Читать книгу Royal Horses (2). Kronentraum - Jana Hoch - Страница 9

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Mein Herz hämmerte wild, als ich die Glastür erreichte, die auf den Vorhof der Schule führte. Ich stürmte darauf zu, hielt dann jedoch inne und stoppte mit quietschenden Sohlen. Überall an der Straße standen Transporter, Kamerateams liefen hinter dem Zaun umher und – ich musste zweimal hinsehen – sogar eine Drohne schwebte über den Stufen zum Eingang der Schule. Mitten im Getümmel entdeckte ich den Schulleiter, Mr Romero, der mit hochrotem Kopf über den Bürgersteig stiefelte und schimpfte. Doch nur wenige schenkten ihm Beachtung. Die Presseleute machten einfach einen Bogen um ihn, riefen sich gegenseitig Anweisungen zu und brachten sich vor dem Tor, das die Straße vom Schulgelände trennte, in Position.

Ich spürte, wie mir schwindelig wurde, und taumelte zurück. Das konnte nur ein Albtraum sein! Waren die etwa alle wegen mir hier?

Einer inneren Eingebung folgend, flüchtete ich in einen angrenzenden Korridor, der zu den Lehrerzimmern und der Bibliothek führte. Hier gab es keine Fenster und ich erlaubte mir, kurz stehen zu bleiben und die Eindrücke zu verarbeiten. In was war ich da bloß hineingeraten? Edward und ich hatten nur einen kurzen Augenblick zusammen gehabt. Wir hatten nicht einmal viele Worte gewechselt und dennoch schienen die Medien komplett durchzudrehen.

Ich zog mein Handy hervor und scrollte durch die vielen verpassten Anrufe. Zwei von Jordan, unzählige von Livy, sieben anonyme. Und dann … Edward. Mein Herz begann zu flattern. Ich hatte die Nummer, die er mir bei unserem letzten Treffen aufgeschrieben hatte, zwar eingespeichert, ihn aber nie angerufen. Dass er sein Versprechen, sich nicht ungefragt bei mir zu melden, nun brach, konnte nur bedeuten, dass etwas passiert war. Und nach allem, was ich gerade gesehen hatte, drängte sich mir ein beängstigender Verdacht auf.

Mit zittrigen Fingern öffnete ich das Internet und tippte Nachrichten und Prinz Tristan in die Suchzeile ein. Jordan und Livy konnten warten. Zuerst musste ich wissen, wie tief ich schon im Schlamassel steckte.

Die Nachrichtenseite wurde geladen und sogleich leuchteten mir die Schlagzeilen entgegen.

RennbahnskandalLügenprinz schockt mit weiterem Regelbruch

Flüchtige GeliebteWer ist Tristans neue Flamme?

Die Königin fand sie nicht angemessenDas große Drama um Tristans Liebesaus

Wie ich es vermutet hatte. Die Geschichte um uns entwickelte sich zum Selbstläufer. Ungläubig las ich die Worte noch einmal und schüttelte den Kopf. Idioten! Ich hatte die Königin erst ein einziges Mal persönlich gesehen – auf einer Parade, zu der Livy mich mitgeschleppt hatte. Wir hatten am Rand gestanden und mit albernen Fähnchen gewunken.

Ich überflog auch die anderen Überschriften, die die Frage aufwarfen, ob Tristan nun Single war oder nicht. Einige sprachen sogar von einer heimlichen Verlobung und auf der Titelseite der Sun prangte War SIE der Grund dafür, dass Prinz Tristan sich jahrelang der Öffentlichkeit entzog?Rennbahnmädchen sorgt für neuen Wirbel im Prinzenskandal.

Ich schaltete den Bildschirm aus und schloss die Augen. Es war noch viel schlimmer, als ich erwartet hatte. Was zur Hölle war passiert? Und wie um alles in der Welt waren all diese Menschen so schnell dahintergekommen, wer ich war und wo ich zur Schule ging? Livy und ich waren erst gestern auf der Rennbahn gewesen! Gestern! Das Zusammentreffen mit Edward lag keine vierundzwanzig Stunden zurück.

Jetzt bloß nicht durchdrehen. Es würde alles gut werden. Ganz bestimmt.

Aber was sollte ich jetzt tun? Nach draußen gehen und den Reportern erklären, dass sie sich mit ihren Theorien vollkommen verrannten? Nein. Wenn meine Mitschüler mir schon nicht glaubten, würde es die Presse erst recht nicht tun. Und ich wollte Edward auch nicht noch mehr in Schwierigkeiten bringen, indem ich in meiner Panik etwas sagte, das später anders ausgelegt wurde. Ein hysterischer Anfall in der Schule war das Letzte, womit ich uns gerade helfen konnte.

Aber was dann? Konnte es mir gelingen, unbemerkt das Gebäude zu verlassen? Vielleicht über den Sportplatz oder durch eines der Fenster in den Kunsträumen? Ja, das konnte klappen. Ich musste es zumindest versuchen.

Das Handy in meiner Hand vibrierte. Livys Bild leuchtete mir von dem Display entgegen und ich nahm das Gespräch an.

»Na endlich!«, erklang die aufgeregte Stimme meiner Freundin aus dem Hörer. Sie war außer Atem und ich hörte eine Tür ins Schloss fallen. »Die ganze Schule ist von Fernsehteams umstellt und alle fragen nach dir. Ich habe dich schon überall gesucht. Wo bist du?«

»Lehrerzimmer. Flur.« Mehr konnte ich gerade nicht herausbringen, ohne dass der immer größer werdende Kloß in meinem Hals mir ein panisches Schluchzen entlockte. Die Schule war umstellt? Hatte ich richtig gehört?

»Gut«, schnaufte Livy ins Telefon. »Dann bleib auf jeden Fall, wo du bist. Ich komme zu dir. Und egal was ist, geh nicht zur Sporthalle raus! Klar? Ruby, aus meiner Cheerleadergruppe gibt da gerade ein Interview über dich. So eine falsche Schlange!«

Ruby? Welche Ruby? Die Cheerleader kannten mich doch gar nicht. Ich hatte sie höchstens ein paar Mal gesehen, wenn ich Livy vom Training abgeholt oder sie zu einem Wettkampf begleitet hatte. Was sollte sie schon über mich erzählen können?

»Beweg dich nicht vom Fleck!«, mahnte Livy. »Ich bin gleich da. Ich muss nur noch schnell … Ach, verfluchte Cleopatra, in welcher Kiste bist du?«

Cleowas?

Ich kam nicht mehr dazu nachzufragen. Aus dem Hörer klang bereits ein gleichmäßiges Tuten. Livy hatte aufgelegt.

Ich wartete und beobachtete, wie es von Minute zu Minute voller auf den Gängen wurde. Keine zehn Minuten zuvor, als ich aus dem Unterricht geflohen war, war es noch komplett leer gewesen. Aber jetzt, da der Gong zur Pause geläutet hatte, strömten die Schüler aus den Klassenzimmern wie aufgescheuchte Insekten. Ich stellte mich so nah an die Wand, wie ich konnte, und tat, als würde ich eine SMS tippen. Zum Glück beachtete mich kaum jemand. Alle liefen schnurgerade an mir vorbei, unterhielten sich lautstark oder telefonierten mit ihren Eltern. Als Livy endlich um die Ecke geschossen kam, atmete ich erleichtert auf.

»Oh Gott, es tut mir alles so leid«, keuchte sie, noch bevor sie zum Stehen kam. Sie schlitterte auf mich zu, schaffte es nicht rechtzeitig zu bremsen und prallte der Länge nach gegen mich. Ich stolperte rückwärts und konnte mich gerade so an einem der Türrahmen abfangen, um zu verhindern, dass wir beide zu Boden gingen.

Vollkommen aufgelöst sah Livy mich an. »Die Presseteams sind überall! Eben sind sogar welche über den Zaun vom Schulgarten geklettert. Vollkommen irre! Oh, Mann, wenn ich das geahnt hätte, wäre ich ganz bestimmt niemals mit dir zu dem Pferderennen gegangen. Ehrlich! Ich dachte, Edward wäre noch auf Staatsbesuch in Frankreich und …«

»Schon okay.« Ich umarmte sie. »Du kannst überhaupt nichts dafür. Ich hätte einfach gehen sollen, als ich Edward gesehen habe. Oder er hätte nicht zu mir … Ach, keine Ahnung.« Ich fuhr mir durch die Haare und seufzte. Vermutlich machte es jetzt keinen Sinn mehr, sich darüber Gedanken zu machen, was hätte sein können, wenn einer von uns anders reagiert hätte. Ich hatte vorgehabt, Edward nie wiederzusehen, über ihn hinwegzukommen und einfach weiterzuleben. Aber dieser Plan war grundlegend gescheitert.

»Komm, lass uns verschwinden«, riss Livy mich aus meinen Gedanken und plötzlich klang ihre Stimme nicht mehr nervös, sondern kühl und beherrscht. Sie griff in ihre Tasche und holte ein Bündel Kleidung und eine schwarze Perücke hervor. »Hier, zieh das an.«

»Was soll das sein?«, fragte ich.

»Na, was wohl? Tarnung! Habe ich aus dem Theaterfundus mitgehen lassen.«

»Ja, aber …«, setzte ich an, doch Livy machte sich schon daran, mir die Mütze vom Kopf zu ziehen und meine Haare zusammenzubinden.

»Nichts aber. Ohne kann ich dich nicht rausschmuggeln. Und jetzt hör auf zu diskutieren. Sei froh, dass ich dich nicht in einen Wäschesack stecke und nach draußen rolle.« In einer einzigen schnellen Bewegung fischte Livy mir die Perücke aus der Hand und zog sie mir über. Dann lief sie einmal um mich herum, zupfte daran und nickte schließlich zufrieden.

Ich berührte die falschen Haare mit den Fingerspitzen und tastete an dem gerade geschnittenen Pony entlang.

»Was soll das sein?«, fragte ich, immer noch skeptisch, und drehte mich, in der Hoffnung, etwas zu entdecken, worin ich mich spiegeln konnte. Aber da war nichts.

»Cleopatra«, antwortete Livy. »Aus dem diesjährigen Winterstück. Glaub mir, damit wird dich keiner erkennen, weil du nämlich aussiehst wie Rihanna.«

Oder aber total bescheuert.

»Und von welcher Aufführung ist das?« Ich faltete das schwarze Stoffbündel auseinander und hielt es vor mich. »Tanz der Vampire?«

Der lange Mantel mit den silberfarbenen Schnallen und der Spitzenbordüre an den Ärmeln sah aus, als wäre er gestern noch von Graf Krolock persönlich getragen worden.

Livy verdrehte die Augen, half mir aus dem Blazer meiner Schuluniform. »Schön, ich gebe es zu. Es ist vielleicht nicht ganz dein Style. Aber ich hatte nur wenig Zeit. Außerdem ist das mein erster Fluchtplan.«

Ehe ich michs versah, stopfte sie meine Sachen in ihre Tasche, zog mir den Mantel über und hielt mir eine Sonnenbrille entgegen.

»Und du glaubst wirklich, dass das funktioniert?«

Livy nickte. »Hundertprozentig. In Filmen wird das doch immer so gemacht. Und denk mal an die ganzen Promis. Die verkleiden sich auch, wenn sie unter Leute gehen. Beyoncé, Lady Gaga, Shawn Mendes …« Beim letzten Namen seufzte sie verträumt. »Einfach alle.«

Ich nickte, auch wenn ich nach wie vor wenig überzeugt war, und ließ mich von Livy in Richtung der Musikräume ziehen. Auf dem Weg dorthin wurden mir zahlreiche schiefe Blicke zugeworfen und als wir an einer der Glastüren vorbeikamen und ich mich darin betrachtete, wurde mir schlagartig bewusst, warum. In der Spiegelung blickte mir eine verstört aussehende Version meiner selbst entgegen, mit akkurat geschnittenen schwarzen Haaren, glitzernder Sonnenbrille und Dracula-Mantel. Nicht zu vergessen, meine Chucks, die darunter hervorlugten und den Look noch skurriler wirken ließen. Rihanna? Weit gefehlt!

Wäre ich nicht so verzweifelt, hätte ich wohl über mich selbst gelacht und ein Erinnerungsfoto geschossen. Aber so senkte ich bloß den Kopf, lief mit schnellen Schritten hinter Livy her und fragte mich, ob dieser Tag eigentlich noch schlimmer werden konnte.

»Okay, keine Paparazzi in Sicht«, raunte Livy von draußen. »Du kannst kommen.«

Ich atmete tief durch und kletterte auf die Lehne des abgewetzten Sofas, das direkt vor der Fensterreihe stand. Tatsächlich war Livys Idee, über den Musikkeller nach draußen zu kommen und von dort aus zur Bahn zu laufen, gar nicht so abwegig. An dieser Seite der Schule wuchsen zahlreiche Büsche und wir mussten lediglich über einen Gitterzaun klettern, um das Gelände zu verlassen.

Eigentlich meine leichteste Übung. Dennoch schlug mir das Herz bis zum Hals, als ich mich mit den Händen im Fensterrahmen abstützte und mich mit dem Kopf voran hindurchschob. Wenn mich jetzt jemand erwischte, waren die Meldungen vorprogrammiert. Gothic-Cleo auf der FluchtTristans Freundin bleibt im Fenster stecken.

Das durfte auf keinen Fall passieren!

Auf dem Bauch liegend, robbte ich weiter und Livy griff nach meinen Schultern, um mich nach draußen zu ziehen. Der Mantel verhakte sich und es kostete uns einige Mühen, bis ich endlich auf dem Rasen lag.

»Los, aufstehen!« Livy zerrte an meinem Arm und ich erhob mich schwerfällig und warf einen Blick zu allen Seiten. Niemand zu sehen. Gemeinsam rannten wir die wenigen Meter bis zum Zaun. Ich half Livy herüberzuklettern und nahm dann selbst Anlauf. Mit den Händen stützte ich mich auf dem schmalen Metall ab, drückte mich nach oben und schwang meine Beine nacheinander auf die andere Seite. Geschafft! Livy lächelte stolz und richtete meine Perücke, aus der vereinzelte rote Strähnen hervorblitzten. »Hab doch gesagt, das funktioniert. Alle Promis machen das so.«

Ich war aber kein Promi. Nur Greta. Ein Mädchen aus Clapham, das sich eine winzig kleine Studentenbude mit ihrem Bruder und einer gestörten Katze teilte. Und ich hatte garantiert nie vorgehabt, berühmt zu werden. Geschweige denn, ins Fernsehen zu kommen. Ich seufzte und ließ den Vampirmantel von meinen Schultern rutschen. Zumindest hatten wir es geschafft, unbemerkt das Schulgelände zu verlassen. Das war das Wichtigste. Jetzt nichts wie in die Underground und dann …

Von irgendwoher erklang ein Surren. Auch Livy bemerkte es, denn sie hielt plötzlich inne. Das Geräusch, es kam von … von oben? Gleichzeitig blickten wir in Richtung Himmel und ich riss vor Schreck die Augen auf. Die Drohne! Verdammt, die Drohne! Ich hatte sie bereits vorhin am Eingang entdeckt, aber nicht mehr im Geringsten an sie gedacht. An der Unterseite blinkte eine unscheinbare Kamera.

»Oh, Shit«, entfuhr es Livy und für die Dauer eines Herzschlages standen wir uns bewegungsunfähig gegenüber. In ihren Augen spiegelte sich meine Panik. Dann hörte ich aufgebrachte Stimmen von der Straße, gefolgt von eiligen Schritten und Motorengeräuschen.

»Die wissen jetzt, wo wir sind.« Livy reagierte als Erste. Sie griff nach meiner Hand und zerrte mich mit sich, direkt über die Straße. Autos hupten. Jemand schimpfte. Wir ignorierten es, rannten geradewegs in eine Seitengasse und kreuz und quer durch ein Wohngebiet. Die Häuser flogen nur so an uns vorbei und wir hetzten immer weiter, auch wenn wir die Reporter längst abgehängt hatten. Livy atmete schwer und vor meinen Augen verschmolzen die Häuserreihen zu einer einzigen, nie enden wollenden Masse. Als sich die Perücke schließlich aus meinen Haaren löste und quer über den Bürgersteig davonflog, wusste ich längst nicht mehr, wo wir waren.

Royal Horses (2). Kronentraum

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