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2. Der Tag, an dem der Vater verschwunden ist

Ich war zehn Jahre alt und weiß noch alles ganz genau.

Am 14. Oktober 2007 hatte ich Geburtstag und mein Vater schenkte mir einen unvergesslichen Tag. Obwohl er normalerweise wenig Zeit hatte, verbrachten wir den 14.10. immer zusammen. Das war unsere Tradition seit meinem ersten Geburtstag, was viele Fotos bestätigten. An diesem Tag unternahmen wir etwas ganz Besonderes und Einmaliges. Nur wir zwei. Meine Mutter hatte mich sonst immer, da gehörte dieser Tag nur ihm.

An diesem Sonntag, im Jahr 2007, machten wir uns bereits um vier Uhr am Morgen los und fuhren in eine andere Stadt, weit weg von unserer.

Ich war total aufgeregt, weil ich nicht wusste, wohin es dieses Mal gehen würde, doch als wir schließlich Frankfurt passierten, hatte ich bereits eine Ahnung.

Es war ein Traum. Meine erste Buchmesse überhaupt und das mit meinem Vater zusammen. Er wollte mich überraschen und das ist ihm geglückt. Wir suchten uns einen Parkplatz nicht weit vom Messegelände, da wir früh dran waren, war es kein Problem und er überreichte mir einen Plan mit allen Veranstaltungen und Ausstellern.

»Wann hattest du Zeit gehabt, dir all das zurechtzulegen?«, fragte ich ihn verblüfft und er zuckte mit den Achseln, zwinkerte mir zu und sagte, ganz ernst:

»Für dich, mein Schatz, nehme ich mir immer Zeit, auch wenn ich nicht so oft da bin oder da sein werde, so bist du ständig in meinen Gedanken.«

Ich schluckte und unterdrückte die Tränen, die sich ankündigten und studierte den Plan.

Er hatte alles markiert, was mir gefallen könnte, und zwischenzeitlich war genug Zeit vorhanden, um uns einfach umzuschauen. Ich schwebte im achten Bücherhimmel, falls es den gibt. Wir blieben fast bis zum frühen Abend und mein Vater kaufte mir so unfassbar viele Bücher, dass ich für ein halbes Jahr Lesestoff hatte. Hinterher waren wir Essen und im Kino. Es war der schönste Tag meines Lebens. Nicht nur bis dahin, sondern bis heute.

Ich schlief schließlich im Auto ein, und als ich am nächsten Morgen wach wurde, hörte ich plötzlich meine Mutter laut telefonieren. Es waren Herbstferien und doch war ich relativ früh aufgewacht. Ich schlich aus meinem Zimmer und versteckte mich hinter einer Tür.

»Hayley, ich weiß nicht, wo er ist. Ich habe schon überall angerufen. Er war gestern mit Melanie unterwegs, ... ja, wie immer. Irgendwann muss er wieder aufgestanden sein. NEIN, ich weiß nicht, wo er hin ist. Deshalb ruf ich dich doch an ... Er hatte nichts erzählt. Wir wollten heute etwas Schönes unternehmen, da Mel Ferien und Paul noch ein paar Tage frei hat. ... Natürlich hab ich im Büro nachgeschaut ...«

Ich rutschte an der Wand nach unten, winkelte meine Beine an, umklammerte sie und vergrub meinen Kopf in meinen Armen. Kurz danach wurde aufgelegt und meine Mutter fand mich. Sie sagte nichts, sondern setzte sich zu mir und hielt mich fest.

Es war nicht das erste Mal, dass er plötzlich verschwunden war.

Aber noch nie hörte sich meine Mutter so hysterisch an.

Später, als sie weitere Telefonate geführt hatte, ging ich in Dads Büro und habe mich etwas umgeschaut.

Als Erstes fiel mir auf, dass die Tür aufgebrochen wurde und der Schlüssel im Inneren noch steckte. Es gibt nur ein kleines Fenster in diesem Raum, welches mit einer Leiter zu erreichen ist. Öffnen konnte mein Vater es, wenn er einen Hebel betätigte.

Doch es war so winzig, dass nicht mal ein Schlangenmensch dadurch gepasst hätte.

Mein Vater war ein Riese (okay, ich war noch sehr klein, in Wahrheit war er wohl über 1.80 Meter), schlank und hatte Schuhgröße 46. Seine Hausschuhe standen vor dem Zimmer, was ebenfalls sehr seltsam war. Warum sollte er Straßenschuhe in seinem Büro anhaben, wenn er doch von zu Hause aus arbeitete?

Es wäre einfach unmöglich gewesen, aus diesem Zimmer zu verschwinden, und warum sollte er das machen?

Auf seinem Schreibtisch sah alles ganz Normal aus. Nichts deutete auf einen Zettel oder Ähnliches hin.

Eine Sache aber zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Ein Stift, der aussah, als wäre er benutzt worden und doch wies nichts daraufhin. Wenn er eine Nachricht hinterlassen hätte – was er sonst immer gemacht hatte – wäre meine Mutter nicht so hysterisch gewesen.

Wie konnte jemand aus einem verschlossenen Raum verschwinden?

Danach war nichts mehr so, wie wir es kannten. Je länger mein Vater verschwunden blieb, desto mehr zog sich meine Mutter zurück. Die Ferien waren vorüber und ich kümmerte mich nach der Schule um den Haushalt, da sie dazu nicht in der Lage war. Das Geld wurde ebenfalls knapp und ich fragte in dem Blumenladen gegenüber unserer Wohnung, ob ich dort aushelfen könnte. Ich erklärte Frau Hops alles und sie nickte traurig. Konnte mich allerdings nicht einstellen, da ich noch zu jung war. Aber hin und wieder dürfte ich ihr helfen, wenn ich möchte und immer zu ihr kommen, wenn ich wollte.

Das Geheimnis des Stiftes

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