Читать книгу Handbuch Niederländisch - Jelle Stegeman - Страница 14
1.1.1. Die Frage einer begrifflichen Bestimmung des Niederländischen
ОглавлениеWas unter AN zu verstehen ist und was zu seinen Wesensmerkmalen zählt, kommt in den folgenden Kapiteln ausführlich zur Sprache; eine umfassende Erläuterung des Begriffes erübrigt sich daher an dieser Stelle. Wohl ist AN hier begrifflich näher abzugrenzen und sind sonstige Bezeichnungen für Formen des Niederländischen kurz zu erklären.
Im niederländischen Sprachgebiet verwendet ein Grossteil der Sprecher eine sozio- und dialektfreie Sprache, die sie gemeinhin als Nederlands (‚Niederländisch‘) oder weniger genau auch als Hollands (‚Holländisch‘) bezeichnen. Darunter ist die Sprache zu verstehen, die Angehörige der niederländischen Sprachgemeinschaft in sekundärer Kommunikation, d.h. in Kontakten mit fremden Personen verwenden (vgl. ANS 1984, 12 ff); sie wird im vorliegenden Buch mit AN bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine überregionale Varietät der niederländischen Muttersprache von gegen 24 Millionen Menschen in den Niederlanden, Belgien, Surinam, auf den Inseln mit kommunalem Sonderstatus Bonaire, Saba und Sint Eustatius sowie auf Aruba, Curaçao und Sint Maarten.
Das AN umfasst somit jene Sprachformen, die im gesamten niederländischen Sprachgebiet eine allgemeine Anwendung finden. Grundsätzlich zählen Äusserungen, die ausschliesslich in einem Dialekt oder in einem Soziolekt vorkommen, nicht dazu. Daher wird im Folgenden beispielsweise auf eine systematische Besprechung westflämischer Konjugationen wie die -en-Endung in k werken (‚ich arbeiten [arbeite]‘) verzichtet. Ebenso werden spezifische Äusserungen, deren sich Jugendliche gleicher Herkunft untereinander bedienen wie ga loezoe an Stelle von ga weg (‚gehe weg‘) nicht weiter erörtert.
Für das sozio- und dialektfreie Niederländisch bestehen in sprachwissenschaftlichen Veröffentlichungen unterschiedliche Ausdrücke, wie u.a. Algemeen beschaafd Nederlands (‚Allgemein zivilisiertes Niederländisch‘, abgekürzt: ABN), Algemeen Beschaafd (‚Allgemein Zivilisiertes‘, abgekürzt AB), Algemeen Nederlands (‚Allgemeines Niederländisch‘, abgekürzt: AN), Standaard (‚Standard‘) oder Standaardnederlands (‚Standardniederländisch‘). Die Geschichte solcher Bezeichnungen des Niederländischen, die später kurz zur Sprache kommt (vgl. 3.2., 3.6.), soll hier nicht weiter ausgeführt werden. Dass man in der Fachliteratur seit längerer Zeit auf die Verwendung des früher geläufigen Ausdrucks ABN verzichtet, ist auf das mit B angedeutete Adjektiv beschaafd zurückzuführen. Linguistisch lässt sich nämlich nicht begründen, dass eine Sprachvarietät ‚zivilisiert‘ wäre. Falls man mit ABN die Sprache der beschaafden (‚zivilisierten Menschen‘) meinte, so stellt sich die Frage, wie eine solche Kategorie von Sprechern zu definieren ist und von wem. Wohl sind die Termini Standaard beziehungsweise Standaardnederlands in der niederländischen Sprachwissenschaft gebräuchlich. Allerdings ist ein Ausdruck wie Standaard nicht unproblematisch: ist damit die sozio- und dialektfreie Sprache in den Niederlanden beziehungsweise der Randstad gemeint? Oder bezeichnet Standaardnederlands auch das überregionale Niederländisch im gesamten Sprachgebiet?
Sprecher des Niederländischen verwenden Ausdrücke wie Hollands (‚Holländisch‘) oder Vlaams (‚Flämisch‘) unterschiedlich. So kann sich Hollands auf das allgemeine Niederländische beziehen, der Ausdruck bezeichnet aber auch die Sprache der Einwohner der Provinzen Nord- und Südholland. Mit Vlaams kann man das Niederländisch in Belgien meinen, der Terminus lässt sich aber auch als Sammelbegriff der flämischen Dialekte in Zeeuws-Vlaanderen (‚niederländisch Flandern in der Provinz Seeland‘), Belgien und Nord-Frankreich deuten. Der Kontext macht im vorliegenden Buch deutlich, wie die unterschiedlichen Sprachbezeichnungen jeweils zu verstehen sind.