Читать книгу Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean-Jacques Rousseau - Страница 126
Zweiundzwanzigster Brief.
Antwort.
ОглавлениеJunger Mann, du schwärmst in's Blaue hinaus: sei bescheidener, gieb nicht Rath, indem du Rath verlangst; ich habe andere Leiden gekostet als du. Meine Seele ist fest; ich bin Engländer. Ich weiß zu sterben; denn ich weiß zu leben, als Mann zu dulden. Ich habe dem Tode in die Augen gesehen, und er ist mir zu gleichgültig, um ihn zu suchen. Reden wir von dir.
Es ist wahr, du warst mir nothwendig; meine Seele bedurfte der deinigen; dein Beistand konnte mir nützlich werden, dein Geist konnte mir in der wichtigsten Angelegenheit meines Lebens zur Klarheit verhelfen; wenn ich mir ihn nicht zu nutze mache, wem giebst du die Schuld? Wo ist er? was ist aus ihm geworden? wozu bist du nütze in dem Zustande, worin du dich befindest? welche Dienste kann ich von dir hoffen? Ein sinnloser Schmerz macht dich stumpf für Alles und mitleidslos: du bist kein Mann, bist nichts; und wenn ich nicht erwöge, was du sein könntest, so wie du bist, wüßte ich nichts in der Welt, was tiefer stände, als du.
Ich will nichts zum Beweise nehmen, als dein Schreiben selbst. Ehemals fand ich bei dir Sinn, Wahrhaftigkeit; du empfandest natürlich, dachtest richtig, und ich liebte dich, nicht blos aus Neigung, sondern aus Wahl, als ein Mittel mehr für mich, die Weisheit anzubauen. Was hab' ich aber nun in den Entwicklungen dieses Schreibens gefunden, womit du so zufrieden scheinst? Durchgehends eine jämmerliche Sophisterei, die in der Verirrung deines Verstandes zugleich die Verirrung deines Herzens erkennen läßt, und die ich nicht einmal aufzudecken der Mühe werth hielte, wenn ich nicht Mitleid hätte mit deiner Raserei.
Um das Alles mit einem einzigen Worte umzustoßen, will ich dich nur Eines fragen: Du, der du an das Dasein Gottes, an die Unsterblichkeit der Seele und an die Freiheit des Menschen glaubst, nimmst zweifelsohne nicht an, daß ein vernunftbegabtes Wesen auf gut Glück einen Körper empfange und auf die Welt gesetzt werde, um da zu sein, zu leben und zu sterben? Es hat denn doch vielleicht das Leben einen Zweck, ein Ziel, eine sittliche Bedeutung, wie? Ich bitte dich, mir bestimmt hierauf zu antworten; danach wollen wir Punkt für Punkt deinen Brief vornehmen, und du wirst erröthen, daß du ihn geschrieben hast.
Aber lassen wir die allgemeinen Sätze, womit man oft viel Lärm macht, ohne je einem nachzuleben; denn es findet sich bei der Anwendung immer irgend ein besonderer Umstand, welcher dergestalt die Lage der Sache verändert, daß Jeder sich der Pflicht überhoben glaubt, die Regel zu befolgen, die er Andern vorschreibt; es ist ja bekannt, daß Jeder, der allgemeine Grundsätze aufstellt, der Meinung ist, daß sie alle Welt binden, nur nicht ihn. Noch einmal, reden wir von dir.
Es ist dir also erlaubt, meinst du, deinem Leben ein Ende zu machen? Ich möchte doch wohl wissen, ob du einen Anfang gemacht hast. Wie! Wurdest du in die Welt gesetzt, um nichts zu thun? Hat dir der Himmel nicht mit dem Leben eine Aufgabe zu erfüllen gegeben? Wenn du dein Tagewerk vor dem Abend fertig hast, so ruhe dich die übrige Zeit, du darfst es: aber laß dein Werk sehen. Welche Antwort hast du für den höchsten Richter bereit, wenn er dir Rechenschaft von der Anwendung deiner Zeit abfordert? Sprich, was wirst du antworten? Ich habe ein sittsames Mädchen verführt; ich habe einen Freund in seinem Kummer verlassen. Unglücklicher! zeige mir doch den Gerechten, der sich rühmen kann, genug gelebt zuhaben, damit ich von ihm lerne, wie man das Leben getragen haben muß, um das Recht zu haben, es zu verlassen.
Du rechnest die Leiden der Menschheit auf, schämst dich nicht, hundertmal widerlegte Gemeinplätze auszubeuten, und sagst: das Leben ist ein Uebel. Aber schau umher, suche, ob du in der Ordnung der Dinge irgendwo Gutes findest, das nicht Uebel zur Seite habe. Kann man deshalb sagen, daß es kein Gut auf der Welt gebe? Und darfst du das, was seiner Natur nach ein Uebel ist, mit dem vermengen, dem das Uebel nur zufällig anhaftet? Du hast selbst gesagt, das passive Leben des Menschen ist nichts und geht nur einen Leib an, von welchem er bald erlöst sein wird, aber sein actives und moralisches Leben, welches auf sein ganzes Wesen Einfluß haben soll, besteht in seiner Willensübung. Das Leben ist ein Uebel für den Bösen, der gedeiht, und ein Gut für den unglücklichen Redlichen; denn nicht eine vorübergehende Wandlung, sondern seine Beziehung auf seinen Zweck macht es gut oder böse. Was sind es endlich für unerträgliche Schmerzen, die dich zwingen, ihm zu entsagen? Meinst du, ich hätte nicht unter deiner erheuchelten Unparteilichkeit bei der Aufzählung der Uebel des Lebens die Scham erkannt, von deinen eigenen zu sprechen? Folge mir, gieb nicht alle deine Tugenden zugleich daran; bewahre dir wenigstens deine alte Freimüthigkeit, und sage deinem Freunde offen: ich habe die Hoffnung verloren, eine sittsame Frau zu verführen, bin nun gezwungen ein braver Mann zu sein; ich will lieber sterben.
Du bist des Lebens überdrüßig, und sprichst; das Leben ist ein Uebel. Ueber Lang oder Kurz wirst du getröstet sein, und wirst sprechen: das Leben ist ein Gut Es wird wahrer gesprochen, und doch nicht besser gesprochen sein; denn es wird sich nichts geändert haben, als du. Aendere dich also von Stund' an, und da dein ganzes Uebel in deiner üblen Gemütsverfassung liegt, so bessere deine ungeregelten Stimmungen, und verbrenne nicht dein Hans, um dir die Mühe des Aufräumens zu ersparen.
Ich leide, sagst du; hängt es von mir ab, nicht zu leiden? Erstlich ist hiermit der Stand der Frage verschoben; denn es kommt nicht darauf an, ob du leidest, sondern ob das Leben dir zu einem Uebel geworden ist. Sei es. Du leidest, du mußt suchen, des Leides ledig zu werden. Lass sehen, ob es zu diesem Ende nöthig ist, zu sterben.
Nimm einen Augenblick an, daß der natürliche Fortschritt der Seelenleiden dem der körperlichen Leiden gerade entgegengesetzt sei, wie die beiden Substanzen ihrer Natur nach einander entgegengesetzt sind. Jene wurzeln ein, verschlimmern sich mit der Zeit, und zerstören endlich diese sterbliche Maschine. Diese dagegen, äußerliche und vorübergehende Verstimmungen eines unsterblichen und einfachen Wesens, vergehen allmählig, und lassen es in seiner ursprünglichen Beschaffenheit zurück, die unwandelbar ist. Betrübniß, Ueberdruß, Trauer, Verzweiflung sind Schmerzen von kurzer Dauer, die sich nie im Gemüthe festwurzeln, und die Erfahrung straft jedesmal das bittere Gefühl Lügen, das uns unsere Leiden zu ewigen macht. Noch mehr: ich kann nicht glauben, daß die Laster, die uns bestricken, tiefer in uns haften, als unsere Bekümmernisse. Nicht nur denke ich, daß sie mit dem Leibe vergehen, dem sie ihren Ursprung verdanken, sondern ich zweifle gar nicht, daß schon ein längeres Leben hinreichen würde, um den Menschen zu bessern, und daß wir, wenn wir einige Jahrhunderte in Jugendkraft blüheten, gewiß lernen würden, daß es nichts Besseres giebt als die Tugend.
Doch davon abgesehen, da die meisten unserer leiblichen Uebel nur immer wachsen, so können heftige Schmerzen, wenn sie unheilbar sind, einen Menschen berechtigen, über sich zu verfügen; denn da der Schmerz alle seine Kräfte lähmt und das Uebel nicht gehoben werden kann, entgeht ihm der freie Gebrauch seines Willens und seiner Vernunft für immer; er hört vor seinem Tode auf, Mensch zu sein, und vollendet nur, indem er das Leben aufgiebt, die Vernichtung eines Leibes, der ihn hindert, und in welchem seine Seele schon nicht mehr heimisch ist.
Aber mit den Seelenschmerzen ist es nicht ebenso, da diese, wenn sie noch so heftig sind, stets ihre Heilung in sich tragen. In der That, was macht ein Uebel unerträglich? Seine Dauer. Die chirurgischen Operationen sind gemeinlich weit schmerzhafter als die Leiden, die durch sie beseitigt werden sollen, aber der Schmerz, den die Krankheit verursacht, wühlt unablässig fort, der, welchen die Operation verursacht, ist vorübergehend, und so zieht man diesen vor. Was bedarf es also der Operation bei Schmerzen, die an ihrer eigenen Dauer, die sie unerträglich machen würde, sterben? Ist es vernünftig, gewaltsam Curen gegen Uebel anzuwenden, die von selbst vergehen? Welches von den beiden Mitteln, sich von den nämlichen Leiden zu befreien, ist für Den vorzuziehen, der auf das Beständige hält, und die Jahre nur so gering anschlägt, als sie es verdienen, der Tod oder die heilende Zeit? Warte, und du wirst geheilt sein. Was verlangst du mehr?
Ach! das verdoppelt nur meinen Schmerz, daß ich denke, er könnte enden! .... Eitle Sophisterei des Schmerzes! Redensart ohne Sinn, ohne Wahrheit und vielleicht nicht einmal ehrlich! Was für ein abgeschmackter Grund zur Hoffnungslosigkeit, Hoffnung zu haben, daß der Jammer enden werde [Nein, Milord, man endet auf diese Art nicht seinen Jammer, man setzt ihm die Krone auf; man zerreißt das letzte Band, welches uns an das Glück fesselte. In dem Schmerze um das, was uns lieb war, hängt man noch durch den Schmerz selbst an dem Gegenstande des Schmerzes, und dieser Zustand ist weniger schrecklich, als an nichts mehr zu hängen.]! Und selbst diese närrische Empfindsamkeit zugegeben, wer wollte nicht lieber den gegenwärtigen Schmerz noch einen Augenblick durch die Gewißheit, daß er enden wird, steigern, wie man eine Wunde zur Eiterung bringt, damit sie vernarbe? Und hätte der Schmerz einen Reiz, der ihn uns lieb machte, führt man nicht dann, indem man sich ihn mit dem Leben raubt, gerade das herbei, was man von der Zukunft fürchtet?
Bedenke es wohl, junger Mann, was sind zehn, zwanzig, dreißig Jahre für ein unsterbliches Wesen? Schmerz und Freude gehen vorüber wie ein Schatten: das Leben verrinnt in einem Augenblick: es ist an sich selbst nichts: sein Werth hängt von seiner Anwendung ab. Nur das Gute, das man gethan hat, bleibt, und um dessen willen ist das Leben etwas.
Sage also nicht mehr, daß das Leben ein Uebel für dich sei, da es von dir allein abhängt, es zu einem Gute zu machen, und wenn es in seiner Vergangenheit ein Uebel war, dies nur ein Grund mehr ist, es noch fortzusetzen. Sage auch nicht, daß es dir freistehe, zu sterben; denn mit demselben Rechte könntest du sagen, es stehe dir frei, nicht Mensch zu sein, es stehe dir frei, dich gegen den Urheber deines Daseins aufzulehnen und das Geschick zu betrügen. Aber wenn du hinzusetztest, dein Tod thue Niemanden Leides, hast du wohl bedacht, daß Der, dem du das zu sagen wagst, dein Freund ist?
Dein Tod thut Niemanden Leides! Ich verstehe: unser Verlust kümmert dich nicht, unseren Schmerz rechnest du für nichts. Ich will von den Rechten der Freundschaft gar nichts sagen, die du verachtest; giebt es nicht noch theurere [Rechte theurer als die Freundschaft! Und es ist ein Weiser, der das sagt! Aber der vorgebliche Weise war selbst verliebt.], die es dir zur Pflicht machen, dich zu erhalten? Wenn es eine Person auf der Welt giebt, die dich so geliebt hat, daß sie dich nicht überleben mag, und der dein Glück zu ihrem Glücke fehlt, meinst du, ihr nichts schuldig zu sein? Wird nicht die Ausführung deines traurigen Vorhabens den Frieden einer Seele trüben, die mit so großer Mühe ihre frühere Unschuld wiedererworben hat? Fürchtest du nicht, in diesem zärtlichen Herzen Wunden, die nur schlecht geheilt sind, wieder aufzureißen? Fürchtest du nicht, daß dein Untergang einen anderen nach sich ziehe, der noch härter ist, indem er der Welt und der Tugend ihre würdigste Zierde raubt? Und gesetzt, sie überlebt dich, fürchtest du nicht in ihrem Busen Gewissensbisse aufzuregen, die schwerer zu ertragen sind, als das Leben? Undankbarer Freund, Liebhaber ohne Zartgefühl, willst du immer nur mit dir beschäftigt sein? willst du immer nur an deine Leiden denken? hast du kein Gefühl für das Wohl Deren, die dir theuer war? und kannst du nicht leben um ihrer willen, die mit dir sterben wollte?
Du sprichst von den Pflichten des Staatsbeamten, des Familienvaters, und weil dir nicht diese obliegen, glaubst du dich von allen befreit. Und die Gesellschaft, der du deine Erhaltung, deine Kräfte, deine Einsichten schuldig bist? das Vaterland, dem du angehörst, die Unglücklichen, die deiner bedürfen, bist du denen nichts schuldig? O der genauen Aufzählung, die du machst! Unter den Pflichten, die du aufzählst, vergissest du nur die des Menschen und des Bürgers; wo ist da der tugendhafte Patriot, der sein Blut keinem fremden Fürsten verkaufen will, weil er es nur für sein Vaterland vergießen darf? Er will es jetzt als ein Verzweifelter gegen das ausdrückliche Verbot der Gesetze verschütten. Die Gesetze, die Gesetze, junger Mann! verachtet die der Weise? Der unschuldige Sokrates hat aus Achtung für sie nicht aus dem Gefängnisse entfliehen wollen: du nimmst keinen Anstand, sie zu übertreten, indem du unrechtmäßiger Weise dem Leben entfliehen willst, und fragst noch: was thue ich Uebels?
Du willst dich durch Beispiele rechtfertigen: du wagst es, mir Römer zu nennen. Du und Römer! dir kommt es auch zu, dich auf jene erhabenen Namen zu berufen! Sage doch, ist Brutus als ein verzweifelter Liebhaber gestorben? Hat sich Cato die Brust durchstochen um seine Maitresse? Armseliger, schwacher Mensch, was ist gemein zwischen Cato und dir? Zeige mir das gemeinsame Maß jener erhabenen Seele und der deinigen. Ha, Frecher, schweige! Ich würde seinen Namen zu entweihen fürchten, wenn ich eine Vertheidigung unternähme. Bei diesem heiligen und hehren Namen muß jeder Freund der Tugend seine Stirn in den Staub beugen und schweigend das Gedächtnis ehren des größesten der Menschen.
Wie schlecht sind deine Beispiele gewählt! und wie niedrig denkst du von den Römern, wenn du meinst, sie hätten sich für berechtigt gehalten, sich geschwind das Leben zu nehmen, sobald es ihnen zur Last war! Siehe die schöne Zeit der Republik an, und suche mir in ihr einen einzigen tugendhaften Bürger, der sich so von der Last seiner Pflichten, selbst nach dem schwersten Unglücke befreit hätte. Kam Regulus, als er nach Carthago zurückkehrte, durch seinen Tod den Martern zuvor, die seiner warteten? Was hätte nicht Posthumius darum gegeben, wenn dieser Ausweg bei den Caudinischen Pässen ihm frei gestanden hätte! Wie bewunderte nicht der Senat selbst die That des Muthes an dem Consul Varro, daß er seine Niederlage überlebt hatte! Aus welchem Grunde ließen sich so viele Feldherrn freiwillig den Feinden ausliefern, sie, denen Beschimpfung ein so hartes Loos war, und die sich aus dem Tode so wenig machten? Deshalb, weil sie ihrem Vaterlande ihr Blut, ihr Leben, ihren letzten Hauch schuldig waren, und weder Schande noch Mißgeschick sie dieser heiligen Pflicht abwendig machen konnte. Aber als die Gesetze vernichtet waren, als der Staat Tyrannen zum Raube geworden, war hierdurch den Bürgern ihre natürliche Freiheit und ihr Recht an sich selbst zurückgegeben. Als Rom nicht mehr war, stand es den Römern frei, nicht mehr zu sein; sie hatten ihre Aufgabe auf Erden erfüllt, sie hatten kein Vaterland mehr, sie waren berechtigt, über sich zu verfügen, und wenigstens sich selbst die Freiheit zu verschaffen, die sie ihrem Lande nicht wieder erringen konnten. Nachdem sie ihr Leben im Dienste der sterbenden Roma und im Kampfe für die Gesetze aufgewendet, starben sie tugendhaft und groß, wie sie gelebt hatten, und ihr Tod war noch ein Zoll, den sie dem Ruhme des römischen Namens darbrachten, damit man an keinem von ihnen das unwürdige Schauspiel sähe, daß wahre Bürger einem Usurpator dienen.
Aber du, wer bist du? was hast du gethan? Glaubst du dich mit deiner Dunkelheit entschuldigen zu können? Macht dich deine Kleinheit deiner Pflichten ledig? Oder weil du weder Namen noch Rang in deinem Vaterlande hast, bist du deshalb weniger seinen Gesetzen unterworfen? O, es läßt dir gut, von Sterbenwollen zu reden, während du den Gebrauch deines Lebens deinen Mitmenschen schuldig bist. Lerne, daß ein solcher Tod, wie du ihn vorhast, schimpflich und diebisch ist, ein Diebstahl an dem menschlichen Geschlechte begangen. Ehe du es verlässest, erstatte ihm, was es für dich gethan hat. Aber — ich hänge an nichts …. ich bin unnütz in der Welt! .... Eintagsphilosoph! weißt du nicht, daß du keinen Schritt auf Erden thun kannst, ohne daß du irgend eine Pflicht zu erfüllen findest, und daß jeder Mensch der Menschheit schon durch sein Dasein nützt?
Höre mich, junger Sausekopf: du bist mir theuer, deine Verirrungen dauern mich. Wenn du noch einen Funken von Liebe zur Tugend in der Seele hast, so komm und lerne von mir das Leben lieb haben. So oft du in Versuchung geräthst, dich seiner zu entledigen, sage dir selbst: ich will noch eine gute Handlung verrichten, bevor ich sterbe. Dann geh und suche dir einen Notleidenden, dem du hilfst, einen Unglücklichen, den du tröstest, einen Unterdrückten, dem du beistehst. Führe mir die Unglücklichen zu, die mein schroffes Wesen zurückschreckt; schalte unbedenklich mit meiner Börse und mit meinem Einflusse; nimm, erschöpfe mein Vermögen, mache mich reich. Wenn dieser Gedanke dich heute fesselt, wird er es morgen, übermorgen, dein ganzes Leben lang thun. Fesselt er dich nicht, so stirb, du bist nur ein schlechter Mensch.