Rechtsprechung und h.M. durch das Kriterium der Unrechtskontinuität vor.[158] Hierbei werden keine hohen Anforderungen an das Vorliegen eines gemeinsamen Unrechtskerns gestellt. Es soll ausreichen, wenn das Grunddelikt fortbesteht.[159] Auch Veränderungen des geschützten Rechtsguts sollen den Unrechtskern nicht tangieren.

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Gegen das Kriterium der Kontinuität des Unrechtstyps spricht dessen Unbestimmtheit, die nicht mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar ist.[160] Will man dem Rückwirkungsverbot und dem Schuldgrundsatz Rechnung tragen, so müssen die Schutzrichtung und die Angriffsmodalität identisch bleiben, denn beide prägen das Unrecht.[161] Dies ist aber nur der Fall, wenn strikte Kontinuität in dem Sinne vorliegt, dass der neue Tatbestand vollständig in dem alten enthalten ist und nicht an nach dem bisherigen Recht irrelevante Sachverhaltsteile angeknüpft wird[162], so wenn eine der bisherige Bestrafungsvoraussetzung durch einen Gattungsbegriff generalisiert oder eine Strafbarkeitsausnahme durch einen Artbegriff spezialisiert[163] oder wenn die Strafbarkeit beschränkt wird und das vom Täter verwirklichte Unrecht nach der Einschränkung der Strafbarkeit noch von dem neuen Tatbestand erfasst wird.[164] Zudem muss dem Schuldgrundsatz Rechnung getragen und die Schuld des Täters auf den Tatbestand bezogen werden. Damit können aber neue Tatbestandsmerkmale nicht einbezogen werden, denn das Tatzeitrecht hat diese noch nicht umfasst. Würde man den Täter gleichwohl bestrafen, so würde die Strafbarkeit auf die auf den alten Straftatbestand bezogene Schuld gegründet. Diese reicht aber nach dem neuen Recht gerade nicht mehr aus, um die Strafbarkeit zu begründen.[165]

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Unrechtsidentität besteht daher zum einen bei einer bloßen Erweiterung des Tatbestandes, sofern der neue Tatbestand bereits in dem alten enthalten war, so dass die Sanktionsvoraussetzungen generalisiert worden sind[166], und zum anderen bei einer Beschränkung der Sanktionsvoraussetzungen, sofern der spezifizierte neue Tatbestand in dem alten Tatbestand implizit miterfasst war.[167] Hingegen entfällt jenseits dieser Konstellationen die Identität beim Austausch sanktionsbegründender Merkmale.[168]

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