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Jameson

1999

„Wohin gehen wir, Jameson?“, fragt Gunnar, der zu mir hochblinzelt. Er sieht in seinem riesigen grünen Hoodie und zu großer Jeans ziemlich schäbig aus. Beides sind abgelegte Kleider von Asher.

„Wir gehen zu Ashers Haus“, erinnere ich ihn. Meine Stimme bricht beim letzten Wort und Gunnar kichert. „Er meinte, wir sollen vor der Schule vorbeischauen.“

Er ist erst elf und mit meinen sechzehn Jahren fühle ich mich neben ihm wie ein Riese. Ich schaue hinter mich, während wir die 8th Ave entlanglaufen, um zu überprüfen, ob Forest nach wie vor hinter mir trottet. Er ist dreizehn und hat sich so gut wie man nur kann von der Welt abgeschottet; er hat seine Kopfhörer aufgesetzt und die Musik auf volle Lautstärke gedreht.

Ich verstehe, in welchem mentalen Zustand sich Forest befindet. Normalerweise würde ein Kind mit dreizehn Jahren gegen ein Elternteil oder eine andere Autoritätsperson rebellieren. Doch Forests Eltern sind tot oder fort, mit Ausnahme von mir. Ich habe zwei Vollzeitjobs, bei denen ich nur den Mindestlohn verdiene.

Ich habe schlicht und ergreifend nicht die Zeit oder Energie, um mich mit Forests Scheiß auseinanderzusetzen.

Also hat sich Forest aus der Welt zurückgezogen und zieht es vor, Musik zu hören oder in sein Journal zu schreiben. Ich wünschte, ich hätte diesen Luxus, aber das ist nicht meine Realität. Gunnar zupft an meiner Hand.

„Können wir heute Abend wieder Tacos von dem Tacostand holen?“, fragt er.

„Vielleicht“, antworte ich stirnrunzelnd. Ich rechne ganz schnell nach… die Miete unseres Studioapartments, die wöchentlich bezahlt wird, ist in ein paar Tagen fällig. Ich kann nicht die Miete bezahlen, Lebensmittel für diese Woche kaufen und es mir dann noch leisten, in der billigsten Taqueria Essen zu gehen. Ich schneide eine Grimasse. „Vielleicht werden wir einfach nochmal Ravioli aus der Dose essen.“

Gunnar zuckt nicht mal mit der Wimper. „Okay.“

Ich danke Gott, dass Gunnar kein mäkliger Esser ist. Dankbar dafür unterdrücke ich ein Gähnen. Ich verbrauche eine meiner wertvollen Stunden an Schlaf, um hierherzukommen, weil Asher mir etwas Gutes versprochen hat. Darüber hinaus weiß ich nicht, warum zum Teufel ich hier bin. Ich gähne.

„Hey, du hast diese Formulare abgegeben, die ich dir für die neue Schule mitgegeben habe, oder?“

Gunnar kräuselt die Nase. „Yeah. Die Frau hat eine Menge Fragen gestellt, aber ich glaube, sie hat es geschluckt.“

Ich drehe mich um, um zu Forest zu schauen, und bedeute ihm, seine Kopfhörer abzunehmen. Er verdreht die Augen, aber nimmt sie ab.

„Was?“, fragt er.

„Gunnar sagt, die Frau, mit der du in deiner neuen Schule geredet hast, hatte eine Menge Fragen.“

Forest verdreht abermals die Augen. „Ich meine, sie hat alle möglichen Dinge gefragt. Aber ich habe mich an den Plan gehalten und hab sie ihren Teil denken lassen. Ich bin mir ziemlich sicher, sie hält uns für illegale Immigranten oder so was.“

„Hat sonst irgendjemand Fragen gestellt?“ Ich fühle mich paranoid, aber das ist der dritte Schulbezirk, den sie in eben so vielen Jahren besuchen. Jedes Mal, wenn wir zu viel Aufmerksamkeit erregen, wird das Jugendamt gerufen. Und ehe wir uns versehen, brechen Forest und ich mitten in der Nacht ein und holen Gunnar aus dem Haus einer neuen Pflegefamilie.

Auf keinen Fall werde ich das nochmal zulassen, wenn ich es verhindern kann.

„Wenn du mit irgendjemandem länger als ein paar Sekunden redest, möchte ich davon erfahren.“

Er nickt nur und setzt seine Kopfhörer wieder auf. Ich gebe ihm einen Klaps auf den Hinterkopf.

„Ich meine es ernst.“

„Yeah, alles klar“, entgegnet er. Dann dreht der die Musik absichtlich so laut, dass ich sie hören kann und sperrt mich aus.

Ich schüttle leicht den Kopf und beeile mich, Gunnar einzuholen.

„Alles okay?“, erkundige ich mich.

Er wirft mir einen verwirrten Blick zu, als wolle er sagen, warum nicht alles okay sein sollte? Ich zerzause ihm die Haare etwas.

Wir biegen nach rechts ab und die Nachbarschaft verändert sich schlagartig. Sie wird wohlhabender mit gigantischen Häusern auf fantastischen Grundstücken. Die Gehwege sind hier viel ebener und überall stehen eine Menge Palmen. Ich weiß nicht, wie es den reichen Leuten so nah am Ozean überhaupt gelingt, einen Garten am Leben zu halten.

Zwei Frauen in Laufoutfits joggen an uns vorbei und bedenken uns mit einem bösen Blick. Sie fragen sich zweifelsohne, warum drei Kinder aus offensichtlich armen Verhältnissen hier herumlaufen.

„Dieses Viertel ist dämlich“, murre ich „Hier, lasst uns die Straße überqueren. Ashers Familie wohnt beim nächsten Block.“

Besitzt den nächsten Block, ist näher an der Wahrheit dran. Ein hoher Zaun ragt vor uns in den Himmel und blockiert meine Sicht. Das Einzige, das ich sehen kann, sind Palmen. Wir laufen an der Einfahrt vorbei, wo uns das Tor einen Blick auf das Haus erlaubt. Es ist definitiv ein richtig schickes Teil aus hellen Steinen, das sich dramatisch in alle Richtungen ausdehnt.

Wir laufen, entsprechend Ashers Anweisungen, weiter. Der Zaun wird wieder höher und ich gehe daran entlang. Irgendwann erreichen wir die Ecke des Zauns, wo zwischen dem Zaun und einer Ansammlung Palmen eine Art Nische ist.

Dort in dieser Nische sitzt Asher, der aussieht, als würde er sich sauwohl fühlen. Er sieht von einem Buch auf, das er gerade gelesen hat. „Hey.“

„Hey“, sage ich.

„Hey!“, schreit Gunnar. Dann blickt er finster drein. „Du hast nicht gesagt, dass Asher hier sein würde.“

Ich sehe ihn von der Seite an. „Yeah, das habe ich definitiv erzählt. Egal, Asher… was ist die große Überraschung?“

Asher grinst und fährt sich mit einer Hand durch seine kurzen blonden Haare. Er steht auf und führt mich dann einige Schritte von meinen Brüdern weg.

„Du wirst das lieben.“ Er wühlt in seiner Tasche und kramt einen Schlüssel hervor. „Ich habe einen Ort, wo ihr Jungs einige Monate wohnen könnt. Es ist viel hübscher als die meisten Plätze, in denen ihr in letzter Zeit gewohnt habt.“

Ich bin sofort misstrauisch. „Wo ist es?“

„Es ist direkt ums Eck, in meinem Gästehaus. Mein Vater ist die nächsten drei Monate nicht in der Stadt und ich glaube nicht, dass meine Mom auch nur einen Fuß in das Gästehaus gesetzt hat, seit ich ein Kind war. Lange Rede kurzer Sinn, ich hab sie gefragt, ob ich meine Bandsachen dort aufbauen kann und sie hat Ja gesagt.“ Er sieht extrem zufrieden mit sich aus.

Ich bin mir sicher, dass ich ihn falsch verstanden habe. Das Leben hat es bisher nicht gerade gut mit mir gemeint.

„Ich… was?“, frage ich.

Asher streckt die Hand aus und klopft mir auf die Schulter. „Alter, ich sage dir, dass ihr einen Platz zum Wohnen habt. Allermindestens, bis mein Vater zurückkommt. Es ist ein Palast im Vergleich zu der Bude, in der ihr im Moment wohnt.“

Eine Sekunde blinzle ich ihn nur an. Ich rechne damit, dass er zu lachen anfangen wird und sagt, dass das alles nur irgendein Witz ist, auch wenn Asher eigentlich nicht so ist. Ich starre ihn nieder, bis es ihm unangenehm wird.

„Willst du dir den Bungalow anschauen oder nicht?“, fragt er.

„Bist du dir sicher, dass du das ernst meinst?“ Wenn er das tut, würde das bedeuten, dass ich das Geld für die Miete diesen Monat für Essen und Schulzubehör ausgeben könnte. Zum Teufel, wenn eine kleine Weile manche Ausgaben wegfallen, könnte ich sogar genug für ein echtes Apartment ansparen. Meine Augen beginnen zu brennen.

„Todernst. Komm schon“, sagt Asher, der sich zu der Nische zwischen dem Zaun den Palmen dreht. „Es gibt eine Abkürzung, die genau hier durchführt.“

Ich blicke zu Gunnar und Forest und bedeute ihnen, dass sie mir folgen sollen. Ich bemühe mich, mein Lächeln nicht zu zeigen, aber ich kann spüren, wie es sich auf meinem Gesicht ausbreitet.

Wir haben gerade einen Ort gefunden, wo wir eine Weile bleiben können.

Liebe mich nicht-Hasse mich nicht Duett

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