Читать книгу Der Omega und das Tier - Jay Boss - Страница 6
2. Cian
ОглавлениеEr traute den Männern nicht, die ihn durch den Wald begleiteten. Wie Säulen ragten sie links und rechts von ihm auf, während Cian über den staubigen Trampelpfad schritt. Die beiden waren zu wölfisch, ihr Grinsen zu hungrig. Aber sie trugen die blauen Kilts der MacGregors und sie brachten ihn zu Jaxson.
Jaxson. Allein der Name sorgte dafür, dass sich Wärme in Cians Magen ausbreitete. Und nicht nur da. Am letzten Abend auf der Burg der MacGregors hatte sein Zukünftiger es gewagt, ihn zu küssen. Und weit mehr zu tun. Warme Finger waren unter Cians Kilt gewandert und beinahe hätte er vergessen, dass er bis zur Verbindung unschuldig bleiben musste. Die MacGregors hatten strenge Traditionen. Weit strengere als die MacKays, zu denen Cian gehörte.
Verdammte Traditionen, dachte Cian und schockierte sich damit selbst. Er war der älteste Omega der MacKays, Sohn des Rudel-Chiefs und jüngerer Bruder des künftigen Anführers Caelan. Er wusste, was sich gehörte.
Entschlossen straffte er sich und marschierte noch aufrechter voran. Seine Stiefel, einst blank geputzt, starrten vor Dreck, seit sie den Wald erreicht hatten. Seine Füße schmerzten. Und doch genoss er die frische Luft, die erdige Kühle und den goldenen Sonnenschein, der den Boden sprenkelte und sein Gesicht wärmte, wenn er einen der hellen Strahlen durchquerte.
Es wurden weniger und weniger. Je dichter das Blätterdach über ihnen wurde, desto mehr fröstelte Cian. Doch er ließ sich nichts anmerken. Er war daran gewöhnt, sich nichts anmerken zu lassen. Als ältester Omega hatte er stets ein Vorbild für seine jüngeren Brüder sein müssen.
»Wie lange sind wir noch unterwegs?«, fragte Cian den Wächter zu seiner Linken. Jaxson hatte sie geschickt. Nun, da der Krieg vorbei war, hatte er Cian aus dem sicheren Kloster geholt, damit ihre Verbindungszeremonie endlich stattfinden konnte. »Wann kommen wir auf der Burg der MacGregors an?«
»Dauert 'ne Weile.« Das Grinsen des Alphas war wirklich unverschämt. Gelbe Reißzähne wuchsen aus seinem bärtigen Gesicht und die Blicke, die über Cians Körper wanderten, waren vollkommen unangemessen. »Zehn Tage ungefähr. Aber die Zeit wird uns nicht lang. Oder, mein Hübscher?«
»Mein Name ist Cian MacKay«, sagte Cian hoheitsvoll. »Ich bin der älteste Omegasohn des Rudel-Chiefs und verlange, mit Respekt behandelt zu werden.«
»Tschuldigung.« Die beiden wechselten einen Blick über seinen Kopf hinweg, den Cian ignorierte. Er hasste es, wie sie ihn anschauten. Hungrig. Diese beiden Kerle, die Jaxson geschickt hatte, hatten keinerlei Manieren. Waren alle Alpha-Kämpfer des MacGregor-Rudels so schlecht erzogen? Er würde mit Jaxson darüber reden, sobald sie als Partner verbunden waren. Sobald er der Omega des nächsten MacGregor-Rudel-Chiefs war.
»Zehn Tage, ja?« Cian unterdrückte ein Seufzen. Seine Füße schmerzten bereits jetzt. Er war nicht daran gewöhnt, so weite Strecken zu laufen. Nicht mal in Wolfsform.
»Mehr oder weniger.« Der rechte Alpha zuckte mit den Schultern. »Erst durch Cairnsgorms und den Wald, dann ein Stück am Fluss entlang und dann über Muir of Ord ins MacGregor-Gebiet. Das dauert.«
»Keine Angst.« Der andere bleckte die gelben Zähne. »Wir beschützen dich. Sogar vor dem Tier.«
»Der Mistkerl soll hier auftauchen.« Tiefe Falten gruben sich in die Mundwinkel des Alphas. Sein Gesicht erinnerte an das eines mürrischen Ochsen. »Den schlitzen wir auf und stopfen sein Loch mit unseren Ruten.«
Cian war zu schockiert über seine Wortwahl, um zu protestieren. Und zu neugierig. »Welches Tier?«, fragte er. »Ein Wildschwein?«
Der Ochse lachte meckernd. »Nein, Kleiner. Das Tier.« Er betonte das Wort, als sollte es Cian etwas sagen.
»Was immer dieses Tier ist«, sagte er und legte genau das richtige Maß Missbilligung in seine Stimme, »ich habe weder im Kloster noch daheim von ihm gehört. Es kann nicht so gefährlich sein. Habt ihr etwa Angst vor einem simplen Keiler?«
»Es ist kein Schwein!«, schnappte Gelbzahn. »Es ist ein Mann. Ein Wolfswandler, wie wir. Nur –« Er zögerte sichtlich.
»Nur was?« Cian ärgerte sich über das ängstliche Flattern in seiner Magengrube. Es ließ sich doch nicht von diesen lächerlichen Märchen ins Bockshorn jagen.
»Es ist ein Wolf ohne Rudel.«
Cian sah ihn schockiert an. »Ein Wolf ohne Rudel? Wie ist es möglich, dass er noch lebt?«
»Er ist verflucht«, sagte Gelbzahn. Er klang angespannt. Der Wald um sie herum schien sich zusammenzuziehen. »Er muss tausend Kehlen durchbeißen, bis er endlich sterben kann.«
»Was laberst du da?« Der andere schnaubte. »Er tötet aus Spaß. Ohne Rudel ist er wahnsinnig geworden und mordet jeden, der seinen Weg kreuzt. Letztes Jahr hat er den Kumpel von meinem Bruder erwischt, als der bei Muir of Ord unterwegs war. Mitten im Wald hat er ihn aufgeschlitzt. Als sie ihn gefunden haben, hat er schon gemodert wie ein alter Misthaufen.«
Cian schluckte. Dann hob er das Kinn. »Lächerlich. Es gibt keine Wölfe ohne Rudel.« Er zögerte. »Wir müssen auch durch Muir of Ord, richtig?«
»Hat der Schöne etwa Angst?« Gelbzahn grinste. »Keine Sorge, wir beschützen dich. Sogar vor dem Tier.«
»Einem Tier, das es nicht gibt?« Cian schenkte ihm keinen Blick. »Eine großartige Leistung.«
»Das Tier gibt es«, sagte der Ochse düster. »Sonst hätte es den Kumpel von meinem Bruder ja nicht ermorden können.«
Cian ignorierte ihn. Es gab kein Tier. Das nervöse Flattern in seinem Bauch wurde nur von der Vorfreude auf das Wiedersehen mit Jaxson verursacht, keineswegs von Angst vor einem Fabeltier, das hinter den dichten Baumstämmen links und rechts lauern könnte. In der Finsternis jenseits des Weges.
Es wurde immer dunkler. Nur noch vereinzelt drang ein Sonnenstrahl durch die Baumkronen der Eichen und Rotbuchen. Der Pfad, über den sie gingen, wurde immer enger. Mehrfach berührte einer der Wächter Cian, strichen deren Ellenbogen gegen seine Arme. Sie waren von Gänsehaut bedeckt. Er hatte geglaubt, gut angezogen zu sein, mit dem dicken Kilt, den schwarzen Stiefeln aus weichem Leder und dem leichten, karierten Umhang, den er über seinem weißen Hemd trug. Aber nun war ihm kalt. Es roch nach Sommer, aber die Wärme war ausgesperrt, irgendwo über ihren Köpfen. Über dem dichten Blätterdach. Sowieso war es der kälteste Sommer, seit er denken konnte.
»Tschuldigung.« Gelbzahn grinste ihn an, als sein Arm mal wieder Cians Schulter berührte. »Ist eng hier.«
»Ich mag's eng«, sagte der Ochse und lachte. Cian war nicht klar, warum. Aber ihm war klar, dass diese beiden Wächter sich äußerst unangemessen verhielten. Wut stieg in ihm auf, der Trotz, den sein Vater stets versucht hatte, ihm auszutreiben.
»Gehen wir voreinander her«, sagte er beherrscht. »Wenn einer vorne und einer hinten ist, könnt ihr mich immer noch angemessen beschützen, vermute ich.«
»Wenn einer vorne und einer hinten ist, können wir noch etwas ganz anderes machen.«
»Euch ist klar, dass ich der zukünftige Erste Omega des MacGregor-Clans bin?« Cian reckte das Kinn in die Höhe, bis er dem Alpha beinahe bis zum Schlüsselbein reichte. Der nickte hastig.
Cian hasste es, dass sie so riesig waren. Für einen Omega war er durchschnittlich groß, aber sehr zierlich. Wunderbar zierlich, wie Jaxson ihm beteuert hatte. Wie sehr viele Männer ihm beteuert hatten. Nicht, dass er das wollte. Aber er war mit milchweißer Haut, goldblondem Haar und einem anmutigen Gesicht geboren, da blieb das leider nicht aus. Mehrfach war ihm versichert worden, er sei der schönste Omega, den man je gesehen hatte. Einmal war ein Alpha von einer Leiter gefallen, nur, weil Cian an ihm vorbeigegangen war. Regelmäßig liefen sie in etwas hinein, wenn er in der Nähe war. Es amüsierte ihn nicht. Na gut, vielleicht ein wenig.
»Dann ist das ja geklärt.« Er marschierte voraus und einer der Männer musste sich beeilen, um sich vor ihn zu setzen. Gut so.
Cian fragte sich, wie es zuhause aussah. Er war nicht auf der Burg gewesen, als die Sutherlands angegriffen und seinen Bruder Connor getötet hatten. Als sie die Omegas geschändet hatten. Seine Freunde, seine Brüder. Es schmerzte ihn, was sie hatten ertragen müssen. Und doch war er ein wenig erleichtert, tief in seinem feigen Herzen. Hätte Jaxson ihn noch gewollt, wenn sich die Sutherlands an ihm vergangen hätten?
Er schüttelte beschämt den Kopf. So viele seines Rudels waren getötet worden und er hing Gedanken an seinen Geliebten nach. Sobald sie ihn zu Jaxson gebracht hatten, sobald er ein MacGregor war, würde er mit ihm nach Hause gehen, zur Burg der MacKays und nach seinem alten Rudel sehen. Sehen, wie er ihnen helfen konnte, mit dem Geld der MacGregors.
Sein Herz wurde schwer bei dem Gedanken an die alten Mauern, die er nur noch selten sehen würde, wenn er auf der Burg der MacGregors lebte. Die Zinnen, die über seinem Kopf in den Himmel geragt hatten, der Geruch nach Stroh und Stein, die Stimmen seiner Brüder. Selbst die seiner Alpha-Brüder, die er nur selten gesehen hatte. Ruben, Connor und Caelan. Nur Caelan hatte den Angriff der Sutherlands überlebt. Er hatte sie im Süden geschlagen und sich gerächt. Caelan, der jüngste Alpha, würde der nächste Rudel-Chief werden. All das hatten die Mönche ihm erzählt. Lange, nachdem es geschehen war. Er wusste nicht, was er getan hätte, wenn sie es ihm früher gesagt hätten. Vermutlich wäre er aus dem Kloster geflohen, um bei seiner Familie zu sein. Hätte er sie gefunden, versteckt in den Highlands? Was hätte es ihnen gebracht, ihn dabei zu haben? Ein Omega konnte nicht kämpfen. Trotzdem hätte er bei ihnen sein müssen. Ein Wolf gehörte zu seinem Rudel.
Einer der beiden Alphas unterbrach seine trübsinnigen Gedanken.
»Moment. Ich muss schiffen.« Schon trat der Ochse ans nächstbeste Gebüsch und hob den Kilt. Abscheulich.
Cian drehte sich um und befahl seinen Wangen, nicht zu erröten. Er ignorierte das Plätschern und ballte die Fäuste. Einen Moment lang flatterte etwas durch seine Brust. Er spürte etwas, in der Finsternis hinter den Baumstämmen.
Er ist hier, dachte er und schalt sich im nächsten Moment selbst. Da war gar nichts. Nur Bäume, Blätter, er selbst und zwei Alphas, von denen einer sich laut stöhnend erleichterte.
»Hast du einen Brunnen ausgesoffen?« Gelbzahn feixte.
Wie redeten die beiden in seiner Gegenwart? Kälte kroch durch Cians Magen. Eine leise Brise strich durch das Unterholz und über seine nackten Unterschenkel. Am liebsten hätte er sich verwandelt und wäre weggerannt, weit weg von diesen ungehobelten Kerlen.
Sei nicht dumm, flüsterte er seinem ängstlichen Wolf zu. Jaxson hat sie geschickt. Sie bringen dich zu ihm. Nur noch zehn Tage und du bist bei ihm.
»Weiter geht's.« Der widerliche Alpha richtete offenbar seinen Kilt, wenn Cian das Rascheln des Stoffs richtig deutete. Schwere Schritte erklangen hinter ihm. »Es sei denn, der zukünftige Erste Omega muss auch mal.«
Cian musste, sogar dringend. Aber er würde sich nicht vor diesen Grobianen erleichtern. Er hasste es, wenn andere dabei zusahen. Vor allem Kerle wie diese. Vermutlich würden sie versuchen, einen Blick auf seine Rute zu erhaschen.
»Nein, danke«, sagte er kühl. »Ich danke dir für deine Sorge, aber ich möchte heute noch ein gutes Stück des Wegs zurücklegen.«
»Ist gut.«
Endlich ging es weiter. Cian wollte seufzen und jammern, aber er biss die Zähne zusammen. Seine Zehen fühlten sich an, als seien sie blutig. Die Ferse scheuerte in den Stiefeln, die ihm im Kloster noch so weich und bequem vorgekommen waren. Dort, wo er versehentlich dem Angriff der Sutherlands entgangen war. Nur, weil er sich vor seiner Verbindung mit Jaxson in Kräuterkunde hatte weiterbilden wollen. Weil er nützlich sein wollte, nicht nur ein hübsches Gesicht an Jaxsons Seite.
Ein halbes Jahr lang hatte er dort ausgeharrt und war träge und schlaff geworden. Nun, teilweise. Er hatte die Hitze dort verbracht. Die Omega-Mönche sperrten sich zu dieser Zeit in ihren Zellen ein. Und es waren Zellen. Eine Pritsche und kahler Boden waren alles, was Cian in dieser Zeit gesehen hatte, in der er sich fiebrig und lüstern auf der dünnen Strohmatratze gewunden hatte.
Jeden Tag hatte er mit sich gekämpft und gewonnen, hatte es geschafft, die Hände bei sich zu behalten und rein und keusch zu bleiben. Es waren die furchtbarsten Qualen gewesen, die er je erlebt hatte. Es war nicht die erste Hitze gewesen, aber die erste, seit Jaxson ihn berührt hatte. Jede Nacht hatte er von seinem Verlobten geträumt, nur um besudelt aufzuwachen, die erkaltenden Spuren seiner Lust noch auf den Schenkeln.
Den Schenkeln, die er jetzt am liebsten zusammen gepresst hätte. So gern hätte er einfach den Kilt gehoben und sein Wasser laufen gelassen. Doch er stapfte voran. Lange. Er hatte gedacht, es könnte nicht dunkler werden, doch das Licht verschwand mehr und mehr, obwohl es erst Nachmittag war. Die Rufe der Vögel wurden gedämpft und ein dichtes Blättermeer bedeckte den Pfad und breitete sich vor ihnen aus wie ein schmutzig brauner Fluss.
Cian hielt bis zum letzten Moment aus. Erst, als er fürchtete, die Kontrolle über seine Blase zu verlieren, hielt er an. Und nur der Gedanke an die feixenden Gesichter der beiden Alphas, wenn er mit nassen Beinen vor ihnen stehen würde, brachte ihn dazu, zu sprechen.
»Ich muss kurz austreten. Dreht euch um.«
Das wölfische Grinsen des Ochsen war unerträglich. »So, so. Also doch.« Seine Augen glänzten gierig. »Na dann mach mal.«
»Dreht euch um!«, fauchte Cian. Er hatte genug von der Frechheit seiner Begleiter. Sein vermaledeites Temperament war nicht mehr zu zügeln. »Oder ich erzähle Jaxson, wie ihr mich behandelt habt! Der wird euch prügeln und von der Burg jagen, das verspreche ich euch!«
Sie hätten zurückschrecken müssen. Angst hätte in ihre Mienen kriechen müssen, Unsicherheit in ihre Züge. Doch sie kamen näher. Schritt für Schritt drängten sie Cian zurück, bis er mit dem Rücken an einem Baumstamm endete.
»Was soll das?« Panik verkrampfte seinen Magen. »Zurück mit euch!«
»Kleiner Goldschopf.« Beide lächelten und einen Moment wirkten sie wie Zwillinge aus der Unterwelt.
Ihr säuerlicher Schweißgeruch verpestete seine Nase. Darunter lag etwas, das er nicht wahrhaben wollte: Lust. Der wilde Geruch der Paarungsbereitschaft hätte ihm alles gesagt, selbst, wenn er die harten Ausbuchtungen unter ihren Kilts nicht gesehen hätte.
Der Ochse streckte die Hand nach ihm aus. »Kleiner Auerhahn. Du wirst uns schön dein kleines Schwänzchen zeigen und wenn du gepullert hast, drehst DU dich um, nicht wir. Und dann wirst du geritten, bis der große Wolf den Mond anheult.«
Nein, dachte Cian. Nein, das können sie nicht ernst meinen.
»Ihr seid MacGregors.« Er deutete auf ihre Kilts. »Euer nächster Rudel-Chief hat euch befohlen, mich unversehrt zu euch zu bringen.«
»Ach, Kleiner.« Die stinkende Pfote streichelte Cians Wange. »Wir wollten die Überraschung eigentlich aufsparen.«
»Welche Überraschung?«, fragte Cian, obwohl er sicher war, dass er diese Überraschung hassen würde.«
Ein stinkender Mund voller Reißzähne näherte sich. »Wir sind gar keine MacGregors. Wir sind Sutherlands.«
Cian schlug die Hand aus seinem Gesicht, drehte sich um und rannte. Durch das dichte Unterholz, über knackende Zweige und Reisig und Dornen. Panik ließ ihn die Schmerzen ignorieren, als sie seine Beine aufrissen. Feuer brannte in seinen Lungen, doch er rannte weiter.
Er kam nicht weit. Schon Sekunden, nachdem er in die Finsternis geflüchtet war, packte eine harte Hand ihn und riss ihn zurück.
»Oh, Kleiner.« Der Ochse lachte. Fauliger Atmen schlug Cian ins Gesicht. »Das wird Spaß machen.«
Stoff riss und plötzlich war Cians Unterleib bloß. Die Kälte drang in seine Haut und seine empfindlichen Genitalien.
»Da ist er ja!« Gelbzahn hielt Cian fest, verdrehte ihm die Arme auf dem Rücken, während der Ochse bewundernd auf Cians Körpermitte starrte. »Hübscher Anblick. Weißt du was, ich nehm ihn von vorne.« Schon gruben sich Krallen in Cians Oberschenkel und drängten sie auseinander.
»Nein!«, brüllte Cian. Und verlor die Kontrolle. Heißer Urin spritzte über die Vorderseite des Alphas, der ihn mit einem Aufschrei losließ. Er taumelte mehrere Schritte zurück, bevor er in Sicherheit war. Nass und wütend starrte er Cian an.
»Du kleiner Scheißer!«
»Pisser, meinst du.« Gelbzahn lachte dröhnend. »Oh Mann, du hattest eh ein Bad nötig, aber jetzt stinkst du noch mehr als vorher!«
»Halt die Fresse! Ich bring ihn um.«
Panik krallte sich in Cians Brust. Heiße Flüssigkeit rann über seine zitternden Schenkel. Nein! Er wollte nicht sterben, wollte leben, wollte bei Jaxson sein.
Er verwandelte sich. Blitzschnell, so sehr, dass der Schmerz bis in seine Knochen schoss. Arme wurden zu Vorderläufen, Gesicht zu Schnauze. Ein Schwall Gerüche stürzte auf ihn ein. Er fiel. Aber als Wolf schaffte er es, sich aus dem Griff des Alphas zu winden. Es geschah unbewusst. Normalerweise verbrachte Cian so wenig Zeit wie möglich als Wolf. Es war ewig her, dass er ich zuletzt verwandelt hatte.
Er hatte kaum realisiert, was geschehen war, als er schon durch das Unterholz hetzte. Dornen rissen ihm Fellbüschel aus, hinterließen schmerzhafte Kratzer, aber er rannte. Der Wolf wusste, was er tat.
Leider war Cian zu schwach. Die lange Zeit im Kloster hatte seine Muskeln weich werden lassen. Seine Lungen brannten und gerade, als er aus dem Unterholz brach und vierpfötig auf eine Lichtung taumelte, erwischten sie ihn.
Zähne schlossen sich um seinen Nacken. Er stürzte. Landete mit der Schnauze im Dreck und kam jaulend auf. Er roch Urin im Fell des anderen Wolfs und wusste, welcher es war. Der, der ihn umbringen wollte. Cian winselte, fiepte unterwürfig und hoffte, dass das den Ochsen gnädiger stimmen würde. Tat es nicht. Dessen Reißzähne gruben sich nur umso fester in sein Fleisch. Blut lief an seinem Hals entlang. Grelle Lichter blitzten vor seinen Augen.
Ich werde hier sterben, dachte er. Ich werde hier sterben und diese beiden Bastarde werden meine Unschuld rauben, wenn ich selbst längst tot bin.
Tränen quollen aus seinen Augen. Das Atmen fiel zusehends schwerer und gerade, als er glaubte, das Bewusstsein zu verlieren, drängte der Wolf über ihm seine Hinterläufe auseinander. Nein! Er spürte etwas Heißes, Hartes an seinem Loch und versuchte, sich wegzudrehen, sich zu winden. Aber der Alpha war zu stark.
Nein!
In seinem Augenwinkel blitzte etwas Rotes. Nasses Reißen ertönte. Etwas Schweres prallte gegen Cian und den Alpha und schob sie über den Blätterboden. Dann schmeckte er Blut und roch Fell. Der Biss in seinem Nacken lockerte sich. Der unbarmherzige Druck auf seiner Pforte verschwand. Es war dunkel.
Ein Wolfsleib war auf ihm gelandet. Er spürte rasselnden Atem, fühlte ein krampfhaftes Zucken, das den Körper auf ihm erfasste, und dann nichts mehr. Gar nichts. Der Wolf über ihm erschlaffte und wurde schwer. Voll Ekel schüttelte Cian ihn ab. Der Wolf landete mit einem dumpfen Laut im Moos und gab den Blick auf den Rest der Lichtung frei.
Zwei Wölfe standen sich gegenüber. Der eine mit nassem Fell, der Ochse, der Cian beinahe geschändet hätte.
Und ein Monster.
Der gigantischste graue Wolf, den er je gesehen hatte, knurrte seinen Angreifer an, das Nackenfell gesträubt und die Zähne gebleckt. Blut tropfte von einer Wunde an seiner Flanke. Nicht alles an ihm war grau. Über Gesicht und Schultern zogen sich grässliche Narben, rot und wulstig. Auch in der Nase war ein tiefer Schnitt. Grauenerregend.
Doch als der Graue knurrte, geschah etwas Seltsames: Cian spürte ihn. Über die Entfernung hinweg füllte die Anwesenheit des riesigen Wolfs seinen ganzen Geist.
Ihn habe ich vorhin gespürt, dachte Cian und schluckte. Panisch robbte er rückwärts, stieß mit dem Rücken gegen einen Baumstamm und schaffte es doch nicht, den Blick von den beiden Wölfen zu reißen, die sich vor ihm umkreisten.
Der Ochse duckte sich und sprang. Der Graue ebenfalls. Er war so schnell, dass er wie ein Schemen in der Luft wirkte. Seine Kiefer schnappten zu. Blut spritzte. Blätter stoben auf. Der Ochse fiel zu Boden. Und in seiner Kehle klaffte ein dunkles Loch. Ein entsetzliches Pfeifen erklang, als er Luft holte, die nassen Ränder zitterten. Ein weiteres Pfeifen, ein Aufbäumen, ein Zittern. Dann erschlaffte sein Körper.
Cian starrte. Panik schnürte seine Kehle zu. Der Graue schüttelte sich, knurrte durch rote Zähne hindurch und dann wandte er den Kopf. Sein Blick war das Kälteste, das Cian je erlebt hatte. Kälter als die Klostermauern bei Nacht, wenn sie im Winter zu Eis gefroren. Er wimmerte.
Es hatte keinen Sinn: Bebend warf er sich vor dem Grauen auf den Rücken und bot ihm seine Kehle an. Der Wolf in ihm wusste wieder, was zu tun war. Wenn das Monster auch nur einen Funken Anstand besaß, würde er einen Omega verschonen, der sich freiwillig unterwarf. Nun, er würde ihn nicht töten. Ein Schluchzen drängte Cians Hals hoch, als der Graue näherkam. Er würde ihn schänden. Das wusste er. Der Graue würde seine Hinterläufe auseinanderdrängen, so wie der Alpha vorhin und diesmal würde niemand ihn aufhalten. Er würde sich das nehmen, was Jaxson gehörte. Cian schluchzte verzweifelt.
Der Graue wandte sich ab.
Bebend sah Cian zu, wie der gigantische Wolf im Unterholz verschwand. Er richtete sich langsam auf. Verwandelte sich wie in Trance, zitternd und schluchzend. Ungläubig betrachtete er die Lichtung.
»Ich lebe«, flüsterte er. Der Ochse und Gelbzahn waren tot. Ihre schlaffen Leiber lagen auf verrottenden Blättern. Cian stand auf, wankte und betrachtete sie. Weiße Augen starrten ins Nichts. Blut befleckte den Boden. Nicht nur Blut. Alle Körperöffnungen hatten ihren Inhalt freigegeben und der Gestank war unbeschreiblich. Cian würgte trocken und stolperte von der Lichtung. In die Richtung, aus der er gekommen war. In der der Pfad lag und seine Kleidung.
Und der graue Wolf. Der sich in einen Mann verwandelt hatte. Struppige schwarze Haare hingen über den gigantischen Rücken des Riesen. Cian zögerte, als er ihn hinter den Baumstämmen erblickte. Ein Riese, der auf dem Boden hockte und die Kilts der Sutherlands durchwühlte. Die Kilts in MacGregor-Farben. Was war hier los?
Cian ballte die Fäuste. Sie waren kalt und nass. Eisige Luft quälte seine nackte Haut.
Es wäre klüger, stehenzubleiben. Zu warten, bis der vernarbte Wolf mit seiner Plünderung fertig war und ging. Als Mann waren seine Narben noch grauenerregender. Sie zogen sich über das halbe Gesicht. Tiefe Schnitte verunstalteten Lippen und Nase und ein Ohr fehlte. Da er nackt war, konnte Cian alles sehen. Die unregelmäßigen Schnittnarben auf dem Rücken und die Brandnarben auf der Vorderseite. Was war mit dem armen Mann geschehen?
Der Mann richtete sich auf und Cian sah noch mehr. Mehr als er geglaubt hatte, dass möglich sei. Zwischen den Schenkeln des Riesen baumelte das größte Gemächt, das er je erblickt hatte. Er schluckte. Versuchte, den Blick von der fleischigen Masse abzuwenden, aber es ging nicht. Beschämt spürte er, dass seine eigene Rute prall wurde.
Jaxson, dachte er verzweifelt, aber es half nicht. Er spürte den Riesen. Als würde ein Abbild seines Geistes in Cians Körper fahren.
Wie groß die Rute des Grauen wohl war, wenn er erregt war? Cian schockierte sich selbst mit dem Gedanken.
Sei froh, dass er kein Interesse an dir gezeigt hat, dachte er. Das hättest du nicht überlebt.
Der Riese erhob sich, schnupperte und wandte den Kopf. Und in diesem Moment wurde Cian klar, wen er vor sich hatte.
»Was willst du?«, fragte das Tier.