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1.7 Werkstoffe, Rohstoffe und Nachhaltigkeit

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Werkstoffe werden aus Rohstoffen hergestellt. Diese stehen nicht in unendlicher Menge zur Verfügung. Deshalb ist eine ökologisch nachhaltige Nutzung inklusive Recycling sehr wichtig. Nicht immer ist das der Fall. Bei vielen Metallen und bei Glas funktioniert das Recycling und damit die Kreislaufwirtschaft bereits sehr gut. Kunststoff hingegen wird als Verpackung oft nur einmal benutzt und landet in großen Mengen in Gewässern und in den Weltmeeren [1]. Dort braucht er Jahrhunderte, um sich zu zersetzen. In diesem Prozess entsteht sehr viel Mikroplastik, das in die Nahrungskette von Tieren und Menschen gelangt.

Recycling bedeutet oft Downcycling, z. B. die Verarbeitung von gebrauchtem Kunststoff im Straßenbau - mit einem gewissen Risiko der Freisetzung von Mikroplastik. Verbundwerkstoffe wie Glasfaser-verstärkter Kunststoff lassen sich nur schwer bzw. gar nicht rezyklieren. Das Recycling von Elektroschrott und von Edelmetallen in elektronischen Geräten ist ein wichtiges Thema. Es wird in großen Mengen in der dritten Welt unter gesundheitsschädlichen Bedingungen betrieben [2]. Volkswirtschaftlich und ökologisch wäre ein systematisches Recycling von Elektro- und Elektronikabfall jedoch sehr wichtig, um die Metalle und Edelmetalle zurückzugewinnen, die dort bereits in reiner Form vorliegen.

Langlebige Produkte sind nachhaltig. Aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen wird leider oft eine Gewinnmaximierung oder Kostensenkung angestrebt, z. B. durch den Einsatz billiger Materialien. Darunter leiden die Langlebigkeit, Qualität und Wiederverwertbarkeit.

Positiv ist das Bestreben vieler Firmen und Staaten, den Verbrauch fossiler Energien signifikant zu reduzieren. Dieses Ziel wird durch Energieeinsparungen, Wärmerückgewinnung oder den Einsatz regenerativer nichtfossiler Energien wie Wind-und Solarenergie erreicht. In modernen Fabriken und Gebäuden gibt es vielfältige innovative Ansätze. Trotzdem bedarf es noch großer Anstrengungen, um das Problem der Treibhausgase und des Klimawandels nachhaltig zu lösen.

Nachhaltigkeit hat aber auch eine soziale und ethische Komponente. Die Menschheit sieht sich zunehmend mit einigen unbequemen Wahrheiten konfrontiert. Unser Leben in den reichen Ländern des Westens ist seit vielen Jahrzehnten nicht mehr nachhaltig. Die reichen Länder dieser Welt verbrauchen jedes Jahr wesentlich mehr endliche Rohstoffe und Ressourcen, als ihnen nach ihrer Einwohnerzahl im Vergleich zum Rest der Welt eigentlich zustehen würde. Dieser exzessive Konsum hat Konsequenzen. Eine Frage sei in diesem Zusammenhang erlaubt: Woher kommen eigentlich viele dieser Rohstoffe, aus denen wir die Werkstoffe für unsere Produkte gewinnen?

Die Versorgung der produzierenden Industrie und der Infrastruktur unserer Zivilisation mit Rohstoffen ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Rohstoffe, aus denen wir unsere Werkstoffe gewinnen, sind Bodenschätze. Sie sind die Schätze unserer Erde. Ihre Förderung stellt in der Regel einen tiefen Eingriff in ökologische und soziale Systeme dar. Riesige Investitionen sind für ihren Abbau und die Weiterverarbeitung nötig. Dafür winken der Rohstoffbranche und ihren Investoren am Ende aber auch große Gewinne.

Seit einigen Jahren rücken die gravierenden Probleme der Rohstoffbranche zunehmend stärker ins Zentrum des öffentlichen Interesses. Wenn Rohstoffkonzerne, von denen viele ihren Steuersitz in der Schweiz haben, ihren Reichtum in Ländern der Dritten Welt erwirtschaften, tun sie dies leider nicht immer unter Einhaltung von eigentlich selbstverständlichen ökologischen und sozialen Standards [3-5]. Diese hinreichend dokumentierten Missstände öffentlich zu machen und dagegen anzukämpfen kann für die lokale Bevölkerung, Hilfsorganisationen und Journalisten jedoch sehr gefährlich sein. Die Konzerne agieren dabei überaus geschickt. Sie haben zwar ihren Steuersitz in der Schweiz, in anderen Ländern Europas oder in den USA. Sie gründen in Drittweltländern mit schwachen Justizsystemen (oder korrup-ten Behörden)aber Tochterfirmen und arbeiten über diese mit einem Netzwerk ab-hängiger lokaler Unterlieferanten zusammen. So können sie an ihrem Steuersitz für die Verletzung ökologischer und sozialer Standards nicht belangt werden.

Ein anderes Problem ist die gerechte Verteilung des erwirtschafteten Reichtums. In Ländern der Dritten Welt weisen Rohstoffkonzerne und deren Töchter oft fiktive Kosten oder gar Verluste aus und versteuern die Gewinne in Steuerparadiesen [6]. In den Ländern der Dritten Welt, wo der Rohstoff abgebaut und die Wertschöpfung erbracht wurde, fehlen diese Steuereinnahmen für Investitionen in Schulen, Verkehrswege, Sanitäranlagen, Abfallentsorgung, die soziale Absicherung und das Gesundheitssystem. Dort leben und arbeiten aber Menschen, die Tag für Tag ihren Beitrag zu einer funktionierenden Weltwirtschaft leisten. Die in Steuerparadiese transferierten Gelder wären nötig, um auch die Drittweltstaaten am Ort der eigentlichen Wertschöpfung zu befähigen, eine funktionierende Infrastruktur aufzubauen und verbindliche soziale und ökologische Rahmenbedingungen durchzusetzen.

Doch diese zweifelhaften Geschäftspraktiken einiger Rohstoffkonzerne stoßen zunehmend auf demokratischen Widerstand. Paradoxerweise sind in diesem Zusammenhang die politischen Entwicklungen in der rohstoffarmen Schweiz von zentraler Bedeutung, da viele Rohstoffkonzerne hier ihren Steuersitz haben. Die Schweizer Konzernverantwortungsinitiative (KVI) des Jahres 2020 hatte zum Ziel, international tätige Konzerne mit Steuersitz in der Schweiz und ihre Tochterfirmen im Ausland zu einer verbindlichen Einhaltung sozialer und ökologischer Standards zu verpflichten und sie für Verstöße gegen Umwelt- und Menschenrechtsstandards direkt haftbar zu machen. Eigentlich wurde damit nur eine Selbstverständlichkeit eingefordert. In Frankreich gibt es seit 2017 bereits ein solches Loi de Vigilance. Auch die deutsche Regierung arbeitete zeitgleich wie die KVI an einer sehr ähnlichen Gesetzesinitiative, dem Lieferkettengesetz. Dies wurde notwendig, nachdem freiwillige Verpflichtungen der Konzerne zur Einhaltung von sozialen und ökologischen Minimalstandards über Jahre kaum Ergebnisse brachten. Seit Mai 2020 gilt in Deutschland bereits das Mineralische-Rohstoffe-Sorgfaltspflichten-Gesetz für den Import von Zinn, Tantal, Wolfram und deren Erzen sowie von Gold aus Konflikt-und Hochrisikogebieten [7]. Vielleicht ist es mit der Einhaltung von Regeln etwa so wie mit dem Tragen der Corona-Maske in den öffentlichen Verkehrsmitteln: Solange es freiwillig ist, tut es kaum jemand. Existieren jedoch entsprechende Vorschriften, tun es (fast) alle.

Gemeinsam mit der Rohstoffbranche bekämpft traditionell auch die Finanzbranche Gesetzesinitiativen für mehr Konzernverantwortung in den Nationalstaaten. Dabei werden einzelne Länder als Steuersitze gegeneinander ausgespielt. Für die Finanzbranche ist der Rohstoffsektor ein lukratives Geschäft. Es umfasst den Handel mit Rohstoffen sowie mit Aktien und Obligationen von Rohstoffunternehmen, die Kreditvergabe an Rohstoffkonzerne, aber auch die Verwaltung riesiger Vermögen, die ihren Ursprung in der Rohstoffbranche haben. Auch die Finanzbranche ist in der Schweiz ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor.

Die Schweizer Volksinitiative für mehr Konzernverantwortung wurde von einer mächtigen Gegenkampagne bekämpft. Diese Gegenkampagne wurde im Auftrag des nationalen Wirtschafts-Verbandes,,Economiesuisse“ von der Lobbyisten-Agen-tur Furrerhugi geleitet - ein heikles Mandat. Furrerhugi vertritt gegen Geld auch die Interessen des Rohstoffkonzerns Glencore mit Steuersitz im Kanton Zug gegenüber der Schweizer Politik [8-10]. Furrerhugi steht ebenfalls hinter einem Verein namens ,,succeSuisse“, der von einer Reihe bürgerlicher Politiker sowie der Swiss-American Chamber of Commerce getragen wird.

Einflussreiche bürgerliche Politiker aus dem Umfeld von ,,succeSuisse“ und aus den ländlich geprägten Deutschschweizer Tiefsteuerkantonen sowie der Wirtschaftsverband ,,SwissHoldings“, der die multinationalen Konzerne mit Steuersitz in der Schweiz vertritt, schürten in der Kampagne gegen die KVI mangels stichhaltiger Argumente gezielt Ängste. Gegen die Einhaltung von Menschenrechten und ökologischen Standards ließ sich nichts einwenden. Sie verunglimpften daher die breit in der Gesellschaft verankerte Volksinitiative für mehr Konzernverantwortung in populistischer Art und Weise als linksradikale Idee. Damit versuchten sie, in den konservativ-ländlich geprägten Kantonen der Deutschschweiz auf Stimmenfang zu gehen. Sie verwiesen auf potentielle Probleme bei der juristischen Umsetzung, ohne jedoch tragbare Kompromisse mit den gesprächsbereiten Initianten anzustreben. Im Gegenteil: Ein von der unteren Kammer des Parlaments und den Initianten bereits fertig ausgehandelter Kompromiss zur Umsetzung der Volksinitiative wurde durch ein Manöver bürgerlicher Politiker aus dem Umfeld von ,,succeSuisse“ in letzter Minute in der oberen Parlamentskammer zu Fall gebracht. Sie argumentierten mit dem Wegfall von Steuereinnahmen, falls die Rohstoffkonzerne wegzögen [11]. Dies würde alle Steuerzahler treffen und den Wohlstand sowie Arbeitsplätze in der Schweiz gefährden. Diese Argumentation enthält einen starken ethischen Aspekt: Sind wir tatsächlich und wissentlich bereit, für unseren Wohlstand die grobe Verletzung sozialer und ökologischer Minimalstandards in ärmeren Ländern der Dritten Welt zu tolerieren?

Die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer sagte am 29.11.2020 Ja zu mehr Unternehmensverantwortung und damit zu ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit. Die Initiative scheiterte jedoch am sogenannten Ständemehr der vielen bevölkerungsarmen ländlichen Kantone. Die Schweiz bleibt (vorerst) ein sicheres Versteck für Rohstoffkonzerne, die in Ländern der Dritten Welt ein undurchschaubares Netz von Tochterfirmen und abhängigen Lieferanten betreiben. Die betroffenen Menschen, die unter den Folgen des Rohstoffabbaus in Form von Umwelt- und Gesundheitsschäden leiden, sind weiterhin auf das Engagement von Hilfsorganisationen angewiesen, um auf ihre Situation aufmerksam machen zu können und konkrete Hilfe zu erhalten.

Auch an der Verschiebung der Gewinne und Steuern vom Ort der eigentlichen Wertschöpfung aus Drittweltstaaten in sogenannte Steueroasen wird sich (vorerst) nichts ändern. Die Finanzbranche sowie eine große Anzahl von Politikern, Treuhändern, Anwälten, Immobilienmaklern, Unternehmern und einfachen Steuerzahlern in gewissen Tiefsteuerkantonen der Schweiz (und in anderen Steuerparadiesen) profitieren massiv von diesen riesigen Geldströmen und Vermögen sowie von den daraus resultierenden Unternehmens-, Einkommens- und Vermögenssteuern, Sponsorengeldern, Spenden und anderen Zuwendungen. Sie haben wenig Interesse, daran etwas zu ändern.

Veränderungen liegen jedoch in der Luft. Gerade ein zutiefst demokratisches Land wie die Schweiz hat es bisher immer geschafft, notwendige Korrekturen vorzunehmen und tragfähige Kompromisse zu finden. Den Dissens offen, aber respektvoll auszutragen und die Anliegen verschiedener Interessengruppen lösungsorientiert in einen nachhaltigen Konsens einzubinden braucht Zeit. Dafür sind die so herbeigeführten Veränderungen in der Regel nachhaltig und von breit abgestützt. Immerhin trat als Folge der KVI ein Gesetz in Kraft, das Konzerne mit Steuersitz in der Schweiz zu einer Selbstdeklaration bezüglich Einhaltung bestimmter Menschenrechte verpflichtet, allerdings ohne Haftungsklausel für Verstöße gegen Umwelt-und Menschenrechtsstandards im Ausland. Es bleibt zu hoffen, dass das Ergebnis mehr sein wird als weitere Hochglanzbroschüren der Konzerne ohne Substanz. Es bleibt zu hoffen, dass in Zukunft noch mehr Menschen und Unternehmen erkennen, dass ökologische und soziale Nachhaltigkeit für den sozialen Frieden und das Überleben der Menschheit auf unserem Planeten mindestens genauso wichtig ist wie der finanzielle Profit einzelner egoistisch agierender Personen und Konzerne. Die Privatisierung der unglaublich großen Gewinne in der Rohstoff- und Finanzbranche einerseits und die Verallgemeinerung der immensen Kosten für Schäden an Mensch und Umwelt andererseits sind nicht mehr zeitgemäß. Verantwortungsvolles wirtschaftliches Handeln wird zu Recht immer stärker eingefordert.

Viele verantwortungsvolle Unternehmen integrieren die Nachhaltigkeit bereits in ihre Zielesysteme. Was können Ingenieurinnen und Ingenieure in ihrem konkreten Ar-beitsumfeld tun, damit Nachhaltigkeit tatsächlich immer mehr zur Normalität wird? Hier sind ein paar Vorschläge.

1 1. Entwickeln Sie langlebige Produkte, die sich reparieren lassen. Dies senkt in der Regel den Ressourcenverbrauch.

2 2. Beziehen Sie den Gedanken des Recyclings bzw.einer Kreislaufwirtschaft in Ihre Produktentwicklungen ein. Sortenreine Werkstoffe (keine Verbundwerkstoffe) erleichtern das Recycling.

3 3. Achten Sie darauf, dass Ihre Produktions- und Logistikprozesse möglichst wenig Treibhausgase erzeugen. Moderne Produktionsstätten nutzen bereits einen hohen Anteil regenerativer Energien und die Möglichkeiten der Wärmerückgewinnung.

4 4. Verschmutzen Sie die Umwelt nicht mit giftigen Abwässern, Abgasen, Plastikmüll oder Mikroplastik. Nutzen Sie die modernen Technologien der Abwasseraufbereitung, Luftfilterung oder zeitgemäße Verpackungskonzepte.

5 5. Achten Sie auf die Einhaltung ökologischer und sozialer Standards auch in den globalen Lieferketten Ihres Unternehmens.

6 6. Nehmen Sie ihre Verantwortung für ökologische und soziale Nachhaltigkeit auch als Konsumentin oder Konsument wahr. Das mit Abstand billigste Produkt ist in der Regel nicht das Nachhaltigste. Belohnen Sie nachhaltige Unternehmen mit Ihrem Kaufverhalten. In einer Marktwirtschaft überleben nur Unternehmen, deren Produkte und Dienstleistungen auch gekauft werden.

Werkstoffe werden aus Rohstoffen hergestellt. Und diese sind nicht unendlich verfügbar. Es ist ein Gebot der Vernunft, verantwortungsvoll und nachhaltig damit umzugehen. Nachhaltigkeit hat eine ökologische, aber auch eine ethische und soziale Komponente. Dafür tragen wir als Menschen, Konsumenten und Stimmbürger eine Verantwortung.

Grundlagen der Funktionswerkstoffe für Studium und Praxis

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