Читать книгу Kālī Kaula - Jan Fries - Страница 19
Klassen der Gesellschaft
ОглавлениеDas Klassenkonzept ist eine der traurigsten und restriktivsten Erfindungen der späten vedischen Epoche. Du bist wahrscheinlich an das Wort ‘Kasten’ gewöhnt. Das ist kein brauchbarer Begriff. ‘Kaste’ kommt von ‘Casta’, einem Begriff, der von den Portugiesen bei ihrem Versuch, Indien zu kolonisieren, gebraucht wurde, um verschiedene ethnische Gruppen zu bezeichnen. Er wurde später auf die gesellschaftlichen Klassen angewandt. Wie Du Dich erinnern wirst, gibt es grundsätzlich drei obere Klassen, denen ein überlegener spiritueller Status zugeschrieben wird. Jeder Junge dieser Klassen erhält eine spirituelle Ausbildung von einem oder mehreren Gurus und trägt sein Leben lang eine heiligen Schnur, um zu zeigen, dass er zweimal geboren ist. Die unteren Klassen und alle Frauen sind nicht zu dieser Initiation berechtigt; sie erreichen niemals die spirituelle Reife. Dasselbe gilt für die berühmte Gāyatrī, jenen ungeheuer vielschichtigen Mantra (Ṛg Veda, 3, 62,10), welcher von jedem Angehörige der oberen Klassen täglich beim Anblick der Sonne mindestens einmal rezitiert wird. Erst im frühen zwanzigsten Jahrhundert gelang es vereinzelten indischen Reformern durchzusetzen, dass Angehörige der unteren Schichten das Recht erhielten, diesen Mantra zu rezitieren. Von den drei oberen Klassen wird erwartet, dass sie einen Teil ihrer Zeit dem Lernen und Opfern widmen; die unteren Klassen können froh sein, wenn ihnen erlaubt wird, einem Brahmanen zuzuhören.
Von Anfang an waren die Klassen rigide definiert. Man hielt es für besser, in einem Beruf seiner Klasse zu versagen, als ein Genie in einem Beruf einer anderen zu sein. Wissen war ein Monopol der Brahmanen, die viel dafür taten, dass es so blieb. Nun wurden die Veden offensichtlich von Leuten verfasst, die zur Klasse der Brahmanen gehörten und ein starkes Interesse daran hatten, sich selbst an der Spitze der Gesellschaft zu halten. Brahmanen waren nicht nur Priester, sondern auch inkarnierte Gottheiten oder hielten sich zumindest dafür. Einen Brahmanen zu ernähren, ist ein Opfer an die Götter, daher die Bedeutung der Dakṣiṇā. Die Dakṣiṇā ist ein Teil des Opfers, der nicht den Göttern durch das Feuer dargeboten, sondern den Brahmanen gegeben wird. Wenn die Gabe Speise ist, wird sie von den amtierenden Priestern gegessen, die sie dabei an die Götter weiterleiten. Es gibt eine erstaunliche Menge von Literatur, die die Vorzüge der Dakṣiṇā lobpreist (siehe DBh 9, 45). Viele Priester bestanden darauf, dass die angebotenen Häppchen (ursprünglich war das Minimum eine gesunde Kuh), die sie persönlich erhielten, genau der Teil des Opfers waren, der am glückverheißendsten war und am sichersten zu guten Ergebnissen führte. Während die Brahmanen sicher waren, dass sie der Kopf der Gesellschaft wären, widersprach dem die Klasse der Krieger (Kṣatriya). Die Kṣatriya waren Kämpfer, Krieger und Adlige und dadurch diejenigen, die an der Macht waren. Die meisten Könige kamen aus dieser Klasse, und Könige sind nicht die Art von Leuten, die sich von Priestern gerne herumkommandieren lassen. Infolgedessen gab es reichliche Querelen zwischen den Brahmanen und den Kṣatriya, und man kann vermuten, dass die Rivalität um den Herrschaftsanspruch zwischen diesen Klassen so stark wurde, dass das gesamte vedische Weltbild bedroht war. Vielleicht sind die erstaunlichen Spekulationen der Upaniṣaden in einer gesellschaftlichen Situation begründet, die Zweifel an der traditionellen Theologie und Gesellschaftsordnung aufkommen ließ. Die Feinseligkeiten endeten natürlich nicht. Sie sind auch im modernen Indien noch lebendig.