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Kapitel 1

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Es hätte ein wunderschöner Tag werden können, wenn da nicht dieser Anruf gewesen wäre. Medernach wollte gerade seine Angel und das vor drei Wochen begonnene Buch nehmen und für einige Stunden in die Gegend der Goebelsmühle fahren und seiner Leidenschaft, der Angelei nachgehen. Seit mehr als drei Monaten hatte er keine Gelegenheit mehr gehabt, sich an das Ufer eines Baches zu setzen, seinen Köder ins Wasser zu werfen und, während er auf den ersten Biss wartete, ein wenig zu lesen. Er hatte sich sehr darauf gefreut und jetzt dieser Anruf.

„Chef, wir brauchen Sie, möglichst sofort, im Pfaffenthal, wir haben einen Toten in der Rue de Stavelot“, teilte ihm sein Kollege, Roby Weis telefonisch mit.

„Ich komme sofort, gib mir zwanzig Minuten“, antwortete Medernach und stellte seine Angel wieder in die Ecke der Garage zurück, warf sein Buch, das er immer noch in der Hand hielt, auf den Rücksitz, verließ seine Garage und fuhr ins Pfaffenthal.

Um diese Uhrzeit dauerte es nur wenige Minuten, um über Moutfort und Sandweiler in Richtung des Verteilers Irrgarten zu gelangen. Er nahm den Weg über den Kirchberg und nicht durch die Stadt. Die Strecke war vielleicht etwas weiter, aber dafür schneller. Als er die Val des Bons Malades hinunterfuhr, sah er bereits die Absperrung der Polizei.

Medernach musste nicht einmal seinen Ausweis vorweisen, jeder schien Medernach, den langjährigen Chef der Mordkommission, zu kennen. Er war ja auch schon seit mehr als dreißig Jahren dabei. Chef der Mordkommission war er seit dem plötzlichen Tod, seines Freundes und Kollegen Düsseldorf, der bei einem Autounfall in Spanien, vor einigen Jahren, ums Leben gekommen ist. Medernach fuhr seinen schwarzen Mercedes an die rechte Straßenseite und stieg aus. Roby hatte seinen Chef kommen gesehen und kam ihm entgegen.

„Ein unbekannter Toter, vermutlich wurde er mit einer neun Millimeter Waffe erschossen. Das Alter des Mannes liegt etwa bei vierzig Jahren. Es handelt sich wohl nicht um einen Raubmord, er hatte über tausend Euro in seinem Portemonnaie. Außer Kreditkarten und seinem Ausweis fehlt nichts.“

Roby hatte seinem Chef damit die wesentlichen Details mitgeteilt, bevor er danach fragen würde.

„Wer hat den Toten gefunden?“, fragte Medernach, als er an die Leiche herantrat.

„Der Rentner dort drüben.“ Roby zeigte auf einen älteren Mann, in einer Jeans und einem dünnen grauen Pullover, der geduldig an einer Hauswand wartete, bis man ihn befragen würde.

Medernach schlug das Leintuch, das die Kollegen über den Toten ausgebreitet hatten, zurück und sah sich das Gesicht an. Es war das Gesicht eines gepflegten Mannes, auch er hätte ihn auf etwa vierzig Jahre geschätzt. Seine Haare waren ganz kurz geschnitten. Er trug keinerlei Schmuck, weder um den Hals noch in den Ohren. Medernach zog das Tuch weiter herunter. Nun konnte er die Einschussstelle, direkt am Herzen, erkennen. Der Mann musste augenblicklich tot gewesen sein.

„Neun Millimeter“, sagte er, als er die Wunde näher betrachtete. „Der Schuss wurde aber aus einer gewissen Entfernung abgegeben. Es sind keine Schmauchspuren zu sehen. Es muss ein guter Schütze gewesen sein.“

„Kann auch ein Zufallstreffer gewesen sein“, meinte Roby und sah Henri erwartungsvoll an.

„Kann sein“, meinte Medernach, „aber wenn wir uns den Einschusswinkel ansehen, dann müsste der Mann oder die Frau mindestens zwei Meter groß gewesen sein, wenn er oder sie aus kurzer Entfernung geschossen hat. Schau dir doch einmal den Schusskanal an.“

Henri trat etwas zurück und ließ Roby nun einen genaueren Blick darauf werfen. Henri hatte Recht. Die Kugel hatte den Mann aus einem Winkel von mindestens fünfzehn Grad getroffen. Aus einer kurzen Entfernung wäre das nur dann möglich gewesen, wenn der Täter erhöht gestanden hätte. Der Schuss ist entweder aus einem Haus oder von einer Stelle am Hang abgegeben worden. Wenn der Körper nicht bewegt worden ist, müsste der Schütze mindestens fünfzig bis hundert Meter entfernt gestanden haben. Mit einer Pistole, ein Präzisionsschuss.

„Aber Henri, wenn der Tote mit einer neun Millimeter Pistole erschossen wurde und das aus einer großen Entfernung, dann könnte doch eine …“

„…Walter p99 infrage kommen, mit Zielfernrohr“, ergänzte Henri, den soeben von Roby begonnen Satz.

„Das wäre dann aber schon ein Profi.“

Roby war sich sicher, dass auch Henri in diese Richtung dachte. Ein Profi als Täter, das hat es in Luxemburg schon lange nicht mehr gegeben. Sollte der Tote zur Mafia gehört haben? War er ein Mitglied einer kriminellen Bande? Es gab jede Menge Fragen, die es zu klären galt.

„Ich wollte einmal wieder an einem Wochenende zum Fischen und jetzt dieser Fall, Roby ich vermute, dass wir länger brauchen werden, den Fall zu lösen.“

„Sehe ich genau so, wir sollten nicht lange zögern und gleich eine Sonderkommission einrichten. Was meinst du?“ Roby sah seinen Freund und Chef an.

Henri Medernach nickte stumm und betrachtete den Toten.

„Was sagt die Spurensicherung, gibt es weitere, verwertbare Ergebnisse?“ Die Frage richtete er an Roby, denn er selbst war bis jetzt noch nicht dazugekommen, sich den ganzen Tatort anzusehen.

„Nein, absolut nichts, bis jetzt. Ich werde aber veranlassen, dass auch die weitere Umgebung in Augenschein genommen wird. Wenn der Schuss wirklich aus einer größeren Entfernung abgegeben worden ist, dann finden wir vielleicht noch einige brauchbare Hinweise.“

Roby Weis ging auf die Kollegen von der Spurensicherung zu und wechselte einige Worte mit ihnen. Als er wieder zu Henri zurückkam sah er, wie sein Freund gerade einen Zettel aus der Sakkotasche des Toten herausfischte. Roby trat näher. Henri, der inzwischen ein paar Handschuhe übergestreift hatte, hielt ein Blatt von einem gelben post-it Block zwischen seinem Daumen und Zeigefinger. Auf dem Blatt war eine Spinne aufgestempelt. Seltsam, dachte sich Medernach. War der Zettel dem Toten in die Tasche gesteckt worden oder trug dieser ihn bereits in der Tasche, als er hier eintraf?

„Wie ist der Mann denn hier hergekommen?“, fragte er Roby und sah von dem kleinen Blatt auf.

„Vermutlich mit dem Auto. Wir haben zwar noch keine Schlüssel gefunden, aber ich nehme fast an, dass es sich um den blauen BMW 530 handelt, der dort drüben steht. Es ist eher unwahrscheinlich, dass der Wagen hier nur parkt.“ Roby sah Henri an.

„Möchtest du nicht mit dem Mann sprechen, der den Toten gefunden hat? Er steht schon seit geraumer Zeit dort drüben.“

„Du hast Recht Roby, ich befrage ihn gleich einmal.“ Henri drehte sich um und ging zu dem Rentner, der geduldig am Rande des Tatortes wartete.

„Henri Medernach, von der Mordkommission“, stellte er sich dem Herrn vor.

„Erzählen Sie mir doch bitte, wer Sie sind, und wie Sie den Toten gefunden haben.“

„Jean Molitor, ich wohne etwa achthundert Meter weit entfernt von hier. Wie jeden Tag, spazierte ich auch heute hier entlang. Dann sah ich den Toten da liegen und habe sofort die Polizei informiert.“

„Haben Sie irgendetwas gesehen oder gehört?“

„Nein nichts, der Tote lag auf dem Seitenstreifen, so wie er jetzt noch immer daliegt. Die Straße ist nicht sehr stark befahren um diese Zeit, und so nehme ich an, dass ich bestimmt der erste war, der ihn entdeckt hat.“

„Sie haben auch keine Schlüssel gefunden?“ Medernach sah dem Mann ruhig in die Augen.

„Nein, gar nichts, ich habe bestimmt nichts weggenommen.“

„So war das auch nicht gemeint“, erwiderte Medernach, „manchmal vergisst man aber in der Aufregung, etwas zu erwähnen, und dann ist es hilfreich, wenn wir danach fragen. Wenn Sie dem Beamten noch ihren Namen und ihre Anschrift geben, falls wir noch Fragen haben. Dann können sie nach Hause gehen.“

Jean Molitor nickte und sah, wie der junge Polizist, den Medernach herbeigewunken hatte, zu ihm trat.

Medernach ging zurück zu Roby Weis und versuchte ein kurzes Resümee zu ziehen.

„Wir haben einen Toten, vermutlich aus größerer Entfernung, mit einer neun Millimeter Pistole erschossen. Der Mann sieht wie ein Geschäftsmann aus, was seine Kleidung betrifft, kein auffallender Schmuck, und es sieht auch nicht nach einem Raubmord aus. Seine Identität müssen wir klären, da sowohl sein Personalausweis als auch Kreditkarten fehlen, die uns Hinweise geben könnten. In seinem Sakko befand sich ein post it, mit dem Abbild einer Spinne. Nicht gerade sehr viel.“ Medernach sah Roby fragend an.

„Nein, wirklich nicht, aber wir hatten auch schon manchmal weniger.“ Roby grinste ein wenig, als er Henri ansah. Henri nickte zustimmend.

Die Spinne

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