Читать книгу Immer wenn es regnet - Jessica Braun - Страница 12

Sonntag, 08. Mai 2016, 9:10 Uhr Karlsruhe, Hirschstraße

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Erst als sie registrierte, dass die Mundwinkel ihres Chefs belustigt auf und ab hüpften, erwachte Esther Marquart aus ihrer Starre. Schnell schnappte sie nach dem Schlüssel, den Manfred Gartner ihr entgegenstreckte und stieg hinter das Steuer des Dienstwagens. Er selbst nahm auf dem Beifahrersitz Platz.

„Hör zu Esther, ich bin bisher wirklich zufrieden mit deiner Arbeit. Du hast dich bei der ersten Teambesprechung heute Morgen gut geschlagen. Das ist der Grund, warum ich deinem Wunsch nachgebe, und du diese Aufgabe übernehmen darfst. Das ist jetzt also deine Spur und somit auch deine Befragung. Ich bin nur als stummer Zuhörer dabei, weil ich genau wie du glaube, dass diese Frau eine wichtige Zeugin sein könnte, und ich mir das nicht entgehen lassen will. Wenn es gut läuft, lasse ich dich danach allein weitermachen.“

Esther verstand und nickte stumm.

Jetzt also bloß nicht verkacken.

Sie bewunderte Manfred wirklich. Er war der beste Ermittler, der ihr jemals begegnet war, und sie und ihre Kollegen knobelten regelmäßig darum, wer seinen Verhören beiwohnen durfte. Manfred war Esthers direkter Vorgesetzter, und obwohl er offiziell nur der Leiter des Unterabschnittes Ermittlungen der Karlsruher Mordkommission war, galt dem Kriminalhauptkommissar der Respekt der gesamten Abteilung. Es war weithin bekannt, dass er das Amt des Kommissionsleiters nicht erst einmal abgelehnt hatte. So kam es, dass er regelmäßig die Rolle desjenigen übernahm, bei dem sämtliche Informationen zu einem Fall zusammenliefen und der die Ergebnisse der Arbeit der Kollegen der anderen Unterabschnitte sammelte und koordinierte, wobei er es sich jedoch nie nehmen ließ, selbst aktiv an der Ermittlungsarbeit teilzunehmen. Er war eine Größe, an der man in Karlsruhe nicht vorbeikam. Trotzdem fand Esther ihn bislang zu vorsichtig, was ihre Person anging. Zwar predigte Manfred ihnen andauernd, dass man im Voraus nie wissen konnte, welche Spur sich als entscheidend erweisen würde, doch sie hatte den Verdacht, dass er das nach über 35 Jahren im Polizeidienst eben doch konnte und sie ganz bewusst immer wieder in der Peripherie eines Falles abstellte.

Heute aber sah es endlich so aus, als würde sich das Blatt für sie wenden.

Es waren gerade einmal fünf Stunden vergangen, seit sie mit der Mitteilung, in der Südweststadt sei eine weibliche Leiche gefunden worden, und es bestehe der dringende Verdacht auf Fremdverschulden, zu der Wohnung von Anna Henkes gerufen worden war. Auf der kurzen Fahrt dorthin hatte sie versucht, Ruhe zu bewahren, was ihr aber nur schwer gelungen war. Natürlich wurde sie nicht das erste Mal zu einem Leichenfund gerufen, und natürlich hatte sie schon etliche Tatorte inspiziert. Es war auch schon vorgekommen, dass sie als diensthabende Beamtin der Mordkommission als erste vor Ort gewesen war. Allerdings war das schon verhältnismäßig lange her. Und da Esther es in der letzten Zeit das ein oder andere Mal geschafft hatte, richtiggehend zu glänzen – Manfred hatte sie mehrmals vor versammelter Mannschaft gelobt, was schon einiges hieß – machte sie sich nun Hoffnungen, dass sie, vorausgesetzt sie würde heute einen guten Job machen, bei dieser Ermittlung eine zentralere Rolle würde einnehmen können. Die Frage, ob sie womöglich geisteskrank war, weil sie sich darüber freute, dass hier ein ungeklärter Todesfall vorlag, dass eine junge Frau zu Tode gekommen war, schob sie dabei gekonnt beiseite. Sie freute sich ja schließlich nicht darüber, dass Anna Henkes gestorben war, sondern darüber, dass sie gerade Bereitschaftsdienst gehabt hatte, als das passiert war. Sie war eben gerne Polizistin.


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