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Kapitel 7

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Mike Travers hatte am Samstagnachmittag noch einige Einkäufe, in der Groussgaass von Luxemburg, getätigt. Eine kurze Visite bei Vuitton und Hermes, für ein paar Krawatten und einige Hemden. Geld spielte in seinem Leben eine eher untergeordnete Rolle. Er gehörte zu den wenigen Menschen, die von sich sagen konnten, dass man über Geld nicht spricht, sondern es besitzt. Danach war er gemütlich, über die Pont Adolphe, zurück zu seinem Hotel geschlendert.

Am Montag würde er mit seinem Leihwagen nach Straßburg fahren. Sein nächster Auftrag forderte erneut, eine Menge an Recherchen und Ortskenntnissen. Es war sein erster Besuch in der französischen EU-Stadt. Er hatte etwas mehr als zwei Tage dafür eingeplant. Der nächste Auftrag war deutlich heikler, als es der letzte gewesen ist. Sein Zimmer im Sofitel würde er auf jeden Fall behalten. Eine kleine Reisetasche reichte ihm für den Abstecher nach Straßburg.

Nach außen war es eine Einkaufstour, um Wein für seinen Vertrieb einzukaufen. Der elsässische Wein war auch in Amerika sehr beliebt, und so wollte er, von Straßburg aus nach Riquewihr fahren und dort einige Kellereien aufsuchen. Unter anderen, standen auch die Keller von DOPFF & IRION, SELIG und EARL auf seiner Liste. Er schätzte den Gewürztraminer aus der Region sehr und wollte, speziell von diesem, einige hundert Flaschen erwerben.

Am morgigen Sonntag würde er ein wenig durch die Stadt Luxemburg bummeln und sich die Stadt genauer ansehen. Er hatte schon viel von den Kasematten gehört, und so standen sie auf seinem Plan. Danach würde er die Festungsanlagen, die „Drei Eicheln“, auf Kirchberg besuchen und das neue MUDAM-Museum.

Das Museum, mit den Werken der Moderne, war von dem berühmten, amerikanischen Stararchitekten Pei entworfen worden. Pei, der der Konstrukteur der Pyramide, vor dem Louvre in Paris war, hatte sich auch in Luxemburg ein Denkmal gesetzt.

Das Wetter war am Sonntag herrlich, und so begann er seine Tour schon am Vormittag. Er durchschritt zunächst das Petrussetal und blickte an der 60 Meter hohen Mauer hoch. An dieser Stelle dürfte es dem Feind unmöglich gewesen sein, in die Stadt einzudringen. Er spazierte weiter, die alten Festungsmauern hatten verschiedene Ebenen. Sein Weg führte ihn, unter der Adolphsbrücke hindurch, wieder nach oben in die Stadt. Er ging zur Schlossbrücke, zu den, in die Felsen gehauenen Kasematten. Einer Broschüre hatte er entnommen, dass die Länge der gesamten Kasematten über zwanzig Kilometer betrug, besichtigen konnte man aber nur einen Bruchteil dieser gewaltigen Anlage. Von hier außen sah der Felsen, der Bockfelsen, wie ein Schweizer Käse aus. In den Löchern hatten früher die Kanonen gestanden. Im Innern bewunderte er die geleistete Arbeit der Festungsbauer, die den Felsen so großzügig ausgebaut hatten. Munitionsräume, Mannschaftsquartiere, Verbindungsgänge bildeten eine homogene Einheit. Dann wanderte er hinauf auf den Kirchberg. Über die Rote Brücke, vorbei an der neuen Philharmonie, mit ihren 1800 prächtigen weißen Säulen, führte ihn sein Weg zum Pei Museum. Schon der Bau war einzigartig, sehr offen und lichtdurchdrungen. Die Kunstwerke waren nicht unbedingt alle nach seinem Geschmack. Manches gefiel ihm aber durchaus.

Als er die Besichtigung des Museums beendet hatte, ging er gemütlich zurück in die Stadt. Er wählte den Weg durch die Altstadt von Luxemburg. Er spazierte durch den Tour Malakoff, ein Torbogen, der früher zum Schloss von Malakoff gehört hat, das aber schon seit hunderten von Jahren nicht mehr existierte. Weiter ging er dann in Richtung Clausen, vorbei an der ehemaligen Mousel Brauerei. Die Wegbeschreibung, und die Erklärungen zu den einzelnen Gebäuden, entnahm er dem Stadtplan und dem kleinen Büchlein, dass er sich im Office de Tourisme gekauft hatte. Der Weg führte ihn nun, beinahe direkt, zu seinem Hotel.

Er ging auf sein Zimmer, machte sich frisch und überlegte, wohin er zum Abendessen gehen könnte. Seinem Guide Michelin entnahm er, dass es ein sehr gutes Restaurant, mit zwei Sternen, in der Stadt gab. Er rief an der Rezeption an und bat den Herrn, ihm doch einen Tisch in dem Restaurant zu reservieren.

Die Reservierung klappte. Das Restaurant lag einen knappen Kilometer von seinem Hotel entfernt. Das Wetter war immer noch sehr schön, und so machte er sich zu Fuß auf den Weg.

Am Montagmorgen ließ er sich viel Zeit und ging erst spät zum Frühstück. Am Nachmittag erledigte er einige Telefonate mit seiner Weinhandlung in Little Rock, die Zeitverschiebung hatte ihn gezwungen, seinen Angestellten sehr früh zu wecken. Danach fuhr er zu einer kleineren Kellerei, in der Moselortschaft Machtum, und dann war er bereit für seine Fahrt nach Straßburg.

Er fuhr zurück ins Hotel, sah auf seine Uhr und stellte fest, dass er erst am frühen Abend in Straßburg eintreffen würde. Die wenigen Kleidungsstücke, die er für die kurze Zeit benötigte, hatte er bereits eingepackt. Er holte seine Tasche aus dem Zimmer, nahm den Lift und ging, unten angekommen, noch an die Rezeption. Er sagte dem Mann hinter dem Empfangs-Desk Bescheid, dass er einige Tage abwesend sein würde und fragte, ob er seine anstehenden Beträge begleichen solle, oder ob am Schluss, alles in einer Rechnung zusammengefasst werden könne. Der Empfangschef meinte, dass es kein Problem sei, wenn er alles bei seiner Abreise begleichen würde. Travers hatte seine Kreditkartennummer beim Einchecken angegeben, so dass sich das Risiko für das Hotel in Grenzen hielt, falls er nicht zurückkäme. Mike Travers bedankte sich und ging zu seinem Wagen, den er in der Tiefgarage des Hotels abgestellt hatte.

Er verstaute die Tasche im Kofferraum und legte das Luxemburger Wort, die Zeitung, die er eben noch gekauft hatte, auf den Beifahrersitz. Dann startete er den Motor seines Mercedes 320E und verließ die Garage. Über den Boulevard du Général George S. Patton und der Val de Hamm erreichte er rasch den Verteiler der Autobahn A1. Er fuhr in Richtung Metz. Die Fahrt führte ihn vorbei an Dudelange, wo er Luxembourg verließ, an Thionville und weiter nach Metz. Sein Navigationsgerät sagte ihm, dass er kurz vor Metz auf die A4 fahren müsse und der Autobahn bis nach Straßburg folgen sollte, die von dort an gebührenpflichtig ist. Travers staunte über die Mautstrecken. Aus Amerika kannte er Mautgebühren nur von Brücken, oder ganz speziellen Straßen. Ansonsten waren die Highways kostenlos.

Er war knapp zweieinhalb Stunden unterwegs gewesen, als er das Hotel erreichte. Die Fahrt war angenehm verlaufen, von den lästigen Aufenthalten an den Zahlstellen der Autobahn einmal abgesehen. Die Geschwindigkeitsbeschrän­kungen hatte er eingehalten. Für ihn war es oberste Priorität, nicht aufzufallen. Daher hatte er auch vermieden, eine große Suite zu buchen, denn man erinnerte sich später leichter an solche Gäste. Er hatte ein einfaches Zimmer im Hilton, in der Avenue Herrenschmidt, in Straßburg gebucht.

Er bezog sein Zimmer und machte anschließend einen kleinen Stadtbummel durch die Innenstadt. Er bestieg die Straßenbahn, die in unmittelbarer Nähe seines Hotels vorbeifuhr. An der Place Broglie stieg er aus. Er schlenderte zum Place Kléber und sah sich die Geschäfte, links und rechts der Straße an. Wie in fast jeder größeren Stadt, entdeckte er auch hier die üblichen Geschäfte, sowohl die exklusiven wie Hermes, Gucci, Dior, als auch die einfacheren Geschäfte, wie Pimkie, Princesse-Tamtam, Etam, oder Promod. Wenig später kehrte er in sein Hotel zurück und aß dann im Restaurant des Hotels eine Kleinigkeit.

An nächsten Tag, es war ein wunderschöner, sonniger Dienstag, stand Travers sehr früh auf. Das Frühstück, mit seinen geliebten Pancakes, nahm er im Frühstücksraum ein und las die gestrige Ausgabe des Luxemburger Wort. Er fand im Lokalteil die Reportage über einen unbekannten Toten und die Aufforderung und Bitte an die Bevölkerung, um sachdienliche Hinweise, die Identität des Toten betreffend. Der Text war sehr knapp gehalten. Die Polizei schien noch keine Anhaltspunkte über den, oder die Täter zu haben. Gut so, dachte sich Travers, die Spinne hat saubere Arbeit geleistet. Es würde bestimmt noch eine Weile dauern, bis die Ermittler einen Zusammenhang zwischen dem Tod der gefundenen Person und ihren journalistischen Recherchen herstellen konnten.

Nach dem Frühstück ging er gemütlich, die wenigen Schritte zur Rue Richard Strauss, weiter zur Avenue Schutzenberger und durch die Allée du Printemps. Nach etwa einer viertel Stunde erreichte er das Gebäude des europäischen Parlamentes. Das Bild des Abgeordneten Pierre Melling hatte er sich gut eingeprägt. Er würde ihn sofort erkennen, sollte er ihm unerwartet begegnen. In dieser und in der nächsten Woche fanden wichtige Sitzungen, zur Verwendung der Zuschüsse für die Landwirtschaft, statt. Der Vertreter der Volkspartei, der in den Agrarausschüssen den Vorsitz führte, würde sicherlich anwesend sein. Travers wollte sich auch die Umgebung des Parlaments ansehen. Er hatte noch keinen genauen Plan, wo er den nächsten Auftrag ausführen würde.

Er könnte Melling in seiner Wohnung töten, oder im Umkreis des Parlamentes. Ihm schien die Wohnung aber zu gefährlich zu sein. Hier könnte er von Nachbarn gesehen werden, die sich im ungünstigen Fall, später an ihn erinnern würden. Ihn auf dem Weg, zur oder von der Wohnung abzupassen, wäre da schon besser.

Travers erschien die Umgebung des Parlamentes günstig zu sein. Es hielten sich dort immer viele Menschen auf. Die Straße zum Parlament war gesäumt von Villen mit großen Gärten. Diese könnte er benutzen, um zum Parlament zu gelangen, oder sich unerkannt zu entfernen. Ihm schien eher das Alibi ein Problem zu sein. Er dürfte sich, während der Anschlag passierte, nicht in Straßburg aufhalten. Wie könnte er den Auftrag in Straßburg aber erledigen, ohne selbst vor Ort zu sein?

Er sah sich die Umgebung des Parlamentes an. Plötzlich kam ihm die Idee, die Einfahrt zur Tiefgarage. Die Abgeordneten, die mit dem eigenen Wagen zum Parlament fuhren benutzten diese Einfahrt. Travers sah sich um. Schräg gegenüber der Einfahrt, in die Tiefgarage des Parlamentes, standen hohe Bäume. Er überlegte, ob die Installation einer kleinen Webcam möglich wäre. Mit Hilfe einer Kamera könnte er die Einfahrt, auch aus größerer Entfernung, gut einsehen. Wenn er zuvor in Melling`s Fahrzeug eine Bombe installierte, könnte er sie in dem Moment zünden, indem Melling in die Tiefgarage einfährt. Wenn er die Bombe über ein Handy zündete, dann könnte das von jedem Ort aus geschehen. Die Suche nach dem Täter würde zuerst in der Umgebung des Tatortes erfolgen. Er müsste jetzt noch wissen, wann Melling an der Tiefgarage eintrifft. Er konnte nicht einen ganzen Tag lang die Webcam beobachten, bis er das Auto auf die Garage zufahren sieht. Besser wäre es vielleicht, wenn er die Webcam in der Nähe von Melling`s Wohnung installierte. Dann könnte er sehen, wenn Melling seine Wohnung verlässt und in sein Auto steigt. Einige Minuten später würde er die Bombe zünden, egal an welchem Ort er sich befände. Es bleibt das Risiko, dass Passanten und andere Fahrzeuge ebenso betroffen werden. Dennoch, er würde versuchen, den Anschlag genauso zu planen.

Mike Travers, alias die Spinne, ging wieder in sein Hotel und verbrachte den restlichen Tag mit der Planung des richtigen Vorgehens .

Am nächsten Tag fuhr er mit seinem Wagen nach Riquewihr und besuchte die geplanten Kellereien. Die bestellte Ware würde per Container nach Little Rock geliefert werden. Er erhielt einen sehr guten Preis für seine stattliche Order. Dieser Einkauf würde sicherlich zu einem ordentlichen Gewinn führen. Gleichzeitig hatte er ein Alibi für seinen Aufenthalt in Straßburg.

Von Riquewihr aus fuhr er dann noch nach Colmar und sah sich das Museum Unterlinden an. Der Isenheimer Altar, das Meisterwerk von Matthias Grünewald, stand in diesem Museum. Schon seit vielen Jahren hatte er sich vorgenommen, dieses Kunstwerk einmal persönlich in Augenschein zu nehmen. Der Altar war noch beeindruckender, als er ihn sich vorgestellt hatte. Es ging eine spürbare Kraft von dieser Arbeit aus.

Der Besuch hatte ihn begeistert. Travers überlegte nun kurz seine weiteren Schritte und entschied sich dann, hier in Colmar in ein großes Elektrogeschäft zu gehen, und eine Webcam und den dazugehörigen Sender zu kaufen. Er fand eine größere Anzahl diverser Marken, wählte eine x-beliebige aus und ging damit an die Kasse.

Es war schon spät, und die junge Verkäuferin sah sehr gelangweilt aus. Desinteressiert scannte sie den Preis ein und nahm den hingehaltenen Geldschein entgegen, ohne ihren Blick zu heben und gab genauso desinteressiert das Wechselgeld heraus, dabei gähnte sie völlig ungeniert und griff bereits nach der hingereichten CD des nächsten Kunden. Diese Frau würde sich bestimmt nicht an einen Mann erinnern, der eine Webcam gekauft hatte, falls sie überhaupt registriert hatte, was und wer an ihrer Kasse heute vorbeigezogen war. Mike Travers verließ das Geschäft und ging zufrieden zu seinem Wagen zurück.

Es war schon etwas später am Abend, als Travers wieder in Straßburg, im Hilton eintraf. Er fragte an der Rezeption nach eventuell hinterlegten Nachrichten für ihn. Der Herr am Empfang verneinte. Travers ging in sein Zimmer. Er nahm eine Dusche und ging anschließend in das Hotel-Restaurant Le Jardin du Tivoli. Er bestellte das angebotene Tagesmenu und wählte dazu einen Gewürztraminer aus Riquewihr, aus einer anderen Kellerei, nicht aus der, in der er am Nachmittag seine Weine erworben hatte. Danach ging er auf sein Zimmer.

In Ruhe schaute er sich die gekaufte Webcam an und überprüfte ihre Funktion. Sie funktionierte ausgezeichnet. Er konnte ihre Aufnahmen auf seinem Handy empfangen und soweit er feststellte, waren sie sehr scharf. Er verstaute alles in seiner Reisetasche. Die Verpackung würde er auf einem Rastplatz an der Autobahn wegwerfen, genauso wie den Kassenbon. Travers legte sich auf sein Bett und sah noch etwas fern. Nach den Nachrichten auf CNN löschte er das Licht und schlief sofort ein.

Die Spinne

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