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Elfter Brief.
Antwort.

Inhaltsverzeichnis

Ersparen Sie sich, mein Herr, eitele Drohungen, die mich nicht schrecken, und ungerechte Vorwürfe, die mich nicht demüthigen können. Merken Sie sich, daß es zwischen zwei Personen im nämlichen Alter keinen anderen Verführer giebt als die Liebe, und daß es sich für Sie durchaus nicht schicken will, einen Mann herabzuwürdigen, den Ihre Tochter mit ihrer Achtung beehrt hat.

Welches Opfer wagen Sie mir aufzulegen und mit welchem Rechte fordern Sie es? Soll ich dem Urheber aller meiner Leiden meine letzte Hoffnung opfern? Ich will den Vater Juliens achten, aber möge er einwilligen, der meinige zu sein, wenn ich ihm soll gehorchen lernen. Nein, mein Herr, nein! welche Meinung Sie auch von Ihrer Handlungsweise haben, sie verpflichtet mich nicht, Ihretwegen am Rechte zu verzichten, die mir so theuer und von meinem Herzen so wohl erworben sind. Sie sind es, der mich unglücklich macht. Ich bin Ihnen nichts schuldig als Haß, und Sie haben nichts von mir zu fordern. Julie hat gesprochen: hier ist meine Einwilligung, Ach! möge sie immer nur Gehorsam finden! Ein Anderer wird sie besitzen; aber ich werde ihrer würdiger sein.

Wenn Ihre Tochter mich gewürdigt hätte, meine Ansicht über die Grenzen Ihres Ansehens zu begehren, so zweifeln Sie nicht, daß ich ihr gelehrt hätte, Ihren ungerechten Prätensionen Widerstand zu leisten. Welcher Art die Herrschaft sei, die Sie mißbrauchen, meine Rechte sind heiliger als die Ihrigen; das Band, welches uns umflicht, ist die Grenze der väterlichen Macht, selbst vor den menschlichen Tribunalen, und wenn Sie für sich die Natur in Anspruch nehmen, nein! Sie sind es, der ihren Gesetzen trotzt.

Führen Sie mir auch nicht jene so wunderliche und so delicate Art Ehre an, die Sie rächen müßten, wie Sie sagen; Niemand beleidigt sie als Sie selbst. Achten Sie Juliens Wohl, und Ihre Ehre ist in Sicherheit; denn mein Herz ehrt Sie, Ihren Schmähungen zum Trotz, und allen veralteten Maximen zum Trotz wird die Verbindung mit einem rechtschaffenen Manne nie einen Anderen entehren. Wenn meine Präsumption Sie beleidigt, wohl, greifen Sie mein Leben an; ich werde es gegen Sie nimmermehr vertheidigen. Uebrigens mache ich mir sehr wenig daraus, zu erfahren, worin die Ehre eines Edelmannes besteht; was aber die Ehre eines braven Mannes betrifft, so ist diese mein, ich weiß sie zu vertheidigen, und werde sie rein und unbefleckt erhalten bis zum letzten Hauche.

Auf denn, barbarischer Vater, wenig würdig eines so süßen Namens; auf, und sinnen Sie scheußlichen Seelenmord, während eine zärtliche und unterwürfige Tochter ihr Glück Ihren Vorurtheilen opfert! Ihre Reue wird mich eines Tages rächen für die Leiden, die Sie mir bereiten, und zu spät werden Sie fühlen, daß Ihr blinder, unnatürlicher Haß Ihnen nicht minder verderblich war als mir. Ich werde unglücklich sein, ohne Zweifel; aber, wenn je die Stimme des Blutes sich im Grunde Ihres Herzens erhebt, um wie viel mehr werden Sie es sein, daß Sie Hirngespinnsten die einzige Frucht Ihrer Liebe opferten, einzig in der Welt an Schönheit, an Verdienst, an Tugend, und der der Himmel, verschwenderisch mit seinen Gaben, nichts versagt hat, als einen besseren Vater.

Billet.
eingeschlossen in den vorigen Brief.

Ich gebe Iulien von Étange das Recht zurück, über sich zu verfügen, und ihre Hand zu vergeben, ohne ihr Herz zu fragen.

S. P.

Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe)

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