Читать книгу Royal Horses (2). Kronentraum - Jana Hoch - Страница 8

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Mit gesenktem Kopf huschte ich durch die Flure und hoffte inständig, dass ich nicht gleich wieder erkannt wurde. Im Laufen kramte ich in meinem Rucksack und suchte nach Jordans Mütze, die ich heute Morgen vorsorglich eingepackt hatte. Kaum dass ich sie in den Händen hielt, stopfte ich meine auffälligen roten Haare hinein und zerrte sie mir über den Kopf. Trotzdem bemerkte ich das leise Kichern einer Gruppe Mädchen, die an mir vorbeilief. Eines der Mädchen zückte sogar ein Handy und hob es in meine Richtung. Schnell drehte ich mich weg und lief weiter, bis zu dem Gang, in dem sich mein Spind befand.

Zwei Lehrer kamen mir entgegen und als sie mir die Glastür zum angrenzenden Korridor aufhielten, bedankte ich mich kurz und lächelte. Mr Franklin, bei dem ich im letzten Halbjahr die Astronomie-AG besucht hatte, sah mich an, als wäre ich eine seltene Kuriosität. Augenblicklich sackte mein Lächeln in sich zusammen. Oh Gott, selbst die Lehrer hatten schon davon gehört! Eilig schob ich mich an ihnen vorbei, den Blick fest auf den grauen Vinylboden geheftet. Im Laufen tastete ich nach dem Handy in meiner Jackentasche. Ob ich meinen Bruder anrufen konnte? Jordan würde mich bestimmt abholen, wenn ich ihn darum bat. Ich konnte mich ein paar Tage krankschreiben lassen und warten, bis die Medien aufhörten, über mich zu berichten und sich das Interesse an mir abschwächte. Auf der anderen Seite – wie würde ich dann dastehen?

Ich erreichte meinen Spind, einen schmalen dunkelgrünen Metallschrank. Noch während ich den Schlüssel suchte, fiel mir ein Stück Papier auf, das jemand an die Tür geklebt hatte. Noch heißer als Prinzen? Basketballer!, stand darauf. Darunter hatte jemand eine Telefonnummer gekritzelt. Ruf mich an, Camden.

Ich fluchte leise, riss den Zettel ab und knüllte ihn in meiner Hand zusammen. Das konnte doch nicht wahr sein!

Schnell öffnete ich den Spind, tauschte meine Bücher und schlug die Tür wieder zu. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich eine Bewegung. Keine zwei Meter von mir entfernt standen zwei Jungs, jünger als sich. Genau wie ich trugen sie ihre Schuluniformen, jedoch kombiniert mit bunten Caps und passenden Turnschuhen. Sie hielten den Rücken zu mir gedreht, verlagerten ihr Gewicht merkwürdig zur Seite und lehnten sich dabei weit nach hinten. Ich beobachtete sie einen Moment verständnislos, bis ich das Smartphone in der ausgestreckten Hand des einen entdeckte und realisierte, was sie da taten.

»Sagt mal, spinnt ihr?«, schrie ich sie an und wollte auf sie zugehen. Doch die Jungs hatten ihr Selfie längst geschossen und rannten vor mir weg.

Ich hörte, wie der eine rief: »Geil, das gibt megaviele Klicks auf Insta!«

Vollkommen fassungslos starrte ich den beiden nach und fragte mich zum hundertsten Mal, wie es bloß zu alldem hatte kommen können. Gestern war noch alles in Ordnung gewesen. Und jetzt? Jeder kannte mein Gesicht! Die ganze Schule, unsere Nachbarn in Clapham … Vielleicht schon ganz London. Ganz England. Die ganze Welt. Wie lange würde es dauern, bis auch mein Name an die Medien geriet? Meine Adresse? Der Weg, den ich zur Schule nahm, oder was ich in meiner Freizeit machte? Ohne weiter darüber nachzudenken, schlug ich mir die Hände vors Gesicht und bahnte mir einen Weg zu den Mädchentoiletten.

Ich durfte nicht heulen! Nicht mitten auf dem Flur!

Möchtegernprinzessin erleidet Nervenzusammenbruch im Chemietrakt. Es würde Schüler geben, die nur auf die Gelegenheit warteten, ein solches Video von mir online zu stellen.

Das konnten sie vergessen! Die letzten Meter rannte ich, stieß die Tür auf und stolperte beinahe in zwei Mädchen, die gerade nach draußen treten wollten. Das eine, mit Ohrringen, die wie kleine Kronen aussahen, stemmte die Hände in die Hüften und verzog verärgert das Gesicht. Sie setzte gerade an – garantiert, um mich zu beschimpfen –, als sich die Erkenntnis auf ihrem Gesicht ausbreitete.

Das ist sie!

Fast gleichzeitig rissen wir die Augen auf und bevor das Mädchen erneut Luft holen konnte, zwängte ich mich durch die Tür und verschwand im Vorraum. Erst als ich die Kabinentür hinter mir zuzog und das Schloss herumdrehte, erlaubte ich mir aufzuatmen. Ruhe. Lediglich die Lüftung rauschte und ein paar Meter entfernt tropfte ein Wasserhahn. Mein Herz raste und ich presste den Rücken, so fest ich konnte, an die Trennwand. Dann ließ ich mich in Zeitlupe auf die kühlen Fliesen sinken, stützte meine Stirn auf die Knie und schloss die Augen. Mein Kopf fühlte sich schwer an und die Gedanken wirbelten so wild durcheinander, dass mir schwindelig wurde. Hinter meinen geschlossenen Lidern sah ich Bilder aufflackern und sofort krampfte sich alles in mir zusammen.

Edward, wie er den Besitzern des Siegerpferdes die Hand schüttelte. Dann sein Blick ins Publikum.

Ich sah ihn noch genau vor mir. Seine Augen hatten geleuchtet, als er Livy und mich in der ersten Reihe entdeckt hatte. Er hatte geglaubt, dass ich wegen ihm zu dem Pferderennen gekommen war. Ganz sicher.

Wieder fühlte ich ein Stechen in meiner Brust und die Bilder liefen vor meinen Augen ab wie ein viel zu schneller Film. Edward, der auf mich zugelaufen kam und über den Zaun kletterte. Die Hoffnung in seinem Blick. Aufgeregte Security. Kamerablitze und jede Menge Paparazzi, die mir sogar dann noch hinterherrannten, als ich längst vom Gelände der Rennbahn geflüchtet war.

Natürlich wusste ich, dass die Besucher und die Presse Edwards spontane Drehbuchänderung als einen Skandal empfinden mussten. Aber nie im Leben hatte ich erwartet, dass es solche Wellen schlagen würde. Seit heute Morgen waren die Bilder von uns überall. In den Zeitungen, auf Facebook, ja selbst im Radio wurde von dem rothaarigen Mädchen berichtet, für das Prinz Tristan seinen Großvater auf der Bühne stehen gelassen hatte. Die romantischste Szene seit der letzten royalen Hochzeit oder die endgültige Blamage der Krone? Die Meinungen gingen weit auseinander. Ein Sender hatte sogar davon gesprochen, dass Prinz Tristan mit diesem Auftritt all die positiven Berichte der letzten Wochen in wenigen Sekunden zunichtegemacht hatte.

Übelkeit stieg in mir hoch und ich atmete einige Male tief durch, um mich zu sammeln. Ich hatte das alles nicht gewollt. Weder dass Edward erneut in den Fokus der Presse geriet, noch dass ich über Nacht zum bekanntesten Mädchen Englands wurde.

Und ganz bestimmt war es nicht mein Plan gewesen, dass Edward meine Gefühle wieder so durcheinanderbrachte. Verdammt, ich wollte ihn vergessen. Ein für alle Mal! Doch die Erinnerungen daran, wie er mich angesehen hatte … und wie sich unsere Hände berührt hatten, ließen mein Herz nur noch schneller schlagen.

Oh Edward … Was hatte er bloß getan?

Der Unterricht übertraf meine schlimmsten Befürchtungen. Alle flüsterten miteinander und obwohl unsere Mathelehrerin, Mrs Anderson, sich bemühte, Normalität vorzutäuschen, entgingen mir ihre Blicke nicht. Ich habe der Freundin von Prinz Tristan höchstpersönlich ein B unter die letzte Klausur geschrieben, stand in ihrem stolzen Gesicht.

Ich löste meinen Zopf, ließ mir die Haare seitlich vors Gesicht fallen und gab vor, mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Anstatt Zahlen abzuschreiben, malte ich jedoch nur die Kästchen auf meinem Block aus. Schachbrettmuster. Eines nach dem anderen. Jemand pikte mich in den Arm und mein Füller verrutschte. Caroline Henderson lächelte mich verlegen an. »Hey, Greta.«

»Caroline.« Ich zog die Augenbrauen nach oben. Hoffentlich wollte sie nur wissen, ob ich die Aufgabe verstand.

Sie räusperte sich, beugte sich näher heran und wisperte: »Stimmt es, dass du und Tristan … dass ihr …?«

Dass wir was? Ich musste nichts sagen, sie verstand den Blick auch so.

»Du weißt schon.« Sie kicherte. »Habt ihr … es getan?«

Es? Meine Augenbrauen zogen sich noch höher. Meinte sie das ernst? »Ich weiß nicht, was dich das angeht.«

Ihre Wangen röteten sich sekundenschnell. »Na ja, Ethan hat gesagt, er glaubt nicht, dass ich mich traue, dich zu fragen.«

Ethan also. Eine seiner bescheuerten Challenges. Hätte ich mir ja denken können. Ich warf ihm einen kurzen Blick zu. Er saß auf seinem Stuhl zurückgelehnt, beide Arme hinter dem Kopf verschränkt und grinste mich an.

»Halt dich von Ethan fern«, zischte ich Caroline zu und kramte in meiner Tasche. »Er ist gefährlich, kriminell und man kann ihm nicht vertrauen.« Ich zog einen dicken schwarzen Filzstift hervor und schrieb auf meinen Block: Kümmere dich um deine eigenen Probleme. Davon hast du ja jetzt genug.

Seit Alistair Hunter, der Sicherheitschef der Königsfamilie, Ethans Eltern einen Besuch abgestattet und das Videobeweismaterial unserer Mutproben konfisziert hatte, war es ruhiger um ihn geworden. Den Gerüchten nach hatte sein Vater ihm das Geld für den Führerschein gestrichen und kontrollierte nun genau, wo sein Sohn sich nach der Schule herumtrieb. Und dennoch, ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Ethan meinen Verrat einfach so hinnahm. Vielleicht wartete er nur auf die richtige Gelegenheit, um es mir heimzuzahlen. Ein Grund mehr, keine Schwäche zu zeigen. Ich wartete, bis Mrs Anderson der Klasse den Rücken zudrehte, und kippte den Block. Ethans Grinsen verrutschte, aber er gab sich keine Blöße und kritzelte ebenfalls etwas auf ein Papier. Als er es hochhielt, zuerst so, dass ich es nicht lesen konnte, erhob sich leises Gelächter.

Greta schläft sich hoch. #tristanssugargirl

Mir klappte der Mund auf. Dieser Mistkerl!

Das stimmt nicht, formte ich mit den Lippen und schüttelte den Kopf, aber Ethan zuckte nur mit den Schultern und grinste.

»Ruhe bitte.« Mrs Anderson räusperte sich und drehte sich um. »Kann mir jemand die Lösung für diese Aufgabe nennen? Greta vielleicht?« Sie lächelte mich an.

Ich? Greta schläft sich hoch, hallte es in meinen Gedanken. Wenn das erst einmal die Runde machte … »Nein, kann ich nicht«, stammelte ich. Hitze stieg mir in die Wangen. Hätte ich doch bloß Jordan angerufen oder vor dem Unterricht eine Krankheit vorgetäuscht. Irgendetwas.

»Aber Mrs Anderson«, hallte Ethans schockierte Stimme durch den Raum. »Sie können sie doch nicht einfach so drannehmen und schon gar nicht mit dem Vornamen ansprechen. Immerhin reden Sie hier möglicherweise mit der nächsten Königin von England. Ein Eure Majestät wäre da schon angebracht, oder?«

Alle lachten. Nur ich presste die Lippen zusammen und warf ihm einen wütenden Blick zu.

»Das ist nicht lustig«, stellte Mrs Anderson klar, aber niemand hörte ihr mehr zu. Stattdessen begannen alle, wild durcheinanderzureden. Die Stimmen vermischten sich zu einem lauten Gemurmel, bis man nichts mehr verstehen konnte. Lediglich ein einziger Name war klar und deutlich zu hören.

Tristan.

Glaubst du wirklich, dass sie und Tristan … Tristan hätte doch nie … Unfassbar, dass Tristan … Tristans Geheimnis … Tristan … Tristan … Tristan!

Ich wollte mir die Ohren zuhalten. Vielleicht auch schreien. Fragte sich denn hier niemand, wie es mir damit ging?

»Ruhe!«, rief Mrs Anderson, dieses Mal lauter. Zu spät.

»Lang lebe Königin Greta!« Connor, Ethans bester Freund, stand von seinem Platz auf, sprang über den Tisch und vollführte eine Verbeugung vor mir.

»Was soll der Scheiß?«, fuhr ich ihn an und erhob mich ebenfalls.

»Also wirklich, Red.« Ethan grinste. »Dein geliebter Tristan hat dich doch bestimmt aufgeklärt, dass du als Royal keine Schimpfwörter benutzen darfst.«

Royal? Geliebter Tristan? Ich schnaubte.

»Bitte beruhigt euch und setzt euch hin«, erklang Mrs Andersons Stimme von vorne. Aber die Klasse war inzwischen vollkommen außer Kontrolle. Chris sprang über einen der Tische, verbeugte sich vor mir und bot an, mein Bodyguard zu sein. Andere winkten wie die Königin auf einer Parade und eine Sitzreihe weiter vorne dröhnte God save the Queen aus einem Handylautsprecher. Kurz entschlossen griff ich nach meinem Rucksack, stopfte meine Bücher hinein und warf ihn mir auf den Rücken.

»Greta, wo willst du hin?«, wollte Mrs Anderson wissen, doch ich beachtete sie nicht länger und lief an ihr vorbei, geradewegs zur Tür. Als ich die Finger nach der Klinke ausstreckte, kreischte jemand hinter mir auf.

Ich wirbelte herum und nach kurzem Suchen entdeckte ich sie. Zwischen der langen Fensterfront und den Haselnusssträuchern pirschte sich eine Frau an der Fassade entlang. Die braunen Haare hatte sie zu einem Dutt gebunden und auf ihrem Shirt leuchtete der Aufdruck But first … Coffee.

Ob sie neu war und sich verlaufen hatte? Eher nicht. Für eine Schülerin war sie eindeutig zu alt, bestimmt schon Mitte zwanzig.

Die Frau blieb stehen, brachte ihr Gesicht noch näher an die Scheibe und spähte ins Klassenzimmer. Mrs Anderson brummte und öffnete eines der Fenster. »Na, hören Sie mal! Das hier ist Privatgelände. Was haben Sie hier zu suchen?«

Die Frau antwortete nicht. Strukturiert glitt ihr Blick durch die Reihen und als sie schließlich an mir hängen blieb, lächelte sie triumphierend. Ich sah sie verwundert an, doch da zückte die Frau schon ihre Kamera und drückte auf den Auslöser.

»Paparazzi!«, grölte Connor und keine Sekunde später brach Chaos aus. Einige meiner Mitschüler versteckten ihre Gesichter hinter Büchern. Andere jubelten und sprangen absichtlich vor der Reporterin herum.

Blitzlichter. Wieder und wieder. Ich war wie versteinert. Die Panik lähmte meine Beine. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit gelang es mir, die Füße rückwärts zur Tür zu bewegen und die Klinke herunterzudrücken. Ein letztes Mal sah ich zu der Reporterin. Warum, fragte ich mit den Augen. Warum tun Sie mir das an?

Doch die Frau lächelte nur, drehte sich um und verschwand zwischen den Büschen. Sie hatte bekommen, was sie wollte.

Royal Horses (2). Kronentraum

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