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Kapitel 7

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Jonas

Jonas konnte nicht glauben, dass er es wirklich tat. Das hier lag weit außerhalb seiner Wohlfühlzone. Oder von dem, was er für seine Wohlfühlzone gehalten hatte. Aber die Begegnung mit dem Pärchen kurz vor Ende der gestrigen Sprechstunde hatte ihm in Erinnerung gerufen, dass sein jüngeres Ich sich nach dem hier mal gesehnt hatte.

Ein Mann Anfang zwanzig war als Notfallpatient reingekommen und hatte ziemlich panisch ausgesehen, sodass er ihn einfach nicht hatte wegschicken können. Der abgebrochene Zahn hatte sich letztlich zwar nur als ein bisschen abgeplatzter Zahnschmelz sowie ein ordentlicher Bluterguss am Kiefer herausgestellt, doch noch größer war offenbar die Angst vor der Behandlung gewesen.

Jegliche Beruhigungsversuche von Jonas' Seite her waren überhaupt nicht zu seinem Patienten durchgedrungen. Erst die liebevolle Strenge von dessen Freund hatte ihn aus der Panik holen können und so weit beruhigt, dass es Jonas möglich gewesen war, ihn zu behandeln. Allerdings hatte die Dynamik der beiden ihn irgendwie an dem vermeintlich kleinen Sportunfall und der bloßen Freundschaft zweifeln lassen.

Da es ihm nicht zugestanden hatte, beides zu hinterfragen, hatte er es mit Small Talk versucht. Nachdem er sie gewarnt hatte, dass der Bluterguss erst in ein paar Tagen abheilen und es daher so lange noch wehtun würde, war dem Freund seines Patienten ihre eigentliche und damit wohl hinfällige Wochenendplanung rausgerutscht. Und da Jonas neugierig war, hatte er nachgehakt, bis er genug Infos gehabt hatte, um den Rest im Internet recherchieren zu können, und nun stand er hier. Leider schien er seinen Mut zu Hause vergessen zu haben, denn er konnte sich einfach nicht dazu durchringen, den letzten Schritt zu tun.

Während er noch innerlich debattierte, ob er es durchziehen oder doch lieber nach Hause fahren sollte, tippte ihm jemand auf die Schulter, sodass er herumwirbelte.

Eine junge Frau in schwarzem Minirock und durchsichtiger Bluse stand vor ihm und deutete fröstelnd auf den Eingang der ehemaligen Lagerhalle, den er blockierte. »Wollen Sie rein oder überlegen Sie noch?«

»Gehen Sie ruhig vor«, sagte er nach kurzem Zögern und trat einen Schritt beiseite.

Sie nickte lächelnd und ging an ihm vorbei. Doch statt rasch ins Innere der Halle zu schlüpfen, hielt sie die Tür auf und blickte ihn auffordernd an. »Los, rein mit Ihnen.«

»Okay«, murmelte er und folgte ihr mutig. »Ist mein erstes Mal.«

»Dachte ich mir«, meinte sie grinsend. »Keine Sorge, wir beißen nicht. Es sei denn, Sie wollen das, dann findet sich hier drinnen sicher jemand.«

Jonas' Wangen wurden flammend heiß, doch er schüttelte den Kopf. »Kein Beißen.«

Sie kicherte und wandte sich zu dem Tisch um, der in dem kleinen Foyer stand und an dem man vorbeimusste, um in die Haupthalle zu gelangen, wie Jonas vermutete. Dem Tisch gegenüber befanden sich die Toilettenräume, aber so feige war er dann doch nicht, dass er dahin flüchtete, auch wenn der Gedanke kurz in ihm aufkeimte. Er konnte ja wenigstens mal gucken, was hier so los war und, na ja, ob er es noch konnte. Besser gesagt: noch war.

»Viel Spaß«, trällerte die junge Frau, nachdem sie ihren Obolus bezahlt hatte und ihr mehrere Papierarmbänder umgebunden worden waren.

»Danke. Ihnen auch!«, rief er ihr nach und fing dann den Blick des jungen Mannes mit zerzausten Haaren und beeindruckend viel Ohrschmuck hinter dem Tisch auf. »Ähm... Hi.«

Der Mann grinste. »Hi. Dein erstes Mal?«

Sein Hals war wie zugeschnürt, daher nickte er lediglich. Angesichts der hautengen Klamotten seines Gegenübers fühlte Jonas sich völlig unpassend gekleidet. Zwar hatte er eine dunkelblaue Jeans an, aber er konnte darin atmen, und statt eines aufgemalten Shirts trug er ein weißes Hemd. Offenbar war jedoch Schwarz die Farbe des Abends. Verdammt.

Trotzdem händigte er den Eintrittspreis aus, dann klatschte der junge Mann freudig in die Hände.

»Okay, ich erklär dir, wie es läuft. Wir haben verschiedene Armbänder, damit alle gleich sehen, woran sie bei dir sind. Früher hatten wir die nicht und das war teilweise frustrierend, weil wir hier ein ziemlich bunt gemischter Haufen sind. Jedenfalls bekommst du von mir mindestens zwei Armbänder, die du bitte auch den ganzen Abend über trägst. Du kannst aber jederzeit herkommen und tauschen oder die optionalen abmachen.«

»Ähm... verstehe. Okay.«

»Sehr gut. Dann brauche ich mal einen Arm. Ich nehme an, du bist ein Sub?« Als Jonas wieder nickte, lächelt der Kleine aufmunternd. »Hetero, bi oder schwul? Wir haben leider nur die drei Auswahlmöglichkeiten, also wenn du pan bist, nimm bi oder wonach dir heute am ehesten der Sinn steht. Wie gesagt, du kannst jederzeit zum Tauschen herkommen.«

Überwältigt von diesem Sprechtempo und der wachsenden Menschenschlange hinter sich, schluckte Jonas. »Oh, ähm... bi?«

»Alles klar.« Sein Gegenüber griff in eine der offenen Pappkisten vor sich und band ihm ein hellblau-lila gestreiftes Armband um. »Lila für bi, hellblau für Sub. Dominante Spielpartner erkennst du an den schwarzen Streifen, hetero Frauen haben zusätzlich pinke, genau wie schwule Männer. Für dich interessant sind also welche Farbkombinationen?«

»Ähm... schwarz-lila bei Männern und schwarz-pink bei beiden Geschlechtern?«

»Wunderbar. An der Bar und auf den Tischen stehen sicherheitshalber noch so kleine Aufsteller mit den Farbkombinationen. Also lieber noch mal draufgucken, wenn du dir unsicher bist, bevor du jemanden ansprichst.«

Als würde er heute den Mut dafür aufbringen. Er war jetzt schon überfordert und noch nicht mal auf der eigentlichen Party. »Ist gut«, sagte er dennoch.

»Suchst du einen Spielpartner? Oder bist du vergeben oder willst nur zuschauen?«

»Ich weiß nicht. Ich bin Single, also...«

»Dann geb ich dir erst mal grün, für auf der Suche, damit du nicht ignoriert wirst, okay? Wenn dir das Interesse zu viel wird, kommst du her und holst dir ein rotes Band.«

Es schmeichelte Jonas, dass der Typ dachte, er würde viel Interesse auf sich ziehen, daher grinste er debil. »Okay.« Kaum hatte er ausgesprochen, zierte ein weiteres Papierband seinen Arm. »Muss ich noch was wissen?«

Der Mann nickte und deutete auf die Tafel hinter sich. »Das wären die Farben für die optionalen Bänder, wenn du auf der Suche nach etwas Bestimmtem bist. Also Magenta für Fisting, Gelb für Natursekt, Braun für –«

»Danke, nein«, sagte Jonas schnell, woraufhin er ein Schmunzeln erntete.

»Wie gesagt, es gibt drinnen auch noch mal die kleinen Aufsteller. Und wenn du jemanden gefunden hast, kannst du ihn ja auch einfach nach dem fragen, was du magst. Es gibt zwei Vorführungen, die auf der Bühne stattfinden, die kannst du nicht übersehen. Zum offenen und für alle zugänglichen Spielbereich geht es rechts an der Bar vorbei. Private Räume haben wir hier nicht. Was noch...? Ach so, die Party geht bis ein Uhr, aber erfahrungsgemäß haben sich die Pärchen des Abends schon gegen elf gefunden. Hast also noch etwas Zeit.«

Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und musste schlucken, denn es war kurz vor halb zehn. »Alles klar.«

»Hast du ein Handy dabei?«

»Im Auto«, antwortete er verwirrt. »Ich bin davon ausgegangen, dass man es draußen lassen muss.«

Sein Gegenüber nickte offenbar zufrieden. »Du kannst es mit reinnehmen, aber es gibt ein striktes Kameraverbot. Wenn du beim Filmen oder Fotografieren erwischt wirst, bekommst du lebenslanges Hausverbot und eine Anzeige.«

»Ich hatte nicht vor, jemanden zu filmen!«, versicherte Jonas empört.

»Sehr schön. Dann viel Spaß.«

»Danke.« Der nächste in der Schlange drängte schon zum Tisch, daher ging Jonas auf wackligen Knien auf die Tür zum Hauptraum zu und lächelte den breitschultrigen Kerl an, der sie ihm mit stoischem Blick öffnete.

Vermutlich mussten Türsteher so gucken und irgendwie beruhigte es Jonas auch, dass hier offenbar sehr viel Wert auf Sicherheit gelegt wurde. Er selbst wollte schließlich auch nicht, dass sein Foto nach der Party im Internet zu finden war.

Als er in den Hauptraum trat, sah er sich neugierig um. Es war ein bisschen enttäuschend. Irgendwie hatte er gedacht, dass mehr los wäre und die Leute, na ja, miteinander rummachten. Stattdessen wanderte man hier offenbar ziellos durch die Halle oder stand in Grüppchen zusammen und unterhielt sich. Na gut, mal sehen, wie es so laufen würde. So richtig hohe Erwartungen hatte er an den Abend sowieso nicht, sondern wollte nur mal ausprobieren, wie es sich anfühlte, ein Sub zu sein.

»Oh, ein neues Gesicht. Hey! Hi.«

Überrascht blieb er vor zwei Typen stehen, die ihn beäugten, als wäre er ein Steak in der Frischetheke. »Hallo.«

Der augenscheinlich Jüngere der beiden grinste. Es sollte wohl verführerisch sein, wirkte aber ein wenig gruselig. »Hi. Dich habe ich hier noch nie gesehen.«

»Oh, ja, nein. Ist mein erstes Mal.«

Die beiden wechselten einen Blick. »Tatsächlich?«

»Sollen wir dich ein bisschen rumführen?«

Schulterzuckend suchte er nach einer netten, aber bestimmten Absage. »Im Moment nicht, danke.«

»Worauf willst du denn warten?«, wollte der etwas ältere Typ wissen. »Du bist neu und wir kennen uns aus. Besser kannst du es doch kaum treffen.«

Scheiße. »Ich...«

»Wenn dir das lieber ist, können wir dich auch abwechselnd... rumführen.«

Scheiße, Scheiße, Scheiße. »Oh, nein, das ist nicht nötig, wirklich«, stotterte er panisch, denn er wollte keinen der beiden, geschweige denn beide abwechselnd. Oder gar zusammen. Großer Gott, wo war er hier denn reingeraten?

Der Jüngere lächelte und diesmal wirkte es in der Tat aufrichtig. »Wir können uns auch erst mal hinsetzen und was trinken, hm? Du wirkst ein bisschen nervös.«

Ach, tatsächlich? Warum wohl? »Nein, ihr versteht das falsch. Ich schau mich nur um.«

Der Ältere hob eine Augenbraue und deutete auf die Papierbänder an Jonas' Arm. »Grün sagt, dass du spielen willst, und hellblau-lila gestreift, dass du ein Bi-Sub bist. Ich bin mir sicher, dass dir die Regeln am Eingang erklärt wurden.«

Fuck. Hätte er mal doch das rote genommen. »Ja, aber ich dachte doch nicht... Also, ich wollte erst mal nur gucken, was hier so abläuft.«

»Das ist hier kein Zoo«, warf sein Gegenüber ein und verschränkte die Arme vor der breiten Brust.

»Das ist mir klar«, sagte er augenrollend und ballte die Hände zu Fäusten, denn langsam nervte ihn dieses Verhör nur noch. Er war gerade mal fünf Minuten hier und hatte noch nicht mal herausgefunden, wo es etwas zu trinken gab. Und nur, weil er sich für ein grünes Band entschieden hatte, hieß das nicht, dass er sich dem Erstbesten zu Füßen warf.

»Dieser Tonfall bringt dich hier ganz schnell in Schwierigkeiten, Junge.«

»Tut mir leid. Ich will trotzdem nicht... mitmachen.«

Beide musterten ihn durchdringend und er spürte, dass er rot wurde, was gerade überhaupt nicht half, seine Standhaftigkeit zu untermauern. Zwar konnte er nicht leugnen, dass der strenge Blick des Jüngeren ihn anmachte, trotzdem wollte er sich von keinem der beiden dominieren lassen.

»Jonas?«

Erschrocken, seinen Namen zu hören, wirbelte er zu der vertrauten Stimme herum und ihm klappte die Kinnlade runter. Sein höllisch heißer Nachbar stand vor ihm und sah argwöhnisch zwischen den Typen in Jonas' Rücken und ihm hin und her.

»Marek...«, brachte er hervor, doch sein Hals war plötzlich staubtrocken und sein Herz wummerte nur so in seiner Brust. Zu allem Überfluss wurde er steinhart, was die Hose auf keinen Fall verbergen konnte. »Ich wollte nicht... Ich hab nicht...«

Völlig unkoordiniert deutete er über seine Schulter, als Mareks Blick schließlich auf ihm hängen blieb. Dessen Augenbrauen wanderten nach oben und er bedeutete ihm weiterzusprechen, aber Jonas wusste nicht, was er sagen sollte. Scham überrollte ihn und sein Gehirn verweigerte ihm den Dienst, daher schüttelte er einfach nur den Kopf und senkte mit kochend heißen Wangen den Blick. Marek kam zwei Schritte auf ihn zu, was seinen Puls in die Höhe schnellen ließ.

Er hätte nie erwartet, ihn hier zu treffen, und es war ihm unendlich unangenehm. Das Blut rauschte nur so in Jonas' Ohren, daher verstand er nicht alles von dem, was Marek mit den beiden Typen besprach. Er bekam jedoch mit, dass dessen Stimme einen bedrohlich scharfen Klang annahm.

Als im nächsten Moment das Wort Safeword fiel, erinnerte er sich mit Schrecken an seins. Nur war er sich nicht sicher, ob die beiden Doms es verstanden hätten, wenn er mitten im Gespräch das Wort Tulpe fallen gelassen hätte. Oder hätte er es ihnen entgegenbrüllen müssen? Scheiße, er hätte vorher ein paar Handbücher lesen sollen, statt völlig unvorbereitet in diese Fetischparty zu stolpern.

»Jonas?« Eine Hand legte sich auf seinen Unterarm und kurz zog er in Erwägung, sich loszureißen und die Flucht zu ergreifen, aber damit würde er das Unausweichliche doch nur hinauszögern.

»Ja?«

Marek drückte seinen Arm, dann legte er zwei Finger unter sein Kinn und hob es an, doch Jonas konnte ihm einfach nicht in die Augen sehen, sondern hielt seinen Blick fest auf Mareks hautenges Oberteil gerichtet. »Alles in Ordnung?«

Er versuchte zu nicken, aber Mareks Hand hinderte ihn daran. »Ja«, antwortete er daher leise, denn mittlerweile zog sich die Hitze bis zu seinen Ohren hoch und er fing an zu schwitzen.

»Welche Farbe?«

Verwirrt blinzelte Jonas. Welche Farbe meinte Marek? Die seines Shirts? »Ähm... schwarz?«

Marek drückte Jonas' Kinn weiter nach oben, bis er nicht mehr anders konnte, als ihm ins Gesicht zu sehen. Besorgnis lag in Mareks Blick, ebenso wie Neugierde und Verwirrung.

»Schwarz?«

»Ja?« Jonas deutete auf sein Shirt und als Mareks Blick seinem Fingerzeig folgte, zuckten dessen Mundwinkel.

Der Druck an seinem Kinn ließ nach, bis Marek die Hand wegnahm, doch Jonas stand immer noch wie versteinert vor ihm. Erst recht, als Marek sich vorbeugte und sein Atem über Jonas' Ohr strich.

»Hände auf den Rücken. Folge mir mit einem Schritt Abstand, den Blick auf meinen Gürtel gerichtet. Achte darauf, wann ich stehen bleibe, damit du nicht in mich reinläufst.«

»Okay«, flüsterte Jonas erleichtert, jemand Vertrautes an seiner Seite zu haben, der ihm sagte, was er tun sollte. Gleichzeitig war er allerdings tierisch nervös, weil es Marek war.

Sein Nachbar lachte leise und schüttelte den Kopf, doch bevor Jonas fragen konnte, was so amüsant war, setzte Marek sich schnellen Schrittes in Bewegung und er musste sich beeilen, ihm zu folgen. Da er den Blick gesenkt halten sollte und sich hier nicht auskannte, wusste er nicht, wohin sie gingen, und stieß tatsächlich beinahe gegen Marek, als der unvermittelt stehen blieb.

»Probleme?«, hörte Jonas eine fremde Stimme fragen, während er aufsah und bemerkte, dass sie an einer Bar angekommen waren.

»Nein, alles klar«, antwortete Marek, legte eine Hand auf seinen Rücken und schob ihn ein Stück vor, sodass sie nebeneinanderstanden. »Jonas?«

Er sah auf und begegnete zwei neugierigen Gesichtern. »Ähm... hi.«

Um sicherzugehen, dass er hier nicht in die nächste Domrunde gestolpert war, wanderte sein Blick vom Halsband des jüngeren Mannes, an dem eine Leine befestigt war, tiefer und auf die Handgelenke der beiden Männer. Zu seiner Erleichterung entdeckte er dort rote Armbänder, sie waren also wohl nur zum Zugucken hier. Zusätzlich trug einer von ihnen ein hellblau-pink gestreiftes und der andere ein schwarz-pink gestreiftes.

Unauffällig versuchte Jonas einen Blick auf Mareks Armbänder zu erhaschen, aber der trug links nur eine Uhr und seine rechte Hand lag noch auf Jonas' Rücken.

Marek räusperte sich. »Das sind meine besten Freunde. Frank und sein Sub Noah.«

»Hallo.« Jonas schüttelte beiden die Hand und hoffte, dass nicht noch mehr von Mareks Freunden auftauchten. Die beiden wirkten zwar auf den ersten Blick freundlich, aber es hatte ihn schon ziemlich viel Überwindung gekostet, überhaupt herzukommen. Ganz zu schweigen von der Nervosität, die ihn noch immer fest im Griff hatte.

»Jonas ist mein Nachbar. Er hat mir geholfen, als ich krank war.«

Strahlend riss der Sub die Augen auf. »Oh, du bist das also! Endlich lernen wir dich mal kennen. Es war echt nett von dir, dich um die Virenschleuder zu kümmern. Und ziemlich mutig.« Er grinste, doch das verging ihm, als sein Partner leise knurrend ruckartig an der Leine zog und ihn tadelnd anblickte.

»Vergiss nicht, wo wir hier sind.«

Der Sub senkte sofort den Kopf. »Tut mir leid, Herr. Entschuldige, Marek.«

Der schmunzelte. »Angenommen.« Er wandte sich zu Jonas um. »Möchtest du etwas trinken?«

Noch gleichsam irritiert wie fasziniert von diesem Austausch blinzelte Jonas. »Ähm... ja?«

»Ist das eine Frage oder Antwort?«

»Eine Antwort?« Bei Mareks durchdringendem Blick wurde ihm erneut heiß und kalt und er senkte automatisch den Blick. »Ein Wasser, bitte.« Er zog sein Portemonnaie aus der Hosentasche, doch Marek hatte das Getränk bereits bestellt und bezahlt, bevor er eine Preistafel entdecken konnte. »Danke«, sagte er, als Marek ihm das Wasser hinhielt.

Er lächelte. »Nicht dafür.«

Einen Moment lang breitete sich Schweigen aus, daher trank Jonas eilig die kleine Flasche leer, wobei er die Blicke der anderen auf sich spürte. Als er den Kopf hob, grinste Noah ihn an. Er war sicherlich fünfzehn Jahre jünger als Jonas, aber im Gegensatz zu ihm schien er sich hier pudelwohl zu fühlen.

Um nicht unhöflich zu wirken, erwiderte Jonas das Lächeln und blickte sich dann um. Die beiden Doms von vorhin standen ein paar Plätze weiter an der Theke und beobachteten ihn, daher rückte er automatisch etwas näher an Marek heran. Er wusste nicht, ob dieser es gesehen hatte oder einfach nur sein Unbehagen spürte, doch er legte sofort wieder eine Hand auf Jonas' Rücken und zog ihn an sich.

»Würdest du dich wohler fühlen, wenn du erst mal an meiner Seite bleibst?«, raunte Marek ihm ins Ohr.

»Ich glaube schon«, murmelte Jonas und riskierte einen zweiten Blick nach rechts. Die Typen ließen ihn nicht aus den Augen, was seine Intuition bekräftigte, bei Marek sicherer aufgehoben zu sein. »Ja, das wäre mir lieb«, wiederholte er mit festerer Stimme, damit sein Nachbar wusste, dass es ihm ernst war.

»Wenn dir irgendwas zu viel wird, sag einfach Stopp.«

Jonas nickte eilig. »Okay.«

Marek murmelte seinem Dom-Freund etwas zu und kurz darauf spürte Jonas Mareks Finger an seinem Bauch. Erschrocken zuckte er zusammen und sah nach unten. Ein grünes sowie ein schwarz-pink gestreiftes Armband leuchteten ihm entgegen, aber gerade konnte er über deren Bedeutung nicht weiter nachdenken, denn Marek befestigte den Karabiner einer Leine an einer von Jonas' Gürtelschlaufen, was ihn erneut zusammenzucken ließ.

»Oh, so war das nicht gemeint«, sagte er schnell und sah Noah an, der nun nur noch das Halsband trug. »Ich wollte nicht, dass... sie sie dir wegnehmen.«

Er zuckte bloß mit den Schultern. »Ist nicht schlimm. Hier weiß auch so jeder, zu wem ich gehöre.«

»Bist du dir sicher?«, hakte Jonas nach, woraufhin Frank schnaubte.

Schmunzelnd tätschelte Noah dessen Bauch, schmiegte sich an die Brust seines Doms und zwinkerte Jonas zu. »Mach dir keinen Kopf. Das ist gerade nicht wirklich unsere Entscheidung.«

»Oh.« Richtig. Noahs Dom entschied darüber, ob er ihn an die Leine legte oder sie Marek borgte. »Na gut.« Wieder erntete er nur ein Schnauben, was seine Wangen erneut heiß werden ließ. »Entschuldigung«, sagte er schnell, denn vermutlich war es ziemlich frech gewesen, die Entscheidung von Noahs Dom erst zu hinterfragen und dann so gleichgültig zu wirken, auch wenn es nicht seine Absicht gewesen war.

»Wofür entschuldigst du dich?«, wollte Frank jedoch sofort wissen.

Jonas senkte eilig den Blick und musste für einen Moment die Augen schließen, als ein heftiges Kribbeln durch seinen Bauch schoss.

»Bekomme ich noch eine Antwort?«

Die strenge, ungeduldige Stimme ließ seine Knie weich und seinen Schwanz verdammt hart werden. Er wusste jedoch nicht, wie er auf Frank reagieren sollte. Es erschien ihm falsch, dass ihn ein völlig fremder und noch dazu vergebener Mann dermaßen anmachte.

Eigentlich wusste Jonas immer noch nicht, was er hier überhaupt tat. Bis vor einer halben Stunde war das Ganze noch ein Experiment gewesen und nun stand sein Nachbar neben ihm, der offenbar ein Dom war und dem er erlaubt hatte ihn anzuleinen. Zu sagen, dass ihn die ganze Situation überforderte, wäre absolut untertrieben gewesen.

Halt suchend drückte er sich instinktiv dichter an Marek, woraufhin der die Leine um seine Hand wickelte, bis Jonas sich unwillkürlich an seine Seite presste und, ohne groß darüber nachzudenken, das Gesicht an Mareks Halsbeuge vergrub. Er roch fantastisch, nach Aftershave und einfach nur Marek.

»Antworte Frank«, befahl er leise, aber mit einer unmissverständlichen Drohung in der Stimme, die Jonas erschauern ließ.

Sein Gesicht glühte und seine Hose drohte jeden Moment zu platzen, aber er war sich sicher, dass er um eine Antwort nicht herumkam. »Für meine unangemessene Wortwahl«, brachte er stockend und so leise hervor, dass Frank ihn garantiert nicht gehört hatte.

»Sehr gut gemacht, Jonas«, lobte Marek dennoch und diesmal entwich Jonas tatsächlich ein Stöhnen.

Die Vorstellung, wie peinlich es wäre, jetzt in seiner Hose zu kommen, beschämte ihn genauso sehr, wie sie ihn erregte. Nein, eigentlich erregte sie ihn nur noch mehr, weil sie ihn so sehr beschämte. Offenbar war sein innerer Sub aus dem Tiefschlaf erwacht und konnte es kaum erwarten, zum Spielen rauszukommen. Nicht, dass er früher viele Gelegenheiten dazu bekommen hatte, daher schien er jetzt umso enthusiastischer zu sein.

Zum Glück unterhielten sich Marek und Frank aber in den nächsten Minuten über irgendwas Berufliches, sodass Jonas etwas runterkommen konnte und sich wieder entspannte. Wie zur Belohnung streichelte Marek sanft seine Wirbelsäule auf und ab und rückte nicht einen Zentimeter von ihm weg.

»Tief durchatmen«, raunte er ihm schließlich zu und als Jonas gehorchte, drückte er ihn sanft. »Sehr gut. Gleich gibt es eine Vorführung zu Playpiercing und -cutting. Möchtest du die sehen?«

Blinzelnd sah er in Mareks warme braune Augen auf. »Was passiert da?«

»Es wird demonstriert, wie man jemanden auf sichere und lustvolle Weise pierct und schneidet.«

Jonas lief es kalt den Rücken runter. »Nein, danke. Aber geh ruhig. Ich... warte einfach hier.«

Marek schmunzelte. »Schon gut. Ist auch nicht meins. Was hältst du davon, wenn wir uns eines der Sofas krallen, sobald die Vorstellung beginnt und etwas frei wird, und uns ein bisschen unterhalten?«

Zwar hatte er es als Frage formuliert, aber Jonas war sich sicher, dass er nicht wirklich eine Wahl hatte. Vermutlich platzte sein Nachbar vor Neugier. Oder er wollte ihn belehren, weil er gemerkt hatte, wie unerfahren Jonas war. Ja, das würde es wohl eher sein. Einerseits wäre ihm das unangenehm, andererseits würde er wohl keine bessere Gelegenheit bekommen, mehr über BDSM zu erfahren. Dann sprachen sie lieber hier in der passenden Umgebung darüber, als am Ende noch bei einem von ihnen zu Hause. Das wäre ihm noch unangenehmer.

»Okay«, antwortete Jonas und ihm fiel selbst auf, dass er das heute schon ziemlich oft gesagt hatte. »Wie du willst.«

Marek musterte ihn, dann nickte er und löste die Leine von Jonas' Gürtelschlaufe. Anschließend befestigte er sie so an ihren Hosen, dass er die Hände frei hatte, sie aber trotzdem noch miteinander verbunden waren, und bestellte noch etwas zu trinken.

Kurz darauf ertönte ein Gong und plötzlich kam Leben in die Bude. Um sie herum rutschten so gut wie alle Leute von den Barhockern und in der Tat wurden mehrere Sofas im Loungebereich gegenüber der Bühne frei. Jonas kam nicht mal dazu, sich von Frank und Noah zu verabschieden, denn Marek zog ihn an der Leine hinter sich her. Vielleicht sah er die beiden nachher noch mal.

Auf dem Weg zum Sofa fiel ihm ein, was Marek vorhin darüber gesagt hatte, wie er gehen sollte, und er legte schnell seine Hände auf den Rücken und achtete akribischer auf seine Schritte. Diesmal blieb er auch rechtzeitig stehen und als Marek sich umdrehte, brummte er anerkennend. Nachdem er ihre Getränke auf den kleinen Tisch neben dem Sofa gestellt hatte, löste er die Leine und ließ sich ins Polster fallen. Jonas wollte es ihm gleichtun, doch Marek hielt ihn zurück.

»Du kannst auf meinem Schoß sitzen oder vor mir knien.«

Jonas war sich nicht sicher, ob Marek das tatsächlich ernst meinte. »Ich bin etwas zu groß und schwer, um auf deinem Schoß zu sitzen, oder?«, brachte er amüsiert hervor, doch Marek lachte nicht, sondern nahm stattdessen ein Kissen und legte es zwischen sie auf den Boden.

Unbändig berührt

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