Читать книгу Verteidigung im Ermittlungsverfahren - Jens Bosbach - Страница 47

1. Das Bestellungsschreiben

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Der Inhalt des Bestellungsschreibens richtet sich nach dem Stand des Verfahrens und dem jeweils zuständigen Strafverfolgungsorgan.

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Ist das Ermittlungsverfahren noch (und nur) bei der Polizei anhängig, empfiehlt sich folgender Text:

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Muster 5

Dr. Karl Robertus

– Rechtsanwalt –

67655 Kaiserslautern, den 8.7.2010

Pfalzstraße 14

Polizeipräsidium

Kriminalpolizei

Am Pfaffplatz

67655 Kaiserslautern

Betr.: Ermittlungsverfahren gegen Herrn Wilhelm Klein wegen Vorwurf des Diebstahls; Kl/15 1064/10

Sehr geehrte Damen und Herren,

in vorbezeichneter Angelegenheit zeige ich unter Vollmachtsvorlage an, dass ich Herrn Klein verteidige.

Auf meinen Rat hin wird Herr Klein zum jetzigen Zeitpunkt keine Angaben zur Sache machen. Ggf. ist zu einem späteren Zeitpunkt beabsichtigt, eine Stellungnahme abzugeben. Heute

b e a n t r a g e

ich schon jetzt nach Weiterleitung der Akten an die Staatsanwaltschaft von dort aus

A k t e n e i n s i c h t.

Sollte von dort aus eine vollumfängliche Akteneinsicht nicht möglich sein, bitte ich in jedem Fall um Übermittlung der privilegierten Aktenteile nach § 147 Abs. 3 StPO.

Ihnen wäre ich zudem dankbar, wenn Sie mir Bescheid geben könnten, sobald Sie die Akten an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet und von dort aus auch ein Aktenzeichen mitgeteilt erhalten haben.

Ich bitte Sie, Kontakt zu meinem Mandanten nur über mich zu suchen. Sollten Angaben zur Person erforderlich sein, bitte ich Sie ebenfalls, mich entsprechend zu informieren. Solche Angaben werden dann nachgeholt.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwalt

Hat der Mandant bereits eine Ladung zu einem Vernehmungstermin, ist der zweite Absatz wie folgt zu ergänzen:

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Mein Mandant wird daher auf meinen Rat hin zu dem von Ihnen festgesetzten Vernehmungstermin nicht erscheinen.

Die Bezeichnung des Delikts in dem Betreff darf nur vorgenommen werden, wenn insoweit (bereits) völlige Klarheit besteht. Existiert auch nur der leiseste Zweifel, ist das zu unterlassen; andernfalls bringt man die Polizei nur „auf Gedanken“.[2]

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Immer wieder findet man in einem solchen Bestellungsschreiben gegenüber der Polizei einen Antrag auf Akteneinsicht. Dies zeugt von Unkenntnis der Verfahrensregeln. § 147 Abs. 5 S. 1 StPO bestimmt: Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet während des vorbereitenden Verfahrens die Staatsanwaltschaft. Das ist eindeutig und einer Auslegung nicht zugänglich.[3]

Aus diesem Grund sind die Polizeibehörden nicht befugt (ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft), Akteneinsicht zu gewähren,[4] auch nicht in Niederschriften und schriftliche Äußerungen des Beschuldigten sowie in Sachverständigengutachten, also die Fälle des § 147 Abs. 3 StPO.

Der Verteidiger sollte um der Korrektheit und seines Ansehens willen sich daran halten. Die Empfehlung, eine persönliche Bekanntschaft zu dem sachbearbeitenden Polizeibeamten auszunützen und auf der Polizeidienststelle Akteneinsicht zu nehmen,[5] ist daher abzulehnen.

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Handelt es sich um ein Verfahren, in dem es einen Verletzten im Sinne der §§ 406d ff. StPO[6] gibt, ist in geeigneten Fällen im Hinblick auf das Akteneinsichtsrecht des Verletzten nach § 406e Abs. 2 StPO neben dem Antrag auf Akteneinsicht gegenüber der Staatsanwaltschaft ein weiterer Antrag zu stellen.

Nach dieser Vorschrift ist dem Verletzten die Akteneinsicht zu versagen, soweit überwiegende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten oder anderer Personen entgegenstehen; bzw. kann dem Verletzten die Akteneinsicht versagt werden, soweit der Untersuchungszweck gefährdet erscheint oder durch die Akteneinsicht das Verfahren erheblich verzögert würde. Ähnliches gilt für § 475 StPO.

Ob diese Voraussetzungen im konkreten Fall vorliegen, darf nur entschieden werden, wenn der Beschuldigte dazu Stellung nehmen konnte. Das folgt schon aus seinem Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne des Art. 103 GG.[7] Also muss dem Beschuldigten seitens der Staatsanwaltschaft mitgeteilt werden, dass der Verletzte einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt hat. Das mag durchaus einmal übersehen/vergessen werden. Daher kann der Verteidiger (in entsprechenden Fällen) schon in dem Bestellungsschreiben gegenüber der Polizei formulieren:

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. . . . . .

Gegenüber der Staatsanwaltschaft stelle ich schon jetzt die

A n t r ä g e:

1. Mir Akteneinsicht zu gewähren.
2. Vor Gewährung von Akteneinsicht an den Verletzten gem. § 406e StPO und/oder § 475 StPO dem Beschuldigten rechtliches Gehör zu gewähren und mir zu diesem Zweck den Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht zur Kenntnis zu bringen.

. . . . . .

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Befindet sich das Ermittlungsverfahren (bereits) bei der Staatsanwaltschaft, empfiehlt sich für das Bestellungsschreiben folgender Text:

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Muster 6

Dr. Karl Robertus

– Rechtsanwalt –

67655 Kaiserslautern, den 8.7.2010

Pfalzstraße 14

Staatsanwaltschaft

Bahnhofstr. 24

67655 Kaiserslautern

Ermittlungsverfahren gegen Hans Steinmetz

wegen Vorwurf Betrugs

Az.: 6110 Js 9432/10

Sehr geehrter Herr Staatsanwalt Kerber,

hiermit zeige ich unter Vollmachtsvorlage an, dass ich Herrn Steinmetz verteidige.

Ich beabsichtige, ggf. für Herrn Steinmetz eine schriftliche Stellungnahme zum Akteninhalt abzugeben. Hierfür

b e a n t r a g e

ich A k t e n e i n s i c h t .

Sollte eine vollumfängliche Akteneinsicht nicht möglich sein, bitte ich in jedem Fall um Überlassung der privilegierten Aktenteile nach § 147 Abs. 3 StPO.

Höre ich nichts Weiteres von Ihnen, gehe ich von einer vollumfänglichen Akteneinsichtsgewährung aus und

b e a n t r a g e

eine Stellungnahmefrist – nach Erhalt der Akten – von 4 Wochen.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwalt

Die Aufnahme eines Antrags für eine Stellungnahmefrist geschieht hierbei lediglich höchst vorsorglich. Denn die Strafprozessordnung sieht keine Stellungnahmefristen oder sonstige Ausschlussfristen im Ermittlungsverfahren vor. Allerdings ist aus der Praxis bekannt, dass Staatsanwaltschaften durchaus entsprechende Stellungnahmefristen zwischen zwei und mitunter sechs Wochen (bei größeren Verfahren) vormerken und sich die Akten hiernach wieder vorlegen lassen. Diese „internen Fristen“ sind für den Verteidiger enorm bedeutsam. Denn wartet er zu lange mit einer etwaigen Stellungnahme oder mit einer Kontaktaufnahme bei der Staatsanwaltschaft, kann es sein, dass seine Sicht der Dinge erst gehört wird, wenn der Staatsanwalt sich schon seine Meinung gebildet oder gar eine verfahrensleitende Maßnahme angeordnet hat; d. h. dass der Strafverteidiger möglicherweise zu spät kommt. Um dem vorzubeugen, bietet es sich an, eine entsprechende „interne Frist“ zu beantragen. Höchst vorsorglich kann dabei auch noch folgender Satz mit aufgenommen werden: „Höre ich nichts Weiteres von Ihnen, gehe ich von einer entsprechenden stillschweigenden Stellungnahmefrist nach Erhalt der Akteneinsicht aus.

Aufgrund der Bedeutung dieser „internen Fristen“ ist es für den Strafverteidiger auch unerlässlich, die letzten schriftlichen Verfügungen des jeweiligen zuständigen Dezernenten der Staatsanwaltschaft in der Akte genau zu beachten, da sich hieraus oftmals ohnehin von selbst ergibt, wann der Staatsanwalt mit einer Stellungnahme rechnet oder er jedenfalls die Akte wieder vorgelegt erhält. Hieran hat sich der Verteidiger zu orientieren und ggf. – bei zu kurzen Fristen – das Gespräch mit dem Staatsanwalt zu suchen. In einem solchen Gespräch wird sich oftmals auch klären lassen, wo von Seiten der Staatsanwaltschaft Probleme gesehen werden und wo nicht. Dies kann hilfreich sein, um vielleicht auf den ersten Blick problematische, für den Staatsanwalt aber bislang völlig unproblematische Bereiche nicht unnötig zu dramatisieren und so den Blick auf das Wesentliche zu beschränken.

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Hat der Mandant bereits eine Ladung zu einem Vernehmungstermin erhalten, ist das Schreiben wie folgt zu ergänzen:

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Soweit dortigerseits bereits Termin zur Vernehmung des Beschuldigten auf den 15.7.2010 bestimmt ist, stelle ich den

A n t r a g,

diesen Termin aufzuheben.

B e g r ü n d u n g:

Der Beschuldigte wird auf meinen Rat hin in diesem Termin von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen. Eine Aufrechterhaltung des Termins würde das Verfahren daher nur unnötig verzögern.

. . . . . .

Handelt es sich um ein Verfahren mit einem Verletzten im Sinne der §§ 406d ff. StPO, ist dem Antrag auf Akteneinsicht in geeigneten Fällen der weitere Antrag hinzuzufügen:[8]

82

Vor Gewährung von Akteneinsicht an den Verletzten gem. § 406e StPO dem Beschuldigten rechtliches Gehör zu gewähren und mir zu diesem Zwecke den Antrag auf Akteneinsicht zur Kenntnis zu bringen.

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Der Verteidiger hat ein Recht auf Akteneinsicht. Die Staatsanwaltschaft gewährt mit der Akteneinsicht keine Gnade, sondern kommt ihrer Verpflichtung aus § 147 StPO nach. Der Verteidiger soll deshalb nicht um Akteneinsicht „bitten“,[9] vielmehr sie beantragen. Wenig glücklich sind auch Zusätze wie „umgehende Rückgabe sichere ich zu“. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass der Verteidiger die Akten umgehend zurückgibt. Zumal ihm in der Regel seitens der Staatsanwaltschaft sowieso eine entsprechende Frist gesetzt wird. Unverständlich sind Formulierungen wie „Akteneinsicht für 24 Stunden“[10]. Kein einigermaßen beschäftigter Verteidiger kann eine solche Frist einhalten. Sie fördert zudem die Neigung der Staatsanwälte, unzumutbar kurze Fristen für die Akteneinsicht zu setzen. Zudem wird es in den allermeisten Fällen erforderlich sein, nicht lediglich eine vom Sekretariat erstellte Kopie der Ermittlungsakte zu sichten. Der Strafverteidiger wird vielmehr das Original der Ermittlungsakte durchsehen müssen, um gerade bei Lichtbildern, handschriftlichen Schriftstücken den wahren Wert des Inhalts der Ermittlungsakte überhaupt bestimmen zu können. Zudem sind oftmals wesentliche Verfügungen der Ermittlungsbehörden lediglich auf Rückseiten von Blättern (teilweise farblich abgehoben) in der Ermittlungsakte vorhanden. Werden solche Verfügungen durch die Unachtsamkeit des Büropersonals ausnahmsweise einmal übersehen, kann dies zu einer gewichtigen Wissenslücke auf Seiten des Verteidigers führen. Um eine Ermittlungsakte im Original und in Ruhe durchsehen zu können, kann die Überlassung für die Zeit von lediglich 24 Stunden nicht ausreichen. Dies jedenfalls dann nicht, wenn der Strafverteidiger noch einen zweiten Fall zu bearbeiten hat. Üblicherweise wird deswegen die Akteneinsicht auch für 3 Tage gewährt, wenn nicht Besonderheiten auf Seiten der Ermittlungsbehörden dagegen sprechen. Solche Besonderheiten können am besten mit dem zuständigen Dezernenten der Staatsanwaltschaft direkt telefonisch besprochen und geklärt werden.

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Ist der Mandant (bereits) zu einer richterlichen Vernehmung geladen, ist folgendes Schreiben anzuraten:

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Muster 7

Dr. Karl Robertus

– Rechtsanwalt –

67655 Kaiserslautern, den 8.7.2010

Pfalzstraße 14

Amtsgericht

– Ermittlungsrichter –

Bahnhofstr. 24

67655 Kaiserslautern

Ermittlungsverfahren gegen Uwe Aberle

wegen Verdachts der Körperverletzung

Az.: 2 a Gs 187/10

Sehr geehrter Herr Richter am Amtsgericht Maier,

ich zeige unter Vollmachtsvorlage an, dass ich Herrn Aberle verteidige. Gleichzeitig stelle ich den

A n t r a g ,

den angesetzten Vernehmungstermin vom 20.7.2010 aufzuheben.

Begründung:

Herr Aberle wird auf meinen Rat hin zum jetzigen Zeitpunkt von seinem Recht Gebrauch machen, die Aussage zu verweigern. Eine Aufrechterhaltung des Termins würde das Verfahren deswegen nur unnötig verzögern. Ggf. ist beabsichtigt, für Herrn Aberle eine Stellungnahme zum Akteninhalt abzugeben. Hierfür

b e a n t r a g e

ich, mir A k t e n e i n s i c h t zu gewähren (nach Weiterleitung der Akten an die Staatsanwaltschaft).

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwalt

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Schwierigkeiten gibt es mit dem Bestellungsschreiben, wenn das Aktenzeichen oder gar die sachbearbeitende Dienststelle nicht bekannt ist. „Auf Verdacht“ zu schreiben ist riskant. Denn das Schreiben und die Vollmacht kommen oft zurück mit dem Vermerk „Hier kein Vorgang festzustellen“. Oder aber sie werden weitergeschickt, gelangen jedoch erst zu einem Zeitpunkt an den zuständigen Sachbearbeiter, in dem schon Nachteile für den Mandanten entstanden sind. Dem kann der Verteidiger begegnen, indem er telefonisch Aktenzeichen und/oder Dienststelle erfragt. Das klingt furchtbar einfach. Die Praxis sieht hingegen anders aus. Denn dem Verteidiger, der in diesem Zeitpunkt noch nicht durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht ausgewiesen ist, werden die Datenschutzgesetze entgegengehalten. Hier hilft nur, dem Gesprächspartner möglichst viele Daten zu nennen (Name, Geburtstag und Anschrift des Mandanten, Zeitpunkt des Vorfalls etc.), um zu dokumentieren, dass ein „Wissender“ anruft. Auch sollte ein (Kontroll-)Rückruf angeboten werden. Schließlich kann sofort ein Schreiben per Telefax übermittelt werden, das das soeben geführte Telefonat „beweist“. Ohne Fingerspitzengefühl und Vertrauensvorschuss wird der Verteidiger jedoch nicht auskommen. Dabei zahlt sich aus, wenn er den Ruf eines seriösen Verteidigers genießt.

Teil 2 Die ersten Tätigkeiten des VerteidigersII › 2. Der Griff zum Telefon

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