Читать книгу der dämon und die lethargie - Jeanette Y. Hornschuh - Страница 6

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1.

Früher war es einfacher, ein ruhiges Leben zu führen… Die Menschen waren weniger misstrauisch. Man wurde als Meinesgleichen geduldet… naja oder zumindest nicht sofort enttarnt, egal ob man sich ,irgendwie seltsam‘ verhielt. Heutzutage muss man ein guter Schauspieler sein, sich nett verhalten, den Mund beim Lachen nicht zu weit aufreißen… und… Schuhe tragen, tse!

„…Haha, naja Eve, ich bin… ha, schon ziemlich aufgeregt. Es kommt ja nicht oft vor, dass…“

Gezwungen zu sein, sich derart anzupassen, nimmt einem irgendwie…

„…ssso eine schöne Frau mit mir a…ausgeht. Als du mich angesprochen hast…“

…den Genuss.

„…da dachte ich erst, du würdest dir einen Scherz erlauben…“

Ein weißer Zuckerwürfel bröselt langsam im purpurroten Tee vor sich hin. Der Anblick hat etwas Melancholisches. Als der Würfel vollständig zerfallen ist, werfe ich noch einen hinterher. Roter Tee schwappt in kleinen Tropfen auf mein weißgepunktetes Oberteil. Ja… mittlerweile ist alles nur noch lästig. In Momenten wie diesen drängt sich dieser Gedanke immer wieder in mein Bewusstsein. Gelangweilt stütze ich mein Gesicht auf meine Hand ab und seufze. Ich höre schon lange nicht mehr zu, was… was… hng… Was Typ… XY hier vor sich zusammenstammelt, habe ich in meinem sich wie ein viel zu lang gekauter Kaugummi hinziehenden Leben sicherlich schon das ein oder andere Mal gehört. Oh Eve, du bist so schön! Ohh Eve, es ist mir eine Ehre! Ohhhh, wir sind ja so herrlich naiv…

„…Naja, Eve… man hört ja auch mal von Dämonen, die genau solche Tricks anwenden. Nicht… aaalso nicht, dass ich das je bei dir vermuten würde…“

Ja, Idioten gibt es auch heute noch, nur sind diese wohl sehr selten geworden.

„…A… also… du bist doch kein Dämon oder so?“

Haaah?!

„Ha, ha, ha, aber nein, mein Lieber! Wo denkst du denn hin? Hast du denn jemals einen Dämon getroffen, der so liebenswürdig ist?“

XY lehnt sich erleichtert auf seinem Stuhl zurück und antwortet: „Puh… nein, natürlich nicht!“

Natürlich nicht. Ich neige den Kopf und schiebe ein „Na siehst du!“ hinterher. Irgendwie sind sogar die Idioten nicht mehr das, was sie einmal waren. Ich schlürfe meinen viel zu süßen Früchtetee aus, während ich einen Seitenblick auf die anderen Gäste hier im Café werfe. Der Kellner tuschelt mit einer Dame, die drei Tische entfernt sitzt. Ihre skeptischen Blicke verraten mir, dass sie bereits zu ahnen scheinen, was hier vor sich geht. Zeit also, es zu Ende zu bringen. Ich drehe mich etwas seitlich zu XY, lege meinen rechten Zeigefinger leicht an meine Wange und hauche: „Oh, bitte lass uns doch irgendwo hingehen, wo wir ungestört sind!“

XY zeigt ungeahnte Ambitionen: er läuft purpurrot an - es passt zum Tee. Stammelnd erwidert er:

„O…… oh…… oh… oh……

o…………

…kay…“

Dörfer sind ideal für Meinesgleichen. Ein Dorf hat meist nur wenige Hauptstraßen, die restlichen Straßen ähneln eher kleinen Gassen, in denen nur wenige Menschen unterwegs sind. Auch in diesem Dorf hier muss man nur zwei Häuser hinter sich lassen, um ,ungestört‘ zu sein. Ruhig liegen die alten Gebäude da, welche die gepflasterten Straßen umringen. Einige Häuser hier wirken von außen schon fast verfallen, ein Blick in die Fenster zeigt jedoch das einfache harmonische Leben der Bewohner. Hier und da ist der Weg uneben und fast überall quillt Moos zwischen den Gehwegsteinen hervor. Der laue Frühlingswind streift an den engstehenden Fachwerkhäusern der Gasse entlang, lässt die frische Wäsche taumeln, die an der zwischen den Häuschen gespannten Leine hängt, und streift durch mein langes weißes Haar. Als ich XY gegen die Feldsteinwand eines Hauses drücke, klart der Himmel langsam auf. Die ersten Sonnenstrahlen wärmen meine glatte porzellanhelle Haut. Jetzt erst betrachte ich XY etwas genauer: die kurzen schwarzen Haare, der mintgrüne Kapuzenpullover, die runden, kindlichen Augen… Ich sehe in seine geweiteten Pupillen und bin froh, sagen zu können: „Mh… wie schön. Ein kleiner Teil von euch Menschen hat sich seinen Leichtsinn wohl bewahrt, mh?“

XY zittert vor Angst, unfähig sich zu wehren oder etwas zu erwidern.

Mh… Genuss - ja, ich versuche diesen Moment zu genießen…

„Hnn… Dämon!“

Verdammt!

Dieser wütende Einwurf stammt nicht etwa von XY, der schon fast der Ohnmacht nahe an der Wand vor mir lehnt. Jemand ist in der Gasse aufgetaucht und ich habe mich zu sehr dem Moment hingegeben, um dies rechtzeitig zu bemerken. Genervt von der plötzlichen Unterbrechung drehe ich mich nun zu dem Fremden um und sehe… blau. Blau - so strahlend, dass es wehtut. Blau - so unbeständig, als würde es Wasser sein. Zwei blaue Male ziehen sich wie eine Welle von der Mitte seines Gesichts ausgehend bis über seine Wangen. Um den linken Arm ziehen sich weitere Male. Es ist dasselbe tiefe Blau wie das seiner Augen, mit denen er mich fixiert.

Verdammt, verdammt!

Ich puste mir eine Strähne aus dem Gesicht und presse abschätzig hervor: „Pah, DU bist der für dieses Gebiet zuständige Jäger? Bist noch recht jung dafür, nicht Bursche?“ Natürlich ist er kein Kleinkind mehr, vermutlich irgendwo zwischen siebzehn und zwanzig Jahre alt. Aber junge Jäger springen meist auf sowas an. Seine blauen Augen verengen sich. Ich fand den Kontrast dieser Farbe zu den blutroten Augen meiner Gattung schon immer irgendwie poetisch. Eine blonde Haarsträhne fällt ihm in die krausgezogene Stirn, als er, vorhersehbar, erwidert: „DICH zu besiegen wird mir jedenfalls nicht schwerfallen, Dämon!“

„Ha, ha, ha, ha!“ Interessant. Ich lasse XY, mittlerweile tatsächlich ohnmächtig, zu Boden sinken. Der blonde Jäger steht etwa dreißig Schritte von mit entfernt. Langsam drehe ich mich zur Feldsteinwand zurück. „Mh, tatsächlich, Jäger?“

Die Blätter am Boden der Gasse wirbeln kurz hoch und schon befinde ich mich direkt vor dem Jäger.

„Dafür…“, ich hole mit der rechten Hand aus, „…bist du aber etwas zu langsam!“

„Wa…?!“ stammelt er.

„Präge dir den Namen des ,Dämons‘, der dich nun niederschmettern wird, gut ein! Er lautet Eve…“ grinse ich. Schnell durchschneidet meine Hand die Luft und hätte seinem Gesicht eine neue asymmetrische Form gegeben, wäre er nicht im letzten Moment zurückgewichen. Der Jäger rutscht über den Boden und kommt in einiger Entfernung zum Stehen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich nicht damit gerechnet, dass er eine so schnelle Reaktionszeit hat. Und wenn ich noch weitergehen soll, dann kann ich wohl gestehen, dass dies hier wahrhaft Aussicht auf ein bisschen Spaß bringen könnte! Ich lächle breit und lasse meine spitzen Eckzähne blitzen: „Hi, hi! Komm, kleiner Jäger, tanz‘ mit mir!“

Das abschätzige „Ärg!“ des Burschen interessiert mich nicht, ich spanne bereits meinen Körper an und stürze auf ihn zu. Ich drehe mich im Sprung um meine eigene Achse herum, um genügend Schwung zu holen und lasse meine Arme Richtung Feind schnellen, doch er springt noch rechtzeitig zurück, sodass mein Angriff ins Leere geht. In dieser Bewegung lasse ich meine Hände auf den Boden niedersausen und hole zum Tritt aus, doch er weicht erneut aus. Von einer Ecke zur nächsten bewegen wir uns durch die menschenleere Gasse. Meine Hände wirbeln durch die Luft. Seine Beine rutschen schnell über den Boden hinweg. Wir drehen uns immer weiter im Kreis. Ich jage ihn über die Pflastersteine hinweg, hin zu einem hölzernen Durchgang, der sich zwischen zwei Fachwerkhäusern schmiegt, weiter zu einem hohen, verputzten Haus, an dem sich der herausstehende Erker bereits Richtung Boden bewegt, bis hin zurück zum Feldsteinhaus, vor dem XY liegt. Der Tanz geht immer so weiter. Rhythmisch greife ich ihn an, lasse meine Hände niedersausen, rhythmisch weicht er aus, duckt oder dreht sich weg. Ich greife an, er weicht aus, ich greife an, er weicht aus…

Aber…

„Haaaach… So langsam wird’s langweilig!“ rufe ich und verziehe missmutig den Mund, denn leider sind seine Bewegungen ausschließlich defensiv-geprägt. Er wehrt lediglich meine Angriffe ab, übernimmt nie selbst die Initiative. Also springe ich auf ein altes, rostiges Geländer, welches sich um einen Kellerzugang schlängelt, stoße mich ab und fliege in die Höhe. „Jäger, greifst du auch mal an?! Ha, oder willst du dich angesichts meiner Überlegenheit stillschweigend ergeben?“

Der Sinkflug beginnt.

„Dann halt wenigstens still!“ Ich hole aus und… im perfekten Moment schnellt der rechte Ellenbogen des Jägers nach oben und trifft meine Wange - im Sturz. Seine Abwehr ist wirklich gut.

Nachdem die Wucht seines Schlages eine gewisse Distanz zwischen uns gebracht hat, indem sie mir ein paar Überschläge über den Boden abverlangte, finde ich mich erneut vor der Feldsteinwand wieder. Da kommt mir etwas in den Sinn…

„Haha, mal sehen, wie dir das schmeckt.“ Schnell packe ich den bewusstlosen XY am Kragen, ziehe ihn hoch und schleudere ihn dem Jäger entgegen. Mh… Jetzt wird der Jäger unruhig - das kann ich seinen nun nicht mehr ganz so kühlen Augen ablesen. Das Primärziel eines jeden Jägers ist der Schutz der Menschen - so sollen sie zumindest das, was sie tun, interpretieren. Von einem anderen Jäger hörte ich mal, dass ihnen dieses Selbstbild bereits in den Kindertagen vermittelt wird. So ist die Reaktion des blonden Jägers, der sich gerade meiner Auslöschung widmet, absolut vorhersehbar: er rennt XY entgegen und fängt ihn mit seinem ganzen Körper ab. Der immer noch ohnmächtige Typ ist von ungefähr derselben Größe wie der Jäger, physikalisch nachvollziehbar hat ihn die Geschwindigkeit und das Gewicht des Aufpralls zu Boden gerissen. „Hng…“ liegt der Jäger nun stöhnend auf der Erde. Erneut springe ich auf ihn zu und hebe meine rechte Hand zum Angriff. Seine blauen Augen scheinen mich fast zu durchbohren, als er wieder den rechten Ellbogen im exakt richtigen Moment gegen meinen Schädel donnert und sagt: „Du bist nicht der erste Dämon, der solche Tricks bei mir versucht.“

Urg! - sein Schlag hat mich erneut mit voller Kraft getroffen. „Ha, ha, Jäger, du bist nicht ausgewichen.“ stelle ich fest, nachdem ich mich wieder gefangen habe. Diese Tatsache ist eigentlich jedoch weitaus weniger überraschend, als es den Anschein macht. Ich rapple mich vom Boden auf und klopfe den Staub von meiner weißen Hose. Wirklich sauber wird sie davon nicht mehr, doch das ist mir im Moment gleich. Nun habe ich Gewissheit: „Du denkst, du hast bereits zwei Treffer gelandet und obliegst im Kampf, doch… dadurch hast du bereits verloren.“

Er schweigt…

Den rechten Arm in meine Hüfte stemmend, hebe ich erneut an: „Für dich, Jäger, kommt wohl nur noch die Flucht in Betracht. Dies ist die einzig sinnvolle Option, die dir verbleibt.“

Es ist offensichtlich, was er denkt. Seine etwas nach unten gezogenen Augenbrauen zieht er nun noch ein Stück tiefer, als er ansetzt zu erwidern: „Tse, noch billiger geh-“

„Du wartest.“, unterbreche ich ihn, „Darauf, dass ich angreife und die Deckung vernachlässige. Erst dann greifst du an. Du setzt als junger Jäger natürlich auf Sicherheit. Aufgrund meiner naturgegebenen enormen Überlegenheit sowohl hinsichtlich Schnelligkeit als auch physischer Kraft, bedeutet jeder Treffer, den ich landen kann, das potentielle Aus für dich.“ Ich balle die Faust und kann sehen, dass sein linker mit blauen Malen bedeckter Arm sich verkrampft. Die sinnvolle Option wird er wohl nicht in Betracht ziehen. Ich fahre fort: „Dein Kampfstil ist sehr defensiv-lastig. Von allein greifst du nicht an. Es gibt eine einfache Strategie für mich, darauf zu reagieren…“

Mit geneigtem Kopf warte ich lächelnd auf eine Antwort, Reaktion, irgendetwas. Nach einer Weile meint er: „Das willst du aus gerade einmal zwei Treffern gelesen haben…?“

Mein Lächeln vertieft sich: „Ernsthaft, du hast keine Ahnung, wie alt ich bin. Greifst du jetzt an, erledige ich dich in… naaa, sagen wir mal 20 Sekunden.“

Anscheinend habe ich ihn nur weiter gereizt. Drohend streckt er nun seine linke Faust vor und beginnt, Zeigefinger und Mittelfinger zu heben. Blau flirrt die Luft um seine Finger - es ist, als würden sie Schallwellen freisetzen, die sich in dünnen, unregelmäßigen Fäden blau gefärbt durch die Luft bewegen. Eine gefährliche Geste, geschaffen, um zu Löschen. Finster starren mich die tiefblauen Augen an: „…Und du hast keine Ahnung, wie grenzenlos anmaßend du bist.“ Der Jäger prescht auf mich zu und holt zum Tritt aus. Die blau flirrende Bann-Hand lässt er dabei wieder sinken. Es ist dennoch ein ernstgemeinter Angriff, der mir aber natürlich nicht im Geringsten gefährlich werden kann: „Oha, du hast deine Entscheidung getroffen. Noch 18 Sekunden.“ rufe ich lachend. Ich springe gekonnt nach oben und weiche seinem Tritt aus.

„15 Sekunden.“ In einiger Entfernung komme ich wieder auf, der Jäger dreht sich zu mir um.

„12 Sekunden. Bedenke Bursche, nur ein Treffer…“ Diese Warnung scheint ihn nicht zu erreichen, denn jetzt sprintet er abermals los, direkt auf mich zu.

„9 Sekunden.“ Ich renne ebenfalls los, drehe einen kurzen Bogen und greife ihn von der rechten Seite aus an.

„7 Sekunden.“ Mein Ellenbogen bewegt sich auf seinen Kopf zu.

„5 Sekunden.“ Abermals ist es seine Intention, meinen Angriff mit seinen rechten Ellenbogen abzuwehren.

„4 Sekunden, 3, 2, 1…“

Der Kampf ist damit vorbei.

„0. Siehst du, wirklich einfach…“ Ich fühle für einen Moment seine weichen Haare in meiner Hand, sehe die Angst und den Schrecken in seinen klaren Augen aufblitzen, spüre die Wärme seiner Haut…

…und…

…ramme seinen Schädel derart schnell in das Kopfsteinpflaster, dass kleine Steinbrocken zu allen Seiten davonfliegen. Er bleibt reglos liegen. Langsam stehe ich auf, die Spitzen meiner weißen Haare streifen dabei seine Schulter. Sein hellgraues, hochgekrempeltes Langarmshirt und die dunkelbraune Hose, sein Gesicht, seine Haare… alles ist mit Staub und Steinen bedeckt.

„Schon amüsant.“ hebe ich an. Er atmet hastig unter den Schmerzen. Ich beuge mich über ihn: „Du bekommst während des Kampfes kaum den Mund auf, weil du dich so sehr auf deine Abwehr konzentrierst.“

„Uh…rg…“ erwidert er.

Ich erhebe mich. „Das Kämpfen scheint dir wohl nicht wirklich Freude zu bereiten.“

„Uh… Ver…“

Ich drehe mich um, entferne mich von ihm: „Ziemlich atypisch für einen Jäger, möchte ich meinen.“

Welche Nuance von Rot wohl das Blut seinen hellblonden Haaren verleiht…? Doch zu lange möchte ich den verwundeten Jäger nicht betrachten. Er wird überleben. Der Jäger dreht den Kopf zu mir, ich kann seinen Blick spüren. „Wo… Arg… wo willst du hin, Dämon?“

Ist es Angst? Ha, ha, nein. Wohl eher sein fehlgeleitetes Pflichtgefühl, das dort aus ihm spricht… Dieser Klang… in meinen Ohren klingt es wie ein Flehen… Für einen kurzen Augenblick bleibe ich stehen: „…Nein, ich werde dich nicht töten, falls du das meinst, Junge.“

Etwas bröckelt hinter mir… Dann kann ich hören, wie etwas auf den Boden tropft… Der Jäger scheint sich… zu erheben?! Schnaufend presst der Bursche hervor: „Ist das etwa… deine Art…“

Es knistert.

„…MICH ZU VERSPOTTEN, DÄMON?!“ Der blaue Bann des Jägers durchzieht die Luft. Ich kann es spüren… In rasender Geschwindigkeit nähert er sich mir. Konzentriert spanne ich meine Beine an. Wäre er doch nur liegen geblieben… Ich atme tief durch: „Deine Todessehnsucht scheint doch stärker zu sein, als ich vermutet habe.“ Dann setze ich schnell zum Lauf an. „Aber, wenn dir dein Le…he…………“

!!!

Die nächsten paar Sekunden erscheinen mir, als wäre ich selbst nicht anwesend. Menschen sind in Angesicht des Todes der Meinung, ihr Leben vor dem inneren Auge nochmals vorbeiziehen zu sehen. Eine letzte Zusammenfassung - klingt wahnsinnig theatralisch… Bei Unseresgleichen wäre das eine ziemlich langatmige Zusammenfassung. Vermutlich erleben wir den letzten Moment unserer Existenz eher zähflüssig. Die Zeit scheint für einen kurzen Moment noch langsamer zu fließen, als sie es eh bereits tat. So sehe ich gerade meinen rechten Schuh sehr, sehr, sehr langsam durch die Luft fliegen. Der flache und dennoch unbequeme weiße Schuh mit der schwarzen Spitze fügt sich seltsam harmonisch in das langsam aufklarende Grau des Frühlingshimmels ein. Fassungslos beobachte ich in diesem sehr, sehr, sehr langsam vorüberziehenden Moment, wie mein Schuh einen Salto über mir schlägt, während ich mich mit dem Rücken auf den Boden zubewege, unfähig etwas zu sagen oder zu denken, bis auf eines: Schuhe… ich hasse sie wirklich…

Wahrhaftig… ich bin gestolpert… und als ich die Pflastersteine am Rücken spüre, ist es bereits zu spät. Gerade noch schaffe ich es, den Kopf in Richtung des Jägers zu drehen, da hat mich der blau-flackernde Bann bereits erfasst. Er umfließt mich wie ein elektrisches Band, schnürt mir den Hals zu, fesselt mich an den Boden und zersetzt mich sowohl innerlich als auch äußerlich. Kleine Partikel sammeln sich auf der Oberfläche meiner Haut, werden mit der Energie des Banns nach oben gezogen, verlieren sich in der Luft. Meine Hände verkrampfen sich, aus meinen Augen quellen Tränen, mein Mund öffnet sich unwillkürlich unter diesem unendlichen, allumfassenden Schmerz.

Ich löse mich auf…

„Uhrrrraaa…… hör……… auf…“ Schreiend liege ich am Boden. Vermutlich bin ich nicht der erste ‚Dämon‘, der bei Anwendung seines Banns vor dem Jäger liegt und um die Fortsetzung der Existenz bettelt.

„…Hhhr… hng……… a……hhhör… auf, Jäger… ah… bitte! Ich…… hhhhrggg flehe… dich …nnhhhannn!!!“ Ich kann ihn nicht anblicken, merke an seinem Schweigen aber, dass er meiner Bitte nicht nachgeben wird. Fällt es ihm wohl schwer, einer Kreatur ein Ende zu setzen?

„Ich… kann nicht…“ flüstert er zerknirscht. Ich kann nicht… Wie vertraut mir das ist. Mit diesen letzten Worten zieht er den Bann fester, um den Auslöschungsprozess zu vervollständigen. Partikel fliegen, alles wird schwarz.

Ein Menschenschuh brachte mir den Tod - was für eine bescheuerte Art zu sterben…

der dämon und die lethargie

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