Читать книгу Immer ist alles schön - Júlia Wéber - Страница 10

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Manchmal brauche ich einen anderen Weg, sage ich zu Bruno.

Er hat seinen Rücken zum Buckel gemacht. Er kauert am Straßenrand, eine Kellerassel betrachtend, schaut grimmig zu mir hoch, der Wolf.

Bruno sagt, sie kann ihr Hinterteil unabhängig vom Vorderteil bewegen. Sie ist schiefergrau und gelbgrau, sie hat zwölf Spaltfüße, die Kellerassel. Und eindrucksvoll ist, sagt er, dass ihre Körpertemperatur der Außentemperatur entspricht. Das heißt doch, dass sie von sich gar nichts weiß, das heißt, dass sie sich als Welt fühlt. Das heißt, es gibt für sie keinen Anfang und kein Ende ihrer selbst und überhaupt.

Die Möglichkeiten der Kellerassel, sage ich bewundernd. Bruno sagt, ich gehe nun einfach nach Hause, jetzt, da du endlich da bist.

Gut, sage ich, dann geh du einfach nach Hause, ganz gewöhnlich, ich gehe einmal einen neuen Weg.

Gut, sagt Bruno, mach du das, aber am Leben ändert das nichts.

Wer weiß, sage ich, vielleicht finde ich einen neuen Gegenstand.

Der würde dann das Leben ändern?

Ich möchte gar kein Leben ändern, ich möchte jetzt einen neu­en Weg gehen.

Gut, dann geh doch, sagt Bruno.

Ja, ich gehe jetzt, sage ich.

Gut, sagt er noch einmal.

Dann rennt er davon, der Wolf, mit seiner Magerkeit. Nur noch die nervösen Kellerasseln sind da, bewegen sich auf der freigelegten Fläche, wo vorher der Stein lag. Ich lege den Stein zurück, aber bin mir nicht sicher, ob er die Tiere nun erdrückt, also nehme ich ihn wieder weg, darunter sind die Kellerasseln noch immer nervös.

Zu Hause steht Fred in unserer Küche. Er präpariert drei Fische, die silbern sind und glitschig und die lachen mit ihren toten Gesichtern. Ob es mir gut gehe, fragt er mich. Und ich betrachte die Fische, drücke meine Fingerkuppen an die Fischzähne. Ja, sage ich. Wie es in der Schule gewesen sei, fragt er Bruno, und Bruno fragt Fred, ob ihn das wirklich interessiere. Er könne sich, sagt Bruno, beim besten Willen nicht vorstellen, warum ihn interessieren sollte, wie sein Tag gewesen sei. Doch, sagt Fred, das interessiere ihn sehr wohl. Es sei so lange her, dass er in der Schule gewesen sei, und er sei nie gerne zur Schule gegangen, das habe vor allem damit zu tun gehabt, dass er sich schlecht hätte konzentrieren können und seine Lehrer keine Geduld gehabt hätten, nun würde es ihn eben interessieren, wie das bei uns sei.

War gut, sehr konzentriert, sagt Bruno und geht hinaus. Bei mir auch, sage ich.

Ich hatte nicht erwartet, dass Fred so viel am Stück spricht. Sein Gesicht scheint mir nicht fürs Sprechen gemacht. Es scheint mir vielmehr zu weich zu sein, als dass aus ihm ohne größte Anstrengung Worte hervorkommen könnten.

Ich schneide die Zwiebeln in Würfel, das Messer ist stumpf, also weine ich, und weil ich weinen muss, denke ich einen Mo­ment an Peter.

Ich denke an Peter, an die Möglichkeit eines Gesprächs, an die Möglichkeit eines gemeinsamen Moments, an die Möglichkeit von Chips essen auf dem Pausenhof hinter dem Tor nach der Schule und von Reden. Ich denke an die Möglichkeit, sein Gesicht zu berühren, vielleicht unter einem Vordach, wenn es regnet, wenn die Kleider feucht sind und es nach Regen auf warmem Boden riecht.

Weil wir später nahe beieinandersitzen, kann ich Fred riechen; er riecht nach Metall. Weil wir nahe beieinandersitzen, berühren sich unsere Beine unter dem Tisch, und die Scheibe läuft an. Ich male einen Pfeil aufs Glas, und Mutter trägt das rote Kleid mit den goldenen Knöpfen. Fred schiebt ein Messer in die Fische, teilt sie, nimmt die Gräten heraus, füttert uns mit den Fischwangen auf der Messerspitze. Wunderbar, sagt Mutter und beginnt zu leuchten. Wir drücken die Zitronenschnitze über den Fischstücken aus.

Weil wir nahe beieinandersitzen, reden wir über Liebeslieder, und mir schläft ein Bein ein. Weil wir nahe beieinandersitzen, sind die Gesichter von Mutter und Fred, wenn sie miteinander reden, beinahe in Berührung. Mutter legt ihre Arme abwechselnd um Bruno, Fred und mich.

Weil wir nahe beieinandersaßen, umarme ich Mutter, und ich umarme Fred. Mit der Zahnbürste im Mund versuche ich, ihnen zu sagen, dass es mir gefallen hat.

Fred schläft bei Mutter im Gold. Er schaut in unser Zimmer und sagt Gute Nacht. Er hat einen grünen Schlafanzug und eine grüne Zahnbürste mitgebracht. Am Morgen will Fred die Sachen bei uns vergessen, aber Mutter erinnert ihn.

Immer ist alles schön

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