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In Erwartung

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Ich war sehr aufgeregt und wusste nicht, wie Paul auf solch eine Botschaft reagieren würde. Er sagte mir, dass er das Baby behalten wolle, dass er sich freue und es sich vorstellen könne, mit mir zusammenzubleiben. Alles Weitere wollten wir auf uns zukommen lassen. Das war Musik für eine Frau wie mich, die sich nicht binden lassen wollte. Paul jedoch gelang das Unmögliche, und in unendlichem Vertrauen zueinander und in das Leben gebettet, liessen wir uns von einer geheimnisvollen Kraft tragen und führen: Da konnte nichts schief gehen!

Bei meinem nächsten Besuch in St. Gallen teilte er mir mit, dass er mich heiraten wolle, was mich ärgerte und lauten Widerspruch hervorrief. Denn nie im Leben wollte ich meine Freiheit durch eine Heirat einschränken. Vehement, sogar ziemlich forsch, belehrte er mich eines Besseren. Wenn man ein Kind bekomme, sei das ernst zu nehmen, und deshalb werde geheiratet! Von so viel Bestimmtheit überrascht, willigte ich brummelnd ein, unter der Bedingung, dann aber, wie es sich gehöre, Eheringe zu tragen!

In meinem Bauch begann ein Kind heranzuwachsen, und nie zuvor und nie danach fühlte ich Gottes Vertrauen so intensiv wie in jenen Monaten, in denen ich ein Kind unter meinem Herzen trug.

Nur das Beste gelangte in meinen Magen, denn alles andere löste Brechreiz aus. In der Zeit der Schwangerschaft lebte ich von einem Kilo Bananen und einem Kilo Orangen am Tag, von Frucht- und Gemüsesäften, natürlich von Pauls liebevoll Gekochtem, und von Kohletabletten. Bestimmt hatte unser erstes Kind bei seiner Geburt deshalb so schwarze Haare! Ganz bewusst ging ich einkaufen, nur das Beste war gut genug fürs Baby.

Neun Monate lang praktizierte ich jeden Morgen, bevor ich zur Schule ging, anderthalb Stunden Yoga – fürs Baby. Mit dem Zug fuhr ich bis eine Station vor meinem Zuhause und ging den Rest, eine Stunde, zu Fuss an der frischen Luft – fürs Baby. Ich hörte jeden Tag Vivaldi, für mein Baby; nahm Bäder, für mein Baby, kaufte eine Klangkugel, nur um mit meinem Baby in Kontakt zu sein.

Und das Baby gedieh. Zu meiner Einstimmung aufs Muttersein fuhr ich für eine Woche zur Meditation alleine in die Berge. Ich freute mich, eine ganze Woche lang meine Aufmerksamkeit nur dem Baby schenken zu können. Nachher liess sich Paul nur allzu gern in die zauberhafte Welt der Entstehung neuen Lebens mitnehmen. Bei allen drei Schwangerschaften verweilten seine Hände oft auf meinem Bauch und liebkosten das darunter strampelnde Baby.

So war auch ihm bei jeder Schwangerschaft schlecht, und er war von dem, was da geschah, wie ich emotional jedes Mal tief bewegt. Er band mir die Schuhe, wenn mein Bauch zu dick wurde, und war nachsichtig, wenn ich anstatt sein gekochtes Essen lieber Bananen ass.

Das Diplom bestand ich, trotz dickem Bauch. Einmal, kurz bevor ich schwanger wurde, hatte ich einen Traum: Schwarze Reiter ritten in Pauls Herz hinein. Ich wollte sie in mein eigenes Herz nehmen, so dass sie Paul nichts anhaben konnten. Ich konnte die Reiter jedoch nicht weglenken und musste akzeptieren, dass sie Pauls schwarze Reiter waren.

Während in meinem Bauch neues Leben heranwuchs, starb Pauls Vater. Seinen Eltern blieb es verwehrt, unsere Kinder zu sehen.

Unsere Hochzeit feierten wir, wie noch vieles andere, nicht im üblichen Rahmen: Weisses Kleid und Frack hätten ganz und gar nicht zu uns gepasst. In Wanderschuhen und Hippiehosen wanderten wir an unserem Hochzeitstag in den Bündner Bergen über Wiesen, auf denen Schafherden weideten. Das Wetter war grau in grau, mit ständigem Nieselregen. Nach der Trauung zierte ein Regenbogen den Horizont. «Wir trauen uns!», stand auf unserer Hochzeitskarte, «und wenn wir wollen, sind wir Unendlichkeit.»

Asche und Blüten

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