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Jameson

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Im Hinterzimmer des Cure dabei erwischt zu werden, wie ich die Zukünftige meines besten Freundes auf der Afterparty ihres Hochzeitsprobedinners küsse… lasst mich einfach sagen, das war nicht Teil meines Plans.

Die Nacht beginnt mit dem Knallen von Sektkorken, die hinter der Bar durch die Gegend fliegen. Die Lichter sind ganz nach unten gedreht und eine Playlist von Purity Ring Remixes dringt laut aus den Lautsprechern. Die Türen nach draußen sind weit geöffnet, um die salzige Luft und das Rauschen der Ozeanwellen, die in der Ferne an den Redemption Beach krachen, hereinzulassen.

Leute trinken auf das glückliche Paar. Das ist etwas verfrüht, wenn man mich fragt, aber niemand hat das getan. Also halte ich einfach meine Klappe und arbeite hinter der Bar. Hinter der Bar bin ich immer noch der Barkeeper, der Herr meines kleinen Reiches.

Im Restaurantbereich müsste ich mit Hedgefondmanagern und CEOs und Instagrammodels verkehren. Der Sorte Leute, die auf teure Privatcolleges gegangen sind und sich darüber unterhalten, wo sie den Sommer verbringen. Nicht meine Welt.

Sie sind alle wegen Asher und seiner vermögenden Verlobten Jenna hier. Und ich bin auch hier, ich und die anderen Hart Brüder. Wir springen für Ashers Familie ein, denn sie interessieren sich nicht wirklich für ihn und wir schon.

Der heutige Abend ist nur für Asher. Das muss ich mir einfach immer wieder in Erinnerung rufen.

Wirklich, es ist okay, mich in der Gegenwart von Youtube-Starlets und Tennisprofis aufzuhalten, denn die meisten von ihnen halten mich ohnehin nur für die Aushilfe. Sie wissen wahrscheinlich nicht einmal, dass diese Bar Asher und mir gemeinsam gehört.

Was für mich mehr als in Ordnung ist.

Nicht zum ersten Mal heute Abend wünsche ich mir, ich wäre am Strand und würde mit einem Surfbrett unter dem Arm auf das Wasser zu rennen. Tatsächlich sehne ich mich danach, in diesem Moment überall zu sein, nur nicht hier.

Aber das bin ich nicht. Ich bin hier. Ich muss mich nützlich machen, Bestellungen entgegennehmen und Drinks mixen. Ansonsten werde ich zu einem schmollenden, wütenden Mann-Kind. Niemand will das, vor allem nicht heute Abend.

Ich stehe hinter der Bar, ein Geschirrtuch über meine Schulter geworfen und starre mit leicht säuerlicher Miene hinunter auf die Schar der Hochzeitsgäste. Ich überlege, ob ich für die Gruppe Wassergläser an der Bar aufreihen sollte oder nicht. Die Party ist definitiv ein Erfolg, was bedeutet, dass mittlerweile fast jeder leicht betrunken ist.

Ich habe sogar auf die teuren Bourbons zurückgegriffen, etwas, das ich bei den anderen Barkeepern missbillige. Aber heute Abend ist eine Party, eine Feier im gewissen Sinne. Auch wenn mir nicht gefällt, was die Leute feiern, muss ich trotzdem hier sein.

Maia, eine süße Asiatin, die einen spitzen Sazerac macht, lässt ihr Tablett auf die Theke fallen. Sie zieht ihr hautenges schwarzes Cocktailkleid ein Stück nach unten.

„Jameson! Öffne bitte eine von den Flaschen mit Rosé Schampus“, bittet sie, wobei ihr britischer Uperclass-Akzent sogar das Wort Schampus kultiviert klingen lässt.

Ich ziehe fragend eine Augenbraue hoch. „Warum?“

„Die Braut möchte ‚etwas Pinkes mit Bläschen‘“, antwortet sie achselzuckend. „Ich bin eine Kellnerin. Sie gibt mir eine Bestellung, ich komme und bitte darum. Du schenkst die Getränke ein. So funktioniert es normalerweise.“

Sie wirft mir einen Blick zu, als wüsste sie genau, was ich gerade gedacht habe, und dass sie es nicht gutheißt.

„Mmmpf“, erwidere ich missmutig. Sekt Rosé steht heute Abend eigentlich nicht auf der Karte, aber ich tue, was verlangt wird. Es ist immerhin für Asher.

„Hättest du was dagegen, mir einige Sektgläser runterzuholen, wenn du schon dabei bist, Boss?“, fragt sie und schenkt mir ein liebenswürdiges Lächeln. „Du bist eine Million Meilen größer als ich.“

„Ich bin eins neunzig“, korrigiere ich sie. „Du bist einfach nur wirklich klein.“

Sie streckt mir die Zunge raus und ich gluckse. Ich ziehe eine Lage der Gläser, die sie will, aus dem Regal an der Wand und stelle sie auf die Theke.

Ich drehe mich zu der hochaufragenden, neon-beleuchteten Wand mit verschiedenen Alkoholsorten. Sie sind alle nach Art gruppiert: Whiskys und Bourbons zusammen, Wodkas und Gins und Aquavits, Rums und Tequilas und Mezcals, Piscos und Brandies und einige Dutzend Weinflaschen.

Wir befinden uns im Cure, der Bar, die mir zusammen mit meinem besten Freund Asher und meinen zwei Brüdern, Gunnar und Forest, gehört. Momentan ist das Cure wegen Ashers Hochzeitsfeier für die Öffentlichkeit geschlossen. Ungefähr vierzig beschwipste Hochzeitsgäste sind am Vorabend der Hochzeit alle hier versammelt.

Es ergibt Sinn, soweit es um Veranstaltungsorte geht.

Das Cure war immerhin Ashers Idee. Er wird der Erste von uns vieren sein, der heiratet. Ich sollte mich für ihn freuen, doch das tue ich nicht. Ich hasse seine Verlobte Jenna und ich denke, er könnte jemand viel Besseren als sie finden.

Aber ich schlucke meine Worte hinunter. Die Zeit, all meine Gedanken und Meinungen über Jenna und die Hochzeit auszudrücken, war gekommen und gegangen. Ich sagte meinen Teil. Asher nannte mich einen Arsch.

Und das bin ich, ohne jeden Zweifel. Ein Versager, ein Menschenhasser, ein antisozialer Grübler, für den es ein völliger Schuss ins Blaue war, diese Bar zu eröffnen. Diese Bar, das Großziehen meiner kleinen Brüder und meine Freundschaft mit Asher sind wirklich die einzigen guten Dinge, die ich jemals getan habe.

Gott weiß, wenn es eine kosmische Gleichung meines ganzen Lebens gäbe, gäbe es reichlich schlimme Dinge in meiner Vergangenheit, die die Waage in die Richtung neigen würden, dass ich ein richtiges Stück Scheiße bin. Da gäbe es beispielsweise jung die Schule abzubrechen, eine endlose Reihe Surfermädels und hübscher Bargäste zu daten, ständig Party zu machen und in meinen Zwanzigern nicht nur eines, sondern gleich zwei Motorräder zu schrotten.

Ich weiß, dass mich meine Vergangenheit und meine Tendenz zu Schwermut nicht gerade liebenswert machen. Ich arbeite an Widergutmachung, langsam.

Ich tauche unter die Bar zu den Lowboy-Kühltruhen, in denen die Flaschen mit Weißwein und Sekt aufbewahrt werden. Ich suche eine Sekunde, dann finde ich die richtige Flasche. Der Rest ist Muskelgedächtnis, die Folie abziehen und das Metallgestell aufbiegen. Ich lasse den Korken mit so wenig Tamtam wie möglich knallen und beäuge meinen Bruder Gunnar, während ich den Schampus in die Sektgläser gieße, die ich auf der Theke bereitgestellt habe.

Gunnar steht neben mir an der Bar und schüttet Wodka und etwas Zimtlikör in einen Cocktailshaker. Eine ganze Schlange hübscher Mädchen wartet auf die Shots, die er mixt. Ich räuspere mich und werfe ihm einen Blick zu.

Gib den Mädels nicht noch mehr Wodka, sagt der Blick. Im Ernst.

Er grinst und zwinkert mir zu, dann ruft er den Mädels zu, sie sollen sich rückwärts über die Marmoroberfläche der Bar beugen, damit er ihnen ihre Shots geben kann. Natürlich tun sie das, kichernd.

Ich kann meine Augen nicht stark genug verdrehen. Ich stelle die Sektgläser auf das Tablett, das Maia vorbeigebracht hat. Sie nimmt es mit einem fake Lächeln entgegen und trägt es zur Braut davon.

Sie mag Jenna auch nicht. Asher ist der Einzige des Personals, zu dem Jenna nett ist. Der Rest von uns wird für unter ihrer Würde erachtet.

Ich schaue quer durch die Bar zu dem Tisch, an dem Jenna von ihrer ganzen reichen, versnobten Clique umringt ist. Ich beobachte, wie Maia den Sekt an Jennas Tisch bringt, wo die hübsche Eiskönigin Jenna gerade eine Geschichte erzählt.

Ich sehe, dass Jenna ihr leeres Glas gedankenlos zu Maia schiebt. Die Musik hier drin ist zu laut, um hören zu können, was Jenna sagt, aber ein Blick auf ihre geröteten Wangen und ihre übertriebene Mimik, während sie mit den Leuten spricht, die um sie versammelt sind…

Yeah, sie ist betrunken. Nicht nur betrunken, sondern auch fordernd. Sie leert das Sektglas mit zwei Schlucken und streckt das Glas dann Maia hin, damit sie ihr nachschenkt.

Abermals stellt sie keinen Augenkontakt her. Jenna ist zu beschäftigt damit, ihre Geschichte laut zu erzählen. Alle am Tisch lachen gleichzeitig los und sie scheint sich pudelwohl zu fühlen, während sie in deren Schmeicheleien badet.

Maia nimmt das Sektglas und läuft zu einem anderen Tisch, um nachzusehen, ob die Leute dort irgendetwas brauchen.

Ich knirsche mit den Zähnen. Man würde meinen, dass Maia nur irgendein unbekanntes Gesicht sei, eine Bedienung in irgendeinem Restaurant… aber in Wahrheit sind Asher und Jenna zusammen, seit dieser Laden aufgemacht hat. Maia war unsere zweite Angestellte.

Einfach gesagt, sie kennen einander.

Wir hätten für diese Party Catering-Personal anheuern sollen, denke ich. Auf diese Weise hätten alle bei der Party mitfeiern können. Und das Personal hätte einen Bogen um Jennas Tisch machen können…

Ich wende mich ab und beiße mir auf die Zunge. Als Maia zurückkommt, sage ich ihr, dass sie Jenna nicht mehr bedienen muss. Ich werde das übernehmen.

Die Lage zwischen Asher und mir war während der letzten paar Wochen mehr als ein wenig anspannt, seit ich ihm erzählt habe, wie ich empfinde. Obwohl wir seit fast zwanzig Jahren beste Freunde sind, wurde es verdammt unangenehm, sobald die Worte meinen Mund verlassen hatten.

Jetzt sind wir hier. Asher schmiert Jennas Eltern drüben bei der Tür zur Terrasse Honig ums Maul, wobei er so golden aussieht wie ich dunkel bin. In seinem karierten Hemd und Khakis verkörpert er genau den Mann, von dem du dir wünschst, dass ihn deine Prinzessin-Tochter heiratet.

Ich schwöre bei Gott, ich kann seine Zähne sogar durch den verdammten Raum jedes Mal funkeln sehen, wenn er lacht. Asher ist fast ein gottverdammter Disney Prinz, mein komplettes Gegenteil.

Mir fällt wieder ein, dass ich diese Party für ihn schmeißen soll und behalte meine Gedanken über Jenna für mich.

„Hey“, sagt eine Stimme. Ich wende mich von Asher ab und entdecke seine kleine Schwester Emma, die sich auf einen Hocker an der Bar schiebt.

Emma ist vierundzwanzig, hat rabenschwarze Haare, die sie auf edle Weise hochgesteckt hat, und sie trägt ein hellrosa Bodycon-Kleid, als sei es ihr Job.

Ich bin allerdings nicht so dumm, so zu tun, als wüsste ich es. Während der letzten sechs Jahre war ich sorgsam darauf bedacht, sie nicht zu bemerken. Sie ist die reiche Prinzessin, der es an nichts fehlt. Ich mag ja eine Menge Dinge sein, aber ich bin definitiv nicht ihre Kragenweite und sie nicht meine. Es gibt zahllose Gründe, warum ein Kerl wie ich jemanden wie sie nicht einmal anschauen sollte.

Zum einen ist Emma viel jünger als ich. Zum anderen ist sie das, was man als lebhaft beschreiben würde. Als der Einzelgänger, der hinter der Bar steht und grübelt, stehe ich definitiv nicht auf ihre muntere Art.

Dann ist da noch nie Tatsache, dass sie Jura studiert, wohingegen ich die High School abgebrochen habe. In dieser Hinsicht trennen uns Welten.

Außerdem, wenn Asher herausfände, dass ich auch nur einen unanständigen Gedanken über seine kleine Schwester hege, würde er einen verdammten Schlaganfall erleiden. Und dann würde er mich umbringen.

Das wäre eine traurige Art zu sterben.

Ich funkle Emma finster an. „Solltest du dich nicht unters Volk mischen? Du weißt schon, deine hochnäsige Familie repräsentieren in Anbetracht dessen, dass sie sich nicht dazu herabgelassen haben, ihr Gesicht hier zu zeigen?“

Emma grinst mich an, ihre grünen Augen glitzern vor Freude. Das ist genau das, was ich mit lebhaft meine. Ich weigere mich, meine Augen tiefer wandern zu lassen, um ihre Titten abzuchecken… aber ich bin mir sicher, sie sind spitze.

„Meine Eltern sind absolut entsetzt, dass Asher eine Freundin gefunden hat, die keine soziale Außenseiterin ist. Sie kochen geradezu, dass er ohne irgendwelche Hilfe von ihnen so eine gute Partie gemacht hat. Also, nein, ich repräsentiere sie nicht.“ Sie beugt sich näher zu mir und beißt sich anzüglich auf die Lippe. „Was hast du da hinten, das kein Wein ist?“

Schau nicht auf ihre Titten. Schau nicht auf ihre Titten, bläue ich mir ein. Dann schaue ich trotzdem auf ihre Titten, klein, aber perfekt, von ihrem Kleid nach oben gepusht.

Ich löse meine Augen von ihr, sowie mir bewusst wird, was ich da tue. Verdammte Scheiße. Das Letzte, das ich brauche, ist, dass Emma mich für einen beschissenen Perversen hält.

Ich stelle Augenkontakt mit ihr her und zögere. Es gibt jede Menge Flirtsprüche, die mir in den Sinn kommen, aber ich ignoriere sie.

„Welche Sorte Alkohol möchtest du?“, frage ich, drehe mich um und nehme einen metallenen Cocktailshaker in die Hand.

„Mmm…“, sagt sie, während sie eine Locke ihres dunklen Haares um einen Finger wickelt. „Wodka? Ich möchte etwas, das nicht nach Alkohol schmeckt.“

Ich mache ein missbilligendes Geräusch. Emma legt den Kopf schief.

„Du hast gefragt, was ich will!“, protestiert sie. „Ich will etwas Süßes.“

Ich schüttle den Kopf, schnappe mir den Wodka und schütte ihn in den Cocktailshaker. „Magst du Limonade?“

„Wer mag die nicht?“, fragt sie.

Ich gieße frischgepressten Zitronensaft und etwas selbstgemachten Sirup in den Behälter, füge eine Handvoll Eiswürfel hinzu und dann schüttle ich. Ich gieße alles in ein Cocktailglas und toppe das Ganze mit einem Spritzer frischen Himbeerpüree. Anschließend stecke ich einen Strohhalm in das Glas, ziehe etwas von der Mischung in den Strohhalm und diesen heraus, um zu probieren.

Zitrone und Zucker treffen lange vor dem Wodka auf meine Geschmacksnerven. Ich rümpfe meine Nase wegen der Süße. Allerdings ist es perfekt für sie. Als ich es ihr mit einem neuen Strohhalm serviere, leuchten ihre Augen auf.

„Ooooh“, sagt sie. „Er ist hübsch.“

„Jepp“, erwidere ich und mache mich daran, meinen Shaker auszuwaschen.

Emma nippt an dem Cocktail, die Ellbogen auf den Tresen gestützt. „Das ist fantastisch! Wie nennt man den?“

Ich mustere sie. „Schulmädchen Spezial“, antworte ich trocken.

Sie errötet, ihre Wangen werden eine Spur dunkler als ihr rosa Kleid. „Du bist der absolut Schlimmste.“

Das bringt mich zum Grinsen. „Du würdest gut daran tun, dir das zu merken.“

Ich zwinkere ihr zu und sie rollt mit den Augen. „Danke für den Drink.“

Sie nimmt ihren Cocktail und läuft mit schwingenden Hüften davon. Ich beobachte sie einige Sekunden beim Weglaufen, mein Mund wird leicht trocken.

„Ernsthaft?“, sagt mein Bruder Forest, der hinter der Bar neben mich tritt. Forest ist mein mittlerer Bruder. Er ist so herausgeputzt, wie ich leger gekleidet bin, denn er trägt eine dunkle Anzughose und ein weißes Hemd. Seine dunklen Haare sind kurz geschnitten, nicht fast-zu-lang und zerzaust wie meine.

Ich reiße meinen Blick von ihr los und schaue stattdessen hinab auf mein schwarzes T-Shirt und schwarze Jeans. Forest ist allerdings noch nicht fertig. „Hier sind so viele heiße Mädels und du starrst Emma hinterher? Was stimmt nur nicht mit dir?“

Er hat recht. Mit dreiunddreißig sollte ich definitiv niemandem hinterherschauen, der beinahe ein Jahrzehnt jünger ist als ich. Ich räuspere mich und schüttle den Kopf.

„Weil ich ein verdorbener alter Mann bin. Wo wir gerade von Leuten sprechen, die zu jung für uns sind, wo ist Addison heute Abend?“, frage ich, um das Thema zu wechseln.

Er runzelt die Stirn und dreht sich leicht, um mich auf seine Verlobte aufmerksam zu machen. Sie ist eine sehr dünne Rothaarige in einem roten Seidenkleid und steht mit einer kleinen Gruppe von Frauen neben der Eingangstür.

„Genau dort. Und sie ist nicht zu jung für mich. Sie ist sehr erwachsen für ihr Alter.“ Er greift in eine der Kühltruhen unter der Bar und holt sich ein Bier, dessen Kronkorken er wegschnipst.

„Aha“, sage ich. Ich lehne mich nach hinten gegen die Bar. „Ich meine mich daran zu erinnern, letzten Monat zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag eingeladen gewesen zu sein.“

„Ach, halt den Rand“, schimpft Forest und verzieht das Gesicht. Er trinkt einen Schluck von seinem Bier. „Du bist nur eifersüchtig.“

„Auf Addison? Sie ist so kontrollierend, Alter. Darauf stehst du, nicht ich.“

Jetzt blickt er mich wirklich wütend and. „Und nochmal, halt den Rand. Asher hat mich auch gebeten, dich daran zu erinnern, allen reichlich Wasser auszuschenken. Niemand will morgen sehen, wie sich Jenna während der Trauung von ihrem Mageninhalt verabschiedet.“

Ich werfe einen Blick auf Jenna und sehe, dass sie pantomimisch etwas darstellt, das schreckliche Ähnlichkeit mit dem Blasen eines riesigen Schwanzes hat. Alle um sie herum lachen und sie kippt sich ein weiteres Glas pinken Schampus hinter die Binde.

Abscheu steigt in mir hoch. Wirklich, Asher?, denke ich. An die willst du dich für den Rest deines Lebens binden?

Forest lacht über meinen Gesichtsausdruck und schlägt mir auf die Schulter. „Du musst lernen, deine Gedanken besser zu verbergen, J.“

„Ich verstehe einfach nicht, was Asher an ihr findet“, lamentiere ich.

„Und trotzdem bist du hier und veranstaltest die Party nach ihrem Probedinner“, sagt Forest. Ich sehe, wie Addison ihren Kopf dreht und nach Forest sucht. Er bemerkt es auch und seufzt. „Okay. Ich muss zu dem Gespräch zurück. Vergiss aber nicht das Wasser.“

„Yeah“, antworte ich seinem Rücken, da er bereits auf dem Weg an die Seite seiner Verlobten ist. „Klar.“

Ich denk an die Kästen mit Wasserflaschen, die wir haben. Ich müsste nach oben gehen, um sie zu holen, die knarzige, vermaledeite Treppe hoch und in den staubigen kleinen Lagerraum, aber dann könnten sich die Leute das Wasser einfach mitnehmen. Ich laufe in das private Hinterzimmer, das zugleich als Büro fungiert, und dann die Treppe hoch.

Dort schnappe ich mir zwei Kästen Wasser und gehe wieder nach unten. Doch als ich dieses Mal das Büro betrete, bin ich nicht allein.

Jenna ist dort, gekleidet in ein weißes Seidenkleid und sie ist sternhagelvoll. „Heyyyyy, da bist du ja“, säuselt sie.

Ich ziehe meine Brauen hoch. „Du hast nach mir gesucht?“

„Ja“, sagt sie und kommt näher. Ich kann den Wein in ihrem Atem riechen, was schon was heißen will, da Wein eigentlich keinen sonderlich starken Geruch hat. Sie schwankt leicht. „Ich möchte, dass du mir mit meinem Kleid hilfst.“

„Okay, warte kurz“, sage ich und stelle das Wasser auf den Schreibtisch. „Willst du nicht lieber, dass Asher dir hilft?“

„Nein!“, schreit sie und wirbelt herum. Meine Güte, sie ist wirklich betrunken. Sie schiebt ihre blonden Haare über ihre Schulter. Ich betrachte ihren Rücken und kann sehen, dass das Kleid an ein paar Stellen entlang des Reißverschlusses aufgeplatzt ist. „So darf er mich nicht sehen!“

„Okay…“, sage ich und runzle die Stirn. „Ich weiß allerdings nicht, ob ich das in Ordnung bringen kann.“

Sie beginnt, den Reißverschluss des Kleides zu öffnen, wobei sie über ihre eigenen Füße stolpert. „Zieh es mir aus!“

„Warte nur eine Sekunde –“, setze ich an. Sie stolpert erneut und ist im Begriff, hinzufallen.

„Wa –“, beginnt sie zu kreischen.

Hass hin oder her, ich mache einen Schritt nach vorne und versuche, sie aufzufangen. Diese Reaktion ist einfach so tief in mir verwurzelt, wie eine Art Muskelgedächtnis. Ich packe sie und drehe sie um.

Jenna, betrunken wie sie ist, fängt zu lachen an, wobei sie mir ihren Weinatem ins Gesicht pustet. Ihr Lippenstift ist knallrot und an ihrer Oberlippe leicht verschmiert. „Du hast mich aufgefangen!“

„Yeah, alles klar –“, sage ich und versuche, sie dazu zu bringen, zu stehen. „Ernsthaft, Jenna…“

Ich sehe, dass ihre braunen Augen nach unten zu meinem Mund huschen. Eine halbe Sekunde, bevor sie mich küsst, realisiere ich, was sie gleich tun wird. Ihr Gesicht kommt meinem immer näher, ihre Augen sind halb geschlossen.

„Jenna, was zum Henker treibst du da?“, frage ich, aufrichtig verwirrt.

Es gelingt mir sie bei den Schultern zu packen und zurückzuschieben, aber das bringt sie nur dazu heftig zu lachen.

„Denkst du, ich habe nicht gesehen, wie du mich anschaust?“, sagt sie. „Ich weiß, dass du mich beobachtet hast. Das habt ihr alle.“

„Was? Ich –“

Sie packt meinen Schwanz durch meine Jeans, wodurch ich mich automatisch nach vorne krümme. „Lass mich verdammt nochmal los!“

Dann setzt sie zum Todesstoß an, während ich völlig aus dem Konzept bin. Sie küsst mich und stöhnt dabei obszön.

Was der perfekte Moment für Asher ist, um in den Raum zu laufen.

„Was zum Donnerwetter?“, sagt er entsetzt. „Jenna? Jameson? Was zum Teufel!“

Ich schaffe es, Jenna von mir zu stoßen und wische mir über den Mund. Ich drehe mich zu Asher. „Sie hat mich angefallen.“

Wumm! Ich sehe seinen Schlag fast nicht kommen. Er hat allerdings seine ganze Kraft hineingelegt. Asher hat fast meine Größe und ist muskulöser als ich. Sein Schlag trifft meine Unterlippe, was überraschender als alles andere ist.

Die Wucht lässt mich einige Schritte nach hinten taumeln. Ich bin schockiert. Ich spüre Blut aus meinem Mund tröpfeln. „Was zum Henker?“, frage ich und fasse mir an die Lippe.

„Du verdammtes Arschloch!“, brüllt er.

„Ich bin nicht derjenige, den du anschreien solltest, Alter!“ Ich deute auf Jenna, die angefangen hat, unkontrolliert zu lachen.

„Ihr seid beide solche Scheißkerle!“, verkündet sie. „Ihr könnt mich beide mal kreuzweise.“

Asher läuft tief rot an. Damit hat er nicht gerechnet, schätze ich. Er dreht sich um und stürmt aus dem Hinterzimmer.

Ich bin ihm direkt auf den Fersen. Er stößt einen Schrei aus, als er die Bar erreicht, und fegt ein Tablett mit Sektgläsern vom Tresen auf den Boden. Die ganze Party kommt zu einem abrupten Halt, auch wenn die Musik weiterläuft.

„Die Hochzeit ist abgesagt!“, schreit Asher und läuft schnurstracks zur Eingangstür.

„Asher –“, probiere ich, doch er stößt nur die Tür auf und verschwindet.

Ich hole Luft und mir wird bewusst, dass mich jede einzelne Person in der Bar anstarrt. Da sie niemand ist, der sich die Show stehlen lässt, taumelt Jenna aus dem Hinterzimmer und übergibt sich prompt auf alles in ihrer Nähe. Ihr Kleid ist im Rücken entzweigerissen und bedeckt geradeso das Nötigste, was sie nur noch erbärmlicher wirken lässt.

Laut ist sie auch noch. Ich schaue zu ihr zurück und fühle rein gar nichts. Keinen Hass, keine Wut… nur ein emotionales Vakuum.

Tja, wenigstens starren die ehemaligen Hochzeitsgäste nicht mehr mich an.

Mehrere Leute eilen zu Jenna und ich mache mehr als gerne Platz für sie. Forest kommt zu mir und sieht angepisst aus.

„Was zum Teufel?“, sagt er. „Meine Güte, du blutest.“

„Jenna ist ins Hinterzimmer gekommen und hat sich an mich rangeschmissen“, erkläre ich so laut, dass einige der Leute, die Jenna helfen, ihre Köpfe drehen und mich böse anschauen. „Asher ist natürlich im falschen Moment reingekommen.“

„Komm“, sagt Forest, der mich hinter der Bar hervorzieht. „Lass uns dein Gesicht waschen, Mann.“

Er schleift mich zum Bad mit der Absicht, mir das Blut vom Gesicht zu waschen. Als wir wieder rauskommen, hat sich die Bar geleert. Das ist eine Erleichterung.

Ich sitze an der Bar, während Forest loszieht, um seine Verlobte zu finden. Gunnar und Maia stapeln mit düsteren Gesichtern Sektgläser auf der Theke. Ich lege meinen Kopf auf die Bar, spüre die Kälte der Marmorplatte.

Ich habe nicht einmal etwas getan, aber ich habe das Gefühl, als hätte ich irgendwie Ashers Hochzeit ruiniert. Ich wette, Asher empfindet genauso.

Ich höre ein Klirren und hebe meinen Kopf, um Emma auf der anderen Seite der Bar vorzufinden, die eine Flasche Bulleit Bourbon neben meinen Kopf stellt. Sie hält zwei extragroße Brandygläser in einer Hand, während sie um die Bar läuft und neben mir Platz nimmt.

Ich bemühe mich, ihre Kurven nicht zu bemerken, aber es ist nicht zu leugnen, dass sie in diesem verflucht sexy Kleid stecken. Und ihre Augen sehen in diesem Moment auch wundervoll aus, wie zwei perfekte Smaragde.

Stopp, sage ich mir. Du benimmst dich wie ein gruseliger alter Mann.

„Ich habe so das Gefühl, dass du das hier brauchen kannst“, sagt sie und legt ihren Kopf zur Seite. Sie stellt die Brandygläser ab und öffnet den Bourbon, ehe sie sich ein wenig einschenkt und mir eine ganze Menge.

Ich schneide eine Grimasse. „Yeah, das tue ich wahrscheinlich.“

Ich nehme das Glas, das sie mir reicht, und stoße mit ihr an.

„Cheers“, sagt Emma. Wir nehmen beide gleichzeitig einen Schluck. Ich seufze, als sich das flüssige Feuer einen Weg meine Kehle hinabbrennt. Emma schluckt und verzieht das Gesicht.

„Widerlich“, stellt sie fest und erschaudert. „Wie kannst du das Zeug nur trinken?“

Ich nehme Augenkontakt mit ihr auf, während ich mein Glas nach hinten neige und es mit wenigen Schlucken leere. Sie grinst und schüttelt den Kopf.

„Ich nehme an, du wirst mir erzählen, was mit Jenna passiert ist?“, fragt sie.

Ich schaue zu ihr. Ich kann ihre Augen auf mir fühlen, die einmal abschätzend über meinen ganzen Körper schweifen. Was sieht sie? Einen Mann Mitte dreißig, der nichts anderes tut, als hinter einer Bar zu arbeiten und zu surfen? Den ältesten Sohn zweier Süchtiger, die ihre Kinder verlassen und mir mit vierzehn das Kommando überlassen haben?

Es gibt nichts Gutes, das sie sehen könnte, so viel steht fest.

Obgleich ich unglaublich gerne wissen würde, was sie gerade denkt, widerstehe ich. Stattdessen greife ich nach der Flasche Bourbon.

„Ich werde viel mehr hiervon brauchen. Dann werde ich es dir vielleicht erzählen.“ Ich kann mir den Blick, mit dem ich sie bedenke, den flirtenden, einfach nicht verkneifen. „Wenn du brav bist.“

Emmas Wangen röten sich auf hübsche Weise. Ich gieße mir mehr Whisky ein und ignoriere die Stimme in meinem Hinterkopf, die mir sagt, dass das eine schlechte Idee ist.

Ich halte mein Glas hoch. „Hoch die Tassen.“

Liebe mich nicht-Hasse mich nicht Duett

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