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5. ›Das mysteriöse Mädchen‹ erscheint

Einige Wochen sind verstrichen und ich kann es nicht fassen, aber in wenigen Tagen erscheint tatsächlich mein erstes Buch. Ich konnte mittlerweile schon anfangen, Werbung dafür zu machen. Denn zu meinem Glück gibt es sogar sogenannte Challenges auf Instagram und ich bin mittendrin bei einer, die direkt für Autoren gedacht ist.

Marinettesbookland

Bilder: 84 (ich versuche, täglich drei Fotos hochzuladen)

Abonnenten: 1XXX

Abonnements: 2345 (ich folge vielen Stars)

Es sieht nach einer unfassbaren Zahl aus, oder? Aber mein Verlag ist nicht nur überglücklich, dass ich nun auf Instagram zu finden bin, nein, sie haben mich mittlerweile offiziell vorgestellt und auch @Juliansbookland hat mir sehr gute Dienste erwiesen.

Kürzlich hab ich ihm erzählt, dass ich ein Buch herausbringe und er klang sehr erfreut und neugierig. Instagram ist ein wirklich fabelhafter Ort für mich und ich bin froh, so gut aufgenommen worden zu sein. Ich hatte etwas Angst, als ich mein Buch angekündigt habe, doch brauchte ich das gar nicht haben.

Denn viele wirkten sehr interessiert. Natürlich heißt das noch nicht viel, aber vielleicht hilft es wenigstens etwas.

Plötzlich bekomme ich den Vermerk, dass mich jemand in einer Nachricht markiert hat, und entdecke mein Buch auf einem Foto. Nanu?

@juliansbookland

*Schaut mal, was für ein tolles Rezensionsexemplar mir der Verlag *JZ* zugeschickt hat.

Es ist das Buch von der lieben @marinettesbookland und ich bin wirklich sehr neugierig darauf.*

@marinettesbookland

*Wow, vielen Dank Julian. Ich wusste gar nicht, dass der Verlag welche verschickt. Ich hoffe, es wird dir gefallen.*

@juliansbookland

*Ich habe schon die ersten Seiten gelesen und werde mich nun auch in den Garten verkrümeln und die Sonne genießen. Mach du das auch, liebe @Marinettesbookland ;-) *

Das kann ich leider nicht, da ich im Blumenladen arbeiten werde, aber das ist sogar gut so. Ich würde sonst eine Delle in mein Zimmer laufen, so nervös bin ich. Es wird also ernst.

Julians Videos habe ich alle geschaut und mir ist irgendwann bewusst geworden, dass ich mehr für ihn empfinde. Was absoluter Quatsch ist, wenn man bedenkt, dass ich ihn gar nicht kenne. Aber wir schreiben wirklich viel und ich frage mich, ob ich ihm mal meine Handynummer geben sollte, damit wir nicht immer nur über Instagram schreiben müssen. Aber vielleicht ginge das dann doch zu weit? Was meint ihr?

*

Nach der Arbeit gehe ich noch in die Stadt, um neues Dekorationsmaterial zu finden, und schlendere etwas durch die Straßen, bis ich plötzlich jemanden sehe, der irgendwie meine Aufmerksamkeit gewonnen hat, weil er mich an jemanden erinnert. Wie hypnotisiert gehe ich näher an ihn ran, und versuche, ihn besser zu sehen. Er spricht in sein Mobiltelefon und trägt eine Basecap. Ich weiß nicht mal, wieso er mich so fasziniert, …

Könnte es sein, dass es ... Nein, das ist unmöglich.

Nun bin ich ganz nah und ich muss leider feststellen, dass er jünger ist als, ich mir Juliansbookland vorstelle. 19 oder 20, aber trotzdem scheint er irgendwas an sich zu haben.

»Nein, das werde ich nicht machen«, höre ich ihn wütend ins Handy sprechen. Die Stimme ist auch etwas heller als die von Julian. »Julian, ich muss jetzt los«, höre ich ihn sagen und schaue ihn verblüfft an. Zufall?

Ich versuche, mich so unauffällig wie möglich zu verhalten und, ... laufe direkt in ihn hinein. Gut gemacht, Mel, rüge ich mich selbst. Ich tauge wohl nicht als Sherlock Holmes, geschweige denn als Doctor Watson.

»Entschuldige«, sage ich verlegen und muss mich zwingen, ihn anzuschauen.

»Schon okay, nichts passiert«, sagt er und strahlt mich an.

Das hätte der Beginn einer wunderbaren ersten Begegnung sein können, aber leider ist er so gar nicht mein Typ. Obwohl ich nicht mal weiß, was mein ›Typ‹ eigentlich ist. Ich lächle ihn an und versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass ich enttäuscht bin. Er ist nicht Julian, hat aber mit einem Jungen gesprochen, der so heißt.

Die frische Luft scheint mir gar nicht gutzutun, wenn ich annehme, jemand wie Julian würde in diesem Ort wohnen oder einkaufen. Schließlich liegt er gerade im Garten und liest mein Buch.

»Hi, ich bin Justin«, stellt er sich vor und lächelt sehr lieb.

»Melanie, hi«, sage ich unsicher. Er ist nur wenige Zentimeter größer, als ich es bin und ich muss etwas gegen die Sonne blinzeln, um in seine blauen Augen blicken zu können.

»Entschuldige noch mal, ich wollte dich nicht anrempeln.«

»Es ist alles gut und ich bin sogar froh, denn so hab ich dich schließlich kennengelernt.«

Sehr selbstbewusst von ihm, aber ich denke, er ahnt oder weiß, wie er wirken muss. Seine blauen Augen können einen wirklich in den Bann ziehen. Ich weiß allerdings nicht, was ich erwidern soll. So eine Situation ist mir vollkommen unbekannt. Ich lächle und merke, wie ich erröte. Sein Blick wandert plötzlich zu meiner Tasche, aus der etwas Dekoration hervorblitzt und er schaut mich fragend an.

»Oh, ich will mein Zimmer umgestalten. Die Schule ist vorbei und ich brauch dringend einen Tapetenwechsel und einfach etwas Neues.«

»Das kann ich gut verstehen. Hey, magst du vielleicht noch einen Kaffee mit mir trinken?«, fragt er einfach so und deutet auf das Café genau neben uns. Ein paar Tische sind noch frei, ansonsten scheinen viele die Sonne zu genießen. Es ist aber auch wirklich sehr angenehm warm und ich trage auch nur T-Shirt und eine kurze Hose mit Turnschuhen.

»Mmh, warum nicht?«, antworte ich mehr zu mir als zu ihm, denn er hat bereits einen Stuhl für mich nach hinten gezogen und wartet, bis ich mich setze.

Wir bestellen schließlich Kaffee und er will wissen, was ich nach der Schule vorhabe, und wir unterhalten uns wirklich sehr lange.

»Hat mich gefreut, Melanie«, sagt er, nachdem er den Kaffee bezahlt hat. »Vielleicht sehen wir uns bald wieder?«

Ich habe den Nachmittag auch genossen, muss ich gestehen. Er ist mir sehr sympathisch, aber immer noch nicht mein Typ. Vielleicht wäre er es ja, wenn ich nicht ständig an Julian denken müsste?

»Gut möglich, Justin«, sage ich und würde mich wirklich freuen. Es wäre schön, einen Freund zu haben. Jemanden, mit dem man sich unterhalten kann und der mich nicht übersieht. Auf einmal klingelt sein Handy und er zuckt entschuldigend die Schultern. Er zieht es raus, schaut aufs Display und sein Gesicht verfinstert sich. Er hat ein schönes Profil, mit einigen Bartstoppeln und einer kleinen Narbe, die ich, während unserer Unterhaltung, entdeckt habe. Sie befindet sich zwischen seinem rechten Auge und dem Ohr, ist schon ausgebleicht und kaum noch zu erkennen, daher vermute ich, dass er sie vor vielen Jahren bekommen hat.

»Ich muss da leider dran gehen«, murmelt er und ich nicke nur. »Also, wir sehen uns hoffentlich bald.«

Das glaube ich nicht, denn er wird mich vergessen.

Er wendet sich ab, nimmt den Anruf an und geht schnell weg. Ich schaue ihm noch lange hinterher, dreht er sich vielleicht um? Tatsächlich, er blickt noch einmal kurz zu mir und dann ist er um die nächste Ecke verschwunden. Langsam gehe ich mit einem Lächeln auf den Lippen zurück. Es war mein erster Nachmittag dieser Art seit … ich weiß es nicht.

Wenn der Anruf nicht dazwischen gekommen wäre, vielleicht hätten wir dann unsere Nummern getauscht?

Zuhause angekommen, packe ich erst einmal meinen Einkauf aus und mache direkt eine kleine Instagram Story daraus und natürlich zeige ich es auch in einem Bild auf meinem Feed. Als ich es fertig habe, entdecke ich eine neue Nachricht.

Juliansbookland

*Hallo Marinette,

wie ich sehe, warst du heute Shoppen und hast echt tolle Dekorationsmaterialien gekauft.

Hab dein Buch übrigens fast durch :-)

Was machst du Schönes?*

Marinettesbookland

*Ich will gleich mal mein Deko-Zeug wegräumen und

noch etwas lesen. Wann kommt eigentlich ein neues

Video von dir raus?

Ist das gut oder schlecht, dass du mein Buch schon

fast durch hast?*

Juliansbookland

*Das ist ein gutes Zeichen, liebe Marinette ;-)

Es wird nachher sogar eins kommen. Bin gespannt, was du dazu sagen wirst.

Wie ist dein Buch, was du gerade liest, so?*

Er ist sehr aufmerksam, dass gefällt mir, denn ich hatte das Bild, mit meinem ›currently reading‹ gerade erst hochgeladen. Ich sage, dass ich es bisher gut finde und ich mich auf sein Video freue.

Ich räume mein Zimmer schließlich etwas auf, höre nebenbei Musik und stelle fest, dass ich mit der Wäsche heute dran bin und sammle selbst noch einiges auf, bevor ich in das Badezimmer gehe.

Gerade als ich wieder in mein Zimmer will, höre ich meine Mutter am Telefon sprechen.

Eigentlich würde es mich nicht interessieren, da auch ich will, dass sie meine Privatsphäre respektiert - auch wenn ich eigentlich keine habe.

Aber es macht mich stutzig, dass sie nicht in ihrem Zimmer ist, sondern in Dads Büro. Ich habe es seit Jahren nicht mehr betreten. Einmal bin ich hinein, aber nachdem ich eine enorme Gänsehaut bekommen habe, bin ich schnell geflüchtet. Den Stift, der auf seinem Schreibtisch gelegen hatte, habe ich immer noch.

Der Raum macht mir Angst, wenn ich ehrlich bin.

Ich weiß, ich hätte neugieriger sein sollen, aber ...

Mein Vater ist in einem verschlossenen Raum verschwunden.

VERSCHLOSSEN.

Wie konnte das passieren? Niemand verschwindet aus einem Zimmer, das von innen abgeschlossen ist.

Das klitzekleine Fenster war ebenfalls geschlossen.

Irgendwie hatte ich Angst, dass da ein Monster drin sein könnte, der mein Vater gefressen hat. Totaler Quatsch, ich weiß. Aber ich musste mich ja auch irgendwie schützen. Ich will nicht, dass mein hart erbautes Kartenhaus wieder zusammenbricht. Habe mich um meine Mutter gekümmert und viel über das Leben gelernt.

Doch nun packt mich die Neugier und ich lausche angestrengt.

»Was soll ich denn suchen? Ich hab doch schon das ganze Zimmer abgesucht. Ich weiß nicht, wo der beschissene Stift ist«, höre ich sie fast schon schreien und spüre, dass sie es bereut, denn sie redet leiser weiter. »Keine Ahnung, ehrlich nicht. Aber selbst wenn wir ihn finden würden, wer soll ihn denn benutzen?«

Ich verstehe gerade nur Bahnhof. Nicht zu wissen, worum es geht, hasse ich.

Es ist still geworden, ich denke, sie hört zu. Ist Hayley am anderen Ende?

»Warum sollte Mel den Stift haben? Sie war nie im Büro.«

Oh je. Ob es sich um den Stift handelt, den ich genommen habe? Ich habe ihn nie benutzt, sondern nur versteckt. Ich wollte etwas von meinem Vater haben. Eine Erinnerung.

Mehr nicht. Ich konnte nicht mit ihm schreiben, denn ich wollte ihn nicht kaputtmachen.

Dieser Stift scheint irgendeine Bedeutung zu haben, obwohl er sehr einfach aussieht. Die Farbe ist etwas ungewöhnlich, aber ansonsten weist er keine Auffälligkeiten auf.

Schnell schleiche ich zurück in mein Zimmer, denn ich muss nicht mehr hören. Ich werde meine Mutter danach fragen.

Wenn sie es mir nicht erklärt, werde ich meine Tante besuchen.

In meinem Zimmer angekommen, greife ich zuerst hinter meinen Schrank. Dort kommt man nur hin, wenn man sich etwas verrenkt und auch weiß, wonach man suchen muss. Ich ziehe ein kleines Kästchen hervor und lausche erneut, aber meine Mutter scheint noch immer zu telefonieren. Vorsichtig puste ich den Staub vom Deckel und öffne sie. Ich nehme den Stift aus der Schachtel, die ich mühevoll ausstaffiert hatte, und setze mich gedankenverloren auf den Boden. Was ist an diesem Kugelschreiber so besonders?

Ich betrachte ihn zum ersten Mal ausgiebig. Drehe ihn und will gerade versuchen ihn zu benutzen, als ich Schritte höre. Ich lege es schnell zurück und verstecke die Kiste hinter meinem Rücken und schnappe mir stattdessen mein Buch.

»Was machst du da?«, fragt meine Mutter, als sie ins Zimmer kommt.

»Lesen«, antworte ich schulterzuckend.

»Auf dem Boden?«

Erschrocken blicke ich mich um und muss anfangen zu lachen. »Das Buch ... Es ist wahnsinnig spannend. Ich hab gerade was getrunken und nebenbei gelesen und wollte mich wieder setzen … scheinbar hab ich das Bett verfehlt«, erkläre ich und lache weiter.

Lächelnd schüttelt sie nur den Kopf, aber ich sehe ihr an, dass sie sich bemüht nicht zu lachen. Unauffällig versuche ich, das Kästchen wieder hinter den Schrank zu schieben.

»Wolltest du was?«

»Mmh? Oh, ja. Wenn du Zeit hast, würde ich nachher gerne mit dir reden.«

»Ja, klar. Ich komme gleich.«

Sie wartet und hofft scheinbar, dass ich direkt mitkomme. Ich beobachte, wie sie ihren Blick durch das Zimmer schweifen lässt, und frage mich, was sie wohl gerade denken mag.

Von irgendwo dringt das Klingeln des Telefons zu uns durch und sie geht, ohne weiter etwas zu sagen.

Ich stehe auf und suche mir ein anderes Versteck, da ich vermute, sie würde als Erstes in der Gegend schauen, in der ich so komisch gesessen habe.

Suchend lasse ich den Blick durch mein Zimmer schweifen. Die beste Stelle ist in meinem Bücherregal. Denn dort würde sie nie nachschauen. Sie weiß, wie wichtig mir meine Bücher sind.

Tiefdurchatmend schnappe ich mir mein Handy und gucke, solange sie telefoniert, ob es was Neues gibt. Die Musik, die schon die ganze Zeit läuft, nervt mich gerade, also stelle ich eine andere Playlist an und entspanne mich einwenig. Der Gedanke, dass etwas nicht stimmt, lässt mich nicht mehr los. Ich will es wissen und hasse es, nicht schon früher angefangen zu haben.

Fragen stellen, neugierig sein.

Aber was ist, wenn etwas so Furchtbares passiert war, dass es mich entzweien würde?

Schlimmer als der Gedanke an das Monster, meint ihr?

Ja, das stimmt. Aber Monster existieren nicht, jedenfalls nicht solche, die ich mir vorstelle. Aber ein Monster verbirgt sich oft hinter einem ganz normalen Gesicht. Ein Monster erkennt man erst, wenn es fast schon zu spät ist. Wenn es etwas gemacht hat, was man nicht mehr rückgängig machen kann. Wenn es Wert ist, in den Nachrichten erwähnt zu werden.

Das Verschwinden meines Vaters war zwar einige Wochen Thema in den Zeitungen und auch im Fernsehen gab es Sondersendungen, aber das war es auch. Keine Spuren, keine Beweise. Ich wurde befragt, beschattet und meine Mutter sowieso. Jeder im Umfeld. Aber auch das verging und danach hat es niemanden mehr interessiert.

*

Mein Vater ist aus einem verschlossenen Raum verschwunden.

*

In meinem Buch ›Das mysteriöse Mädchen: Die unsichtbare Retterin‹ kann sich meine Protagonistin Ariane unsichtbar machen und so aus jedem Raum nach Belieben verschwinden. Sie kann durch Wände gehen und so bleibt sie unentdeckt. Aber mein Vater ist kein Superheld. Er kann so etwas nicht, auch wenn ich mir wünschen würde, dass dies seine Erklärung ist. Das er die Welt retten musste und uns deshalb verlassen hat.

Ich habe damit nicht abgeschlossen, aber ich kann einfach nicht mehr. Versteht ihr das? Jahrelang hab ich auf ihn gewartet, hab gehofft, er würde eines Morgens in der Küche sitzen, seinen Kaffee trinken und mir lächelnd einen ›Guten Morgen‹ wünschen. Ich würde ihm alles verzeihen, wenn er nur wieder da wäre.

Wenn ich wüsste, dass es ihm gut geht.

Aber ich weiß nichts.

Um auf andere Gedanken zu kommen, öffne ich schließlich Instagram und bekomme direkt die Meldung, dass mich jemand verlinkt hat.

@juliansbookland

*Wow, puh. Ich habe gerade ›Das mysteriöse Mädchen: Die unsichtbare Retterin‹ von @marinettesbookland gelesen und bin überaus überrascht und begeistert.

Gut gemacht, liebe Marinette.

Alles dazu auf meinem Blog und auf YouTube.*

@marinettesbookland

*Vielen lieben Dank Julian. Bin gespannt, was du auf deinem Blog geschrieben hast und du im Video erzählen wirst.*

Schnell klicke ich auf den Link in seiner Info und lese mir die Rezension durch. Ausführlich und gut geschrieben hat er sie. Mein Herz hüpft und ich bin voller Schmetterlinge in meinem Bauch, als ich einen weiteren Link öffne, um mir sein YouTube Video anzusehen.

Dieses Mal ist er komplett umhüllt vom Schatten und ich frage mich, wie er das hinbekommt. Ihm scheint das Buch wirklich zu gefallen, denn er spricht sehr euphorisch darüber. Es macht mich stolz und am liebsten würde ich ihn direkt umarmen.

Ich frage mich allerdings ...

Wenn der Junge von heute Nachmittag, Justin, mit diesem Julian hier gesprochen hat, dann wird er nun wissen, wer ich bin. Ja, es gibt solche Zufälle und natürlich muss es nichts bedeuten.

Aber was, wenn doch?

Wäre das wirklich so schlimm? Da bin ich mir nicht sicher. Ich schnappe mir meine ›Alice im Wunderland‹ Ausgabe und betrachte sie gedankenverloren.

Schnell schreibe ich etwas unter das Video und tippe ein paar Wörter direkt zu ihm via Instagram.

Ich muss mehr erfahren. Über alles.

Es klopft an meiner Tür und reißt mich so aus meinen Gedanken.

»Was machst du?« Ich hab gar nicht gemerkt, dass sie fertig ist mit reden und bin gespannt, was sie mir zu sagen hat.

Ich halte meiner Mutter das Buch hin und füge hinzu:

»An meinen Vater denken.«

»Du vermisst ihn, oder?«

»Manchmal schon«, sage ich schulterzuckend und beobachte ihre Reaktion. Doch sie nickt nur. »Hast du dich nie gefragt, warum er verschwunden ist? Der Raum war doch von innen verschlossen. Wie konnte er denn entkommen?« Ich muss all meinen Mut zusammennehmen, doch wir müssen endlich darüber sprechen. Sie kommt näher und setzt sich zu mir.

»Und kannst du dir nicht vorstellen, dass man mit ein paar Taschenspielertricks auch eine Tür so verschließen kann, dass jeder glaubt, man hätte sich in Luft aufgelöst?« Ich starre sie an und schüttle mit dem Kopf. »Na gut, dann komme mit. Ich zeig es dir.«

Gespannt folge ich ihr und wir gehen zu Dads Büro.

Sie holt den Schlüssel, den sie in ihrem Zimmer aufbewahrt und hat noch etwas anderes in ihrer Hand.

»Was willst du mit dem Draht?«

»Wirst du gleich sehen.« Sie schließt die Tür auf, nimmt den Schlüssel, wickelt den Draht um den Bart, zieht den Draht durch das Schlüsselloch und der Schlüssel wird automatisch eingeführt. Ich bin sprachlos, darauf wäre ich nie gekommen.

Doch, Moment ...

»Na ja, das ist ja sehr schön«, sage ich, »aber wie konnte er sie abschließen?«

»Auch darüber hab ich lange nachgedacht und es oft versucht.« Sie kniet sich hin und konzentriert sich auf ihre Aufgabe. Auch ich geh in die Hocke und beobachte sie genau. Sie hat den Draht seltsam gebogen und fummelt nun umher. Plötzlich macht es klick und ich sehe, wie die Verriegelung nach vorne schnallt. Unfassbar.

Das Geheimnis des Stiftes

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