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«Pol New-Man»

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Ich reiste zurück nach Luzern. Mit Paul im Herzen. Schon bald jedoch war ich wieder vom Schulalltag absorbiert, bis mir der Pöstler eine grosse Kartonrolle überbrachte. Neugierig suchte mein Blick den Absender. Eine so grosse Rolle für mich? Von «Pol New-Man»?

Obwohl ich es nicht wahrhaben wollte, klopfte mir das Herz plötzlich bis zum Hals, hastig öffnete ich den Plastikdeckel. Ein grosses Plakat kam zum Vorschein. Ich rollte es aus – und brach in schallendes Gelächter aus. Hatte Paul doch ein riesiges Werbeplakat am Bahnhof abgerissen, welches das Bild von Paul Newman zeigte.

Sofort nagelte ich das Plakat an meine Zimmerwand und begann, es zu bearbeiten. Jegliche Traummannqualitäten wurden sorgfältig mit dickem Filzstift aufgetragen. Aus unseren Wochenendwitzen wurde sichtbare Realität: «Pol New-Man», Haus-Man, Love-Man, Koch-Man, Abwasch-Man, Staubsaug-Man und so weiter.

Ich beschloss, ihm eine witzige Karte zurückzuschreiben: Seine Wohnung war immer so sauber und geordnet, ausser sein Büro, aber im Vergleich dazu war meine Ordnung geradezu ein Chaos. Um diese Diskrepanz ein wenig zu mildern, empfahl ich ihm in meiner Karte, nicht alle Energie beim zu vielen Staubsaugen zu verschwenden, er solle sie doch eher einsetzen, um sich von seiner chronischen Übermüdung zu befreien.

Bingo! – Obschon er mir sagte, er sei absolut kein Schreiberling, «karteten» wir fast jeden Tag witzige Sprüche hin und her, überschütteten einander mit wichtigsten Neuigkeiten wie meiner Torinoschokistengel-Liebhaberei, betrauerten den in seinem Kühlschrank verrottenden Schoki-Igel (mein verwuscheltes Dessert vom Wochenende), den wir für ungeniessbar erklärten, bis hin zu guten Haushaltratschlägen…, bis ein förmlich aussehender Briefumschlag bei mir eintraf. Von Paul.

Ein feiner Brief, einladend und gewinnend, und ich, die immer sofort meine inneren «ich-will-nicht-Krampfhändchen» abwehrend ausstreckte, fühlte mich, oh Wunder, nicht eingeengt, und das hiess viel! Ich glaubte wohl an die Liebe, und ich glaubte an die Freiheit. Beides zusammen jedoch hatte ich mir bis anhin nicht vorstellen können.

Und dieser «Pol New-Man» verband für mich irgendwie beides. Himmel und Erde – was auch immer das heissen mochte. Sein warmes, grosses Herz musste einen Schlüssel zu meinem besitzen, denn er hatte mich – ich, die sich im Herzen nie berühren lassen wollte – vorerst gewonnen.

Seine Handlungen waren von einer speziellen Lebendigkeit, Weitsichtigkeit und Originalität, er erledigte – egal worum es sich handelte – jede Aufgabe entweder mit Hingabe, oder er liess sie ganz bleiben. Er kümmerte sich mit ausserordentlicher Fürsorge um seinen Garten, verabreichte den Hasenmüttern Fenchelkraut, um ihren Geburtsschmerz zu lindern, und schöppelte ihre Hasenbabies, wenn diese zu früh geboren wurden. Auf seine Hand war hundertprozentig Verlass. Was zu erledigen war, wurde zielstrebig, verantwortungsbewusst und souverän angepackt. Dynamisch setzte er sich überall aus vollen Kräften ein, konnte Kompromisse eingehen, ohne seine Ideale aus den Augen zu verlieren. Er strahlte eine Art natürliche Autorität aus. Er sagte klar und unmissverständlich, was Sache sei, doch ohne die andere Person despektierlich zu behandeln. Seine respektvolle, klare Haltung dem Leben gegenüber schätzte ich sehr.

Wir waren sehr verschieden und kamen von zwei entgegengesetzten Polen. Er kam von der Erde und befasste sich mit Handfestem. Er trainierte die Handballkids, schreinerte seine Möbel selbst und baute Häuser um, ich kam irgendwo vom Himmel her und war damit beschäftigt, innere Räume zu erforschen und geistige Zusammenhänge zu erschliessen. Bestimmt waren Paul meine Innenforschungen anfänglich mindestens genauso suspekt, wie es mir seine Vereinsarbeit war. Er, der sichtbar Bodenständige, ich, der unfassbare Wirbelsturm. Was verband uns?

Asche und Blüten

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