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Verbalperiphrase

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Unsicher ist, wann Konstruktionen, die zwei oder mehr Verbstämme umfassen, sich zu Prädikatseinheiten entwickelten. Möglicherweise kamen periphrastische Strukturen, bestehend aus dem Hilfsverb hebben (‚haben‘) und einem Partizip eines transitiven Verbs, schon kurz vor oder zu Anfang der schriftlichen Überlieferung vor, wie Van der Wal vermutet. Allerdings erscheinen Strukturen wie hauet furebraht (‚hat hervorgebracht‘) in Ther fiigboum hauet furebraht sina bittera figon (‚Der Feigenbaum hatte seine bitteren Feigen hervorgebracht‘ LWR 41, 1) abgesehen von einer Ausnahme noch nicht in den Wachtendonckse Psalmen, da das lat. Präteritum jeweils mit einer Imperfektform des Verbs übersetzt wurde. Jünger dürften Prädikate mit dem Hilfsverb zijn (‚sein‘) sein, wie is kuman (‚ist gekommen‘) in wanda sol iusticie nu skiinet, so is kuman thiu heyderhed thes heyligan gelouan ouer al thie wereld (‚dass die Sonne der Gerechtigkeit nun scheint, ist in der Folge die Klarheit des heiligen Glaubens über die ganze Welt gekommen‘ LWR 39, 7).

Die Entwicklung perfektischer Zeitformen, die sich laut Van der Horst vermutlich über Jahrhunderte hinweg vollzog, kann mit Wortgruppen vom Typus hebben in der Bedeutung ‚besitzen‘ ergänzt von einem Objekt und einem prädikativen Attribut beziehungsweise zijn mit nominaler Ergänzung eingesetzt haben. So verdeutlicht R. Schrodt anhand des in der Literatur häufig angeführten Satzes phīgboum habēta sum giflanzōtan in sīnemo wingarten, d.h. ‚(einen) Feigenbaum hatte einer als gepflanzten in seinem Weingarten‘, wie habēn im älteren Althochdeutschen als semantisch eigenständiges Verb vorkommt in Verbindung mit einem Partizip, das einen Zustand des Akkusativobjektes ausdrückt. Diese nominale Lesart stützt sich auf die Kongruenz zwischen der Mask. Akk. Sing.-Endung -an in giflanzōtan und Mask. Akk. von phīgboum. Konstruktionen mit zijn (‚sein‘) und einem Attribut in der Form eines Partizips, das einen Zustand des Subjektes zum Ausdruck bringt, sind in den ältesten niederländischen Quellen zu finden, so gestekit bin (‚bin steckengeblieben‘) in Gestekit bin ic an leimo diupi (‚Im Schlamm der Tiefe bin ich steckengeblieben‘ WPS 68, 3). Ob es sich in derartigen Strukturen jeweils tatsächlich um die semantisch selbstständigen Verben hebben und zijn, verknüpft mit attributiven Ergänzungen handelt oder um Hilfsverben mit Partizip, lässt sich allerdings nicht immer eindeutig feststellen.

Dass perfektische Strukturen wie hebban hagunnan (‚haben angefangen‘) in hebban olla vogala nestas hagunnan (‚Haben alle Vögel damit angefangen, Nester [zu bauen]‘) laut Van der Wal im Altniederländischen noch äusserst selten vorkommen, trifft für die aus dem 9. oder 10. Jh. stammenden Wachtendonckse Psalmen zu: wo aus heutiger Sicht Perfekt oder auch Plusquamperfekt zu erwarten wäre, steht in der Regel wohl in Nachfolge der lateinischen Vorlage Präteritum, so in ic gesag unriht (‚ich sah Unrecht‘ WPS 54, 10). In einem Prädikat wie ist irfullit (‚ist gefüllt‘) in Fluot godis irfullit ist mit uuateron (‚Der Fluss Gottes ist mit Wasser gefüllt‘ WPS h, 64, 10) ist die Form ist als Kopula mit dem prädikativen Attribut irfullit mit uuateron (‚mit Wasser gefüllt‘) und nicht als Hilfsverb einer periphrastischen Struktur aufzufassen. Wohl verwendet der Übersetzer zijn als Hilfsverb in Kombination mit te (‚zu‘) und Infinitiv, so te cumene ist (‚zu kommen ist‘) in Vntes ic cundi arm thinin, cunni allin thia te cumene ist (‚Bis ich Deine Kraft der ganzen Generation, die noch kommen muss, verkünde‘ WPS h, 70, 18). Zudem bildet er im Futurum und Passiv periphrastische Strukturen mit Hilfsverben wie werthan (‚werden‘) und skulan (‚sollen‘ in der Bedeutung von ‚werden‘), so sal in Uuillico sal ic offran thi (‚willig werde ich Dir opfern‘ WPS 53, 8). Übrigens unterscheidet sich das Altniederländische mit der Verwendung von sulun (‚sollen‘, ‚werden‘) für Futurum vom Altdeutschen, das hier werden kennt, noch immer kann zullen im Niederländischen neben worden (‚werden‘) Futurum ausdrücken. Auch willen (‚wollen‘) erscheint bereits im Altniederländischen in Kombination mit einem Infinitiv, wohl als Umschreibung des Optativs, so in Nu willon ich ufsteen ande willo hine suochen (‚Jetzt will ich aufstehen und will ihn suchen‘ LWR 48, 3).

Der Leidener Williram und die Mittelfränkische Reimbibel, die zweihundert Jahre jünger sein dürften, weisen hingegen zahlreiche perfektische Konstruktionen mit den Hilfsverben hebben oder zijn auf, wie Van der Horst darlegt, so nehauon fundan (‚habe nicht gefunden‘) in Ienoch nehauon ich sin niet fundan (‚Ich habe ihn immer noch nicht gefunden‘ LWR 48, 5) oder auch is cuman (‚ist gekommen‘) in Thu quithes, thaz ich scona si, auor al mina sconheyd thiu is mer uan thich cuman (‚Du sagst, ich sei schön, aber alle meine Schönheit ist mir von Dir gekommen‘ LWR 23, 3).

Weiter wird das Passiv, das im Gotischen im Präsens noch eine synthetische Form kannte, neu in umschriebenen Strukturen mit Verben wie worden (‚werden‘) und zijn (‚sein‘) zum Ausdruck gebracht, so uuerthin gihorda (‚wurden gehört‘) in Ne sint spraken noh woorth, thero ne werthin gihorda stemmen iro (‚Es gibt keine Äusserungen oder Wörter, worin ihre Stimmen nicht gehört werden‘ WPS 18, 3). Es ist übrigens nicht immer sicher, inwiefern Strukturen mit zijn und worden in Kombination mit einem Partizip sich eindeutig als Passiv kategorisieren lassen.

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