Читать книгу der dämon und die lethargie - Jeanette Y. Hornschuh - Страница 8

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3.

Käfer, Blumen, Bäume, Steine, Sand. Wir irren den Tag durch die schier unendliche Landschaft, kommen an frisch gepflügten Feldern vorbei und laufen nun durch einen lichtdurchfluteten Laubwald. Alles scheint unendlich, alles scheint gleich. Diese menschenleeren Gebiete öden mich an.

Der Jäger macht nur selten Rast. Und wenn, dann gönnt er sich auch nur kurz Ruhe. Immer wieder starrt er verkrampft auf seine Hand, als könne sich das Problem allein durch bloße Willenskraft in Luft auflösen. Meine Fragen, wohin die Reise genau geht und wer eigentlich dieser Mael sein soll, zu dem wir unterwegs sind, beantwortet er natürlich nicht. Was Mael wohl tun wird, um das Problem zu lösen, ist mir jedoch auch so vollkommen klar. Vermutlich handelt es sich bei ihm ebenfalls um einen Jäger…

Ein Vogel fliegt aufgescheucht über uns hinweg… Ich stutze… „Was meinst du, wie lange deine Nileyn als Jägerin überleben wird, sobald ich dich getötet habe?“

Meine Frage kommt unvermittelt. Dennoch läuft er weiter den schmalen Waldweg entlang, so als würde ihn das, was ich sage, nicht im Geringsten kümmern: „Lass die Spielchen, Dämon. Tatsächlich bist du weitaus durchschaubarer als du meinst. Du scheinst der Meinung zu sein, einfach allem überlegen zu sein. Diese Haltung stellst du nicht einmal infrage, obwohl du es nicht schaffst, deinen Feind zu töten…“

„Nicht schaffen…“, murmle ich vor mir hin. Nach über einen Tag hat er meine Taktiken halbwegs durchschaut. Habe ich wirklich schon so oft versucht, ihn zu reizen? Es ist seine gefühlskalte Fassade… sie zwingt mich regelrecht dazu. Aber meine Strategie zu kopieren, zieht bei mir nicht. Ich lasse mich nicht reizen. Daher gebe ich nur zurück: „Na, viel scheint sie dir ja nicht zu bedeuten, was?“

Es ist ruhig geworden im Wald - ob der Jäger es schon bemerkt hat?

„Als ich mich in eurem Haus umgesehen habe, habe ich mich daran erinnert, mal gehört zu haben, dass Jäger keine Bilder von Toten aufhängen.“

Schweigend läuft er weiter. Aber, dass für wenige Sekunden ein Missklang im Rhythmus seiner Schritte zu hören war, entgeht mir nicht. Es war ein Fehler, mich mit zu ihm nach Hause zu nehmen. Dessen ist er sich nun wahrscheinlich ebenfalls bewusst.

„Handelte es sich um Angehörige von dir?“

Er bleibt stehen, durchbohrt mich warnend mit starrem Blick.

„Wie rührend wohl das Ableben von ihnen war? Und vor allem: was wohl der Grund ihres Todes war… Vielleicht… mhhhh, ich weiß auch nicht, vielleicht wurden sie von einem Dämo…“ „HALT ENDLICH DIE KLAPPE!!!!“ Der junge Jäger zieht seine linke Hand so heftig zur Faust zusammen, dass die darauffolgende Bannwelle mich mit aller Kraft zur Erde reist. Stöhnend liege ich auf dem Rücken und versuche mich mit den Händen abzustützen, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Drohend kniet er sich zu mir herunter, die Faust weiterhin zusammengedrückt, um mich in diesem auflösenden Schmerz zu quälen - wenn nötig so lange, bis ich den Verstand verliere. „Wage es…“, sein von Wut gezeichnetes Gesicht ist mir nun gefährlich nahe, „…NIE wieder, mich zu provozieren!!!“ Auf meinem Mund breitet sich hingegen ein triumphierendes Lächeln aus. Er stockt, doch dann begreift er. In seinen Augen spiegelt sich das Entsetzen. Schnell versucht er noch sein Messer zu greifen, doch es ist bereits zu spät.

Zwei Finger bohren sich von hinten in seinen linken Oberarm.

Ein weiterer Untoter ist aufgetaucht. Zerfetzt hängt die Kleidung an seinem dürren Körper herunter. Die roten Augen wirken verweint. Die unterschiedlich langen Haare kleben ihm schmierig im Gesicht. Ich kenne ihn nicht. Das tut auch nichts zur Sache. Es reicht, dass er da ist und wie fast jeder meiner Gattung auf dieses eine Ziel fixiert ist. Nichts brennt so sehr in unserem Inneren wie das Verlangen, zu töten. Ich muss es wissen.

Der blonde Jäger schafft es sich loszureißen. Er zückt das Messer mit der rechten Hand, während er schnell eine sichere Distanz zu mir und dem Fremden aufbaut. Schwer atmend blickt der Jäger zu mir herüber, Blut fließt seinen Arm herunter, tropft vom Zeigefinger seiner Bann-Hand auf den dunklen Waldboden. „Hng… Diese ganzen Spielerein - du wolltest mich ablenken, um deinem Partner die Gelegenheit zum Angriff zu geben?! Kratzt es nicht etwas zu sehr an deiner Selbstherrlichkeit, dass du dich nicht allein befreien kannst?! Warum gerade hier, warum jetzt?!“

Beleidigt gebe ich zurück: „Hey, du spinnst wohl! Der Typ dort ist nicht mein Partner!“

Es ist schon recht erstaunlich, dass der Jäger trotz dieser Wunde noch so fit wirkt. Interessiert lauscht der Fremde unserem Dialog.

„Dieser Unsterbliche hat uns erst hier im Wald aufgelauert. Interessanterweise hast du ihn wohl nicht bemerkt… Was könnte der Grund dafür sein? Vielleicht, dass du mehr mit einem Hamster als einem Adler gemein hast?“

Dem Fremden scheint unser Austausch nun nicht mehr spannend genug zu sein. Er rennt auf den Jäger zu und lässt seine Faust nach vorn schnellen. Dieser weiß sich jedoch zu verteidigen, dreht sich unter dem Schlag weg und kontert mit dem Messer. Die Bewegungen des Untoten wirken planlos und doch hat er gute Karten in diesem Kampf. Der junge Jäger ist verwundet und obendrein hat er seinen letzten Schlafzyklus ausgesetzt. Der Untote wirbelt vor dem Jäger herum, versucht mit beiden Händen nach ihm zu greifen, doch der Jäger duckt sich geschickt weg und versucht, Abstand zu gewinnen. Mit jeder Attacke wird der Fremde immer wilder, zischt zwischen den Bäumen hindurch, springt im hohen Bogen über Felsgruppen hinweg, lässt den Jäger hin und her hetzen. Der Jäger ist immer noch schnell, bewegt sein Messer zielgenau zur Abwehr, aber man sieht deutlich, dass er seinen linken Arm nicht mehr bewegen kann.

Ohne Furcht vor dem Bann muss der Untote nicht ständig die Möglichkeit im Blick haben, schnell in Deckung gehen zu können. Er konzentriert sich nun sowohl auf Nah- als auch Distanzattacken. Hätte er gewusst, dass er diese Furcht auch ohne Verletzung des Burschen nicht hätte haben müssen, hätte er für seine erste Attacke gewiss ein anderes Ziel gewählt.

Das Hin- und Hergesetzte zeigt seine Wirkung. Schneller als bei unserem Kampf ermüdet der Junge nun zusehends. Seine üblichen Abwehrstrategien sind nicht mehr so bewegungsintensiv. Der Unbekannte schafft es zwar weiter an ihn heran, doch sobald der Jäger sein Messer einsetzt, geht er wieder auf Distanz. Der Mythos von den immensen Kräften dieser Waffen hat anscheinend nicht nur mich erreicht. Dieser Feigling!

Ungeachtet dessen - der Jäger ist wahrlich ein passabler Kämpfer, denn trotz der enormen Einschränkung schlägt er sich unerwartet gut. Würde nicht meine Existenz davon abhängen, hätte ich ihm gern noch eine Weile bei diesem Tanz zugesehen…

Ab und an schaut der Jäger zu mir herüber. Er will alle Gefahrenquellen im Blick behalten. Immer skeptischer wird sein Blick dabei, doch ich habe mich bisher bewusst aus diesem Kampf herausgehalten…

Während des Kampfes haben sich der Fremde und der Jäger von mir entfernt und einem breiten Fluss genähert, der ein paar Meter entfernt in einen tosenden Wasserfall übergeht. Das Rauschen des Wassers dämpft die Geräusche ihrer Bewegungen. Gerade gewinnt der blonde Junge die Oberhand: mit dem Messer landet er einen Treffer am rechten Oberschenkel des Fremden. Zum ersten Mal regt sich nun das Gesicht des Untoten. Angsterfüllt schreit er auf: „UHHHRRRRAAAAAGGGGGGNNNN!“

Das Gekreische erinnert eher an ein Tier, denn an eine intelligente Kreatur. Vermutlich ist er unfähig, sich zu artikulieren. Aber natürlich löst der Unsterbliche sich nicht allein dadurch auf, dass dieses kristallverzierte Messer ihn getroffen hat. Ich hatte auch nicht damit gerechnet, dass dieses Gerücht über die übernatürlichen Kräfte der Waffe stimmt.

Die Wunde ist sehr tief, der Fremde wird langsamer. Der Jäger ändert seine Taktik und konzentriert sich nun auf die Offensive. Immer mehr Kraft legt der Bursche in seine Angriffe, immer mehr Blut fließt seinen Arm herunter… Als er sein Messer in die rechte Schulter des Fremden rammt und dieser abermals von seiner Angst gepackt in hysterisches Geschrei ausbrechend davonspringt, sackt der Jäger zusammen. Er wird ohnmächtig, der Blutverlust war einfach zu hoch.

Der Fremde stößt heißere Laute aus und bewegt sich langsam auf den am Boden liegenden Jäger zu. Bevor er ihn erreichen kann, verpasse ich dem Untoten einen harten Schlag gegen den Schädel. Er taumelt und sieht überrascht zu mir auf: „Hr… Warum…?“

Mh, anscheinend kann er doch sprechen.

„Du hast deinen Spaß gehabt. Nun geh… oder stirb.“

Verärgert spuckt er mir entgegen: „Naaah! Rha, rha, rha, rha, grrrrgrast nichts unternommen… und… willst jetzt das… hgrrr Beste für dich?!“

Kalt blicke ich ihm in die blutunterlaufenen Augen: „Geh oder stirb.“

Der Untote ist verletzt und auch wenn sich Unseresgleichen schnell regeneriert, es wird nicht schnell genug sein, um eine Chance gegen mich zu haben. Er hat gerade einen ermüdenden Kampf hinter sich, ich nicht… Das scheint auch diese Kreatur zu begreifen. Seine Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen. Ohne ein weiteres Wort verschwindet er zwischen den Bäumen. Die nächsten Tage wird er damit verbringen, seine Wunden zu lecken.

Ich schaue zum Jäger herunter. Wieder liegt er vor mir am Boden. Wieder atmet er schwer. Bis jetzt habe ich nicht erfahren, wie sein Name ist. Nun werde ich es nie erfahren.

Der Blutfluss wird schwächer, auch dieses Mal wird ihn die Wunde nicht das Leben kosten. Dafür aber vielleicht den Stolz. Ein letztes Mal lehne ich mich zu ihm herunter, betrachte sein ruhiges, schmutziges Gesicht, aus dem mir die blauen Male geradezu entgegen zu leuchten scheinen. Auf seiner Stirn rinnt der Schweiß, das Gesicht ist gerötet von der Anstrengung des Kampfes… seine Augen sind geschlossen… Gerade als ich mich erhebe, „Urgggg…“, durchfährt mich ganz und gar unerwartet ein nur allzu vertrauter Schmerz. Ich falle nicht unweit des Jägers zu Boden. Unter den mich durchzuckenden Wellen schaue ich zu ihm herüber. Aus seinen blauen Augen, die von einer unendlichen Müdigkeit gezeichnet sind, blickt er mich an - die rechte Hand krampfhaft die linke umklammernd, zu einer Faust drückend.

Ich habe ihn unterschätzt - wieder einmal. Wie oft wird das wohl noch passieren?

der dämon und die lethargie

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