Читать книгу Einsatz über den Wolken - Jenny Schuckardt - Страница 10

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Erster Luftsieg gegen einen feindlichen Jäger

Ende März wurde ich dazu eingeteilt, einen Probeflug mit einer nagelneuen Me 109 zu machen, bei deren Überführung es technische Probleme gegeben haben sollte. Das Wetter war unsicher, und gleich nach meinem Start zogen dunkelgraue Wolken auf. Ich sah mich gezwungen tiefer zu gehen und steuerte den nächstliegenden Flugplatz einer Jagdgruppe an. Unsere Jägerhorste waren so gut getarnt, dass der Platz von oben nur schwer zu erkennen war. Keine Baracke, kein Flugzeugstand, nichts war von oben sichtbar, erst beim Landeanflug erkannte man, dass dort unten Flugzeug an Flugzeug stand. Als ich mich der Asphalt-Landebahn näherte, bekam ich es mit der Angst zu tun. Es war ein ungewöhnlich schmaler Streifen. Der Sprit wurde knapp, das Wetter immer bedrohlicher, daher hatte ich keine Wahl. Es war eine echte Herausforderung, eine Me 109 mit ihrem schmalspurigen Fahrgestell auf einer extrem schmalen und dann noch verwinkelten Asphaltpiste zu landen. Kurz angestochen, dicht über die Bahn, Linkskurve im Steigflug und dabei nochmal über die Schulter den Platz genauer betrachtet. Dann Gas weg, Fahrwerk und Landeklappen raus zum Endanflug.

Die Platzbegrenzungshecke huschte dicht unter mir weg, so vorsichtig wie möglich setzte ich die Mühle auf den Asphalt. Auch das Spornrad folgte und berührte vorschriftsmäßig den Boden. Puh! Gut gegangen! Gelandet! Doch dann passierte es: Das linke Rad verließ den schmalen Asphaltstreifen und ratterte über den Schotter, zwar mit wenig Fahrt, aber dennoch schnell genug, um einen Ringelpietz zu drehen. Der rechte Flügel berührte den Boden, ich hatte einen Rollschaden verursacht, der Randbogen der Fläche war hin.

Was war mir das peinlich! Ziemlich geknickt und in meinem Stolz gekränkt, stieg ich aus. Meine Kameraden guckten teils mitfühlend, teils grinsend zu. Mist! Die Mechaniker versprachen, meinen Flieger so schnell wie möglich wieder flugtauglich zu machen, doch es würde zwei Tage dauern, da Ersatzteile herbeigeschafft werden mussten. Meine Kameraden flogen indessen weiter, ich war gezwungen, am Boden zu bleiben.

Bei der unsanften Landung hatte ich mir eine leichte Prellung am rechten Arm zugezogen, und so machte ich mich vorsichtshalber auf den Weg in das nahe gelegene Lazarett. Es war schon etwas spät am Abend, doch eine junge russische Ärztin nahm sich meiner an und rieb meinen Arm mit einer nach Eukalyptus duftenden Salbe ein. Das half. Aber noch viel schöner war es, die Nähe dieser bildschönen, wohlriechenden jungen Frau zu genießen. Nach Wochen nur unter meinesgleichen war ich weibliche Gesellschaft kaum noch gewohnt. Tanja hieß sie. Sie hatte helles, leicht gewelltes, weiches Haar, leuchtend gelbgrüne Augen und wirkte ebenso elegant wie sympathisch. Sie hatte eine dunkle, etwas rauchige Stimme und sprach zu meiner Überraschung Deutsch.

»Wie kommt es, dass Sie unsere Sprache sprechen, Tanja?«, fragte ich.

»Meine Mutter ist Wolgadeutsche, mein Vater halb Russe, halb Ukrainer, und als ich zehn Jahre alt war, haben wir drei Monate in Deutschland gelebt.«

Eigentlich fand sie den Einmarsch der Deutschen in Russland unerhört, doch unter Stalin sei es noch viel schlimmer, gerade für die nicht gebürtigen Russen.

Die Nacht brach allmählich herein, die Behandlung war zu Ende, und Tanja lächelte lieb. »Nun sind Sie wieder bereit zu fliegen.«

»Danke, Tanja, danke.«

Nur zögerlich erhob ich mich von der Behandlungsliege. Meine Kameraden waren weg, die Aussicht, die Nacht in den improvisierten Unterkünften mit den Mechanikern zu verbringen, schien mir wenig verlockend. Ich fühlte mich einsam und allein in der Fremde. Also fragte ich Tanja, wo ich denn unterkommen könne – natürlich mit der leisen verstohlenen Hoffnung, sie würde die Nacht mit mir verbringen wollen. Unsere Blicke trafen sich – und es waren keine Worte mehr nötig. Tanja nahm mich mit zu sich, sie servierte mir köstliche Piroggen mit Pilz-Zwiebel-Füllung und erzählte mir von ihrem Land. Irgendwann landeten wir zusammen im Bett, es wurde eine wunderbare Nacht voll Zärtlichkeit und Liebe.

Bis mein Flugzeug repariert war, blieben wir zusammen – wenige kostbare Tage. Danach habe ich nie wieder von Tanja gehört. Oft habe ich mich gefragt, was aus ihr geworden ist, und hoffe inständig, dass sie es in den Westen geschafft hat. Denn »Arbeit für den Feind« galt nach Stalins Definition als Vaterlandsverrat, was dazu führte, dass die Geschichte des Arbeitseinsatzes russischer Freiwilliger unter deutscher Besatzung in der Sowjetunion ein weißer Fleck in den Geschichtsbüchern geblieben ist.

Im Mai 1943 wurde ich nach Odessa ans Schwarze Meer verlegt. Mit meiner eigentlichen Aufgabe, dem Luftkampf Jäger gegen Jäger, wollte es immer noch nicht so recht klappen, bis ich schließlich am 8. Mai, genau zwei Jahre vor meinem letzten Luftsieg, den richtigen Dreh dafür herausbekam: Alarm! Alle Motoren brüllten auf. Auf die Sekunde nach Plan startete die ganze Gruppe. Der Stabsschwarm hob ab. Hinter ihm folgte Staffel um Staffel die erste Gruppe. Zehn Minuten später startete die erste Maschine der zweiten Gruppe. Das Geschwader war in der Luft, eng aufgeschlossen in den Formationen. Und dann wurden wir in einen Luftkampf verwickelt. Im Gewirr fiel mir plötzlich auf, wie sich eine Spitfire an unseren Staffelkapitän, Major Kurt Brändle, heranpirschte. Dieser Typ war der beste Jäger der Royal Airforce und vielleicht das schönste Flugzeug des Zweiten Weltkrieges, und die Westalliierten hatten über 1300 davon an die Russen geliefert.

Es war eine extem brenzlige Situation, denn Brändle konzentrierte sich auf einen anderen Feind und war sich der Gefahr nicht bewusst. Eine gezielte Garbe aus der Feindmaschine, und unser Gruppenkommandeur wäre erledigt. Mir war klar, dass sein Leben in meinen Händen lag. Dieses Flugzeug musste abgeschossen werden.

»Meine Herren, drückt erst auf den Auslöser, wenn das Ziel die gesamte Frontscheibe ausfüllt!«, hörte ich die Stimme meines Jäger-Ausbilders Friedrich Sonnenfelder. Als es so weit war und die Entfernung stimmte, spannte ich alle Muskeln an, feuerte aus allen Waffen und traf. Der feindliche Jäger rauchte, verlor Teile seines Leitwerks und stürzte brennend zu Boden. Ja! Ja! Mein erster Luftsieg gegen einen feindlichen Jäger! Ich schlug mit den Fäusten gegen die Rückenpanzerung des Führersitzes und brüllte vor Begeisterung lautstark durch das Funkgerät, bis Brändle mich zurechtwies. »Mensch Thyben, lassen Sie die Schreierei, ich hab’s gesehen, gut gemacht!«

Von Ausbilder Friedrich Sonnenfelder hätte ich kein Lob, sondern eine dicke Rüge kassiert. Denn in meiner Begeisterung hatte ich seine weiteren Anweisungen schlichtweg vergessen: »Meine Herren, wenn Sie getroffen haben, sollten Sie an Ihr Überleben denken. Umsehen, ob jemand hinter Ihnen erscheint, abdrehen und wenden.«


Seite aus der Fibel der Jagdflieger

Mein geschätzter Lehrmeister hatte mir aber auch noch etwas anderes auf den Weg gegeben: »Meine Herren, das Wichtigste für einen Jagdpiloten ist der erste Sieg. Wenn Sie diesen ohne Trauma erringen, sind Sie auf dem Weg, ein guter Jagdflieger zu werden. Wenn nicht, nistet sich die Furcht vor dem Kampf in Ihrem Unterbewusstsein ein und wird zu Ihrem ständigen Begleiter.«

Major Brändle spendierte an diesem denkwürdigen Tag eine Runde feinsten Branntweins für alle. Nach meinem ersten Luftsieg, im Kreis meiner Kameraden, fühlte ich mich unbesiegbar. Ja, es sollte meine Bestimmung sein, die Jäger der anderen Seite vom Himmel zu holen. Es kam mir nicht vor wie Krieg, vielmehr wie eine Art sportlicher Wettkampf, den der bessere Pilot gewinnt.

Einsatz über den Wolken

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