Читать книгу Die Schwelle - Jo Danieli - Страница 10

Herr Braun erscheint zum zweiten Mal.

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Herr Braun tritt aus seinem Büro in die Stille des Warteraumes, und alle tauchen aus einer Art stumpfen tiefen Dösens empor. Werner richtet sich hoffnungsvoll auf.

Herr Braun (barsch): “Wer hat mir die Karte noch nicht gegeben?” Er reibt sich seinen Bauch und rülpst leise.

Alle verharren einen Moment, dann tasten alle in ihren Kleidern oder Taschen nach ihren gelben Terminkarten und halten sie Herrn Braun hin. Dieser wirft einen irritierten Blick auf Fatmes grell gemustertes Kopftuch, als täte ihm das Orange und Grün in den Augen weh.

Franziskus: “Niemand hat nach einer Karte gefragt!”

Herr Braun (missmutig): “Na, habe ich gerade oder nicht?”

Alle machen zögernd zustimmende Gesten und Geräusche. Herr Braun nimmt Franziskus, der in der Nähe steht, die Karte ab, ohne ihn anzusehen. Fatme will aufstehen, aber Werner nimmt ihr geflissentlich die Karte aus der Hand und gibt sie Herrn Braun, dabei vergisst er aber, seine eigene Karte abzugeben.

Herr Braun schaut Mariella streng an: “Haben Sie eine Karte?”

Mariella streckt ihm die Karte entgegen, bleibt aber sitzen. Herr Braun streckt die Hand nach ihrer Karte aus, geht aber keinen Schritt näher, sodass ein halber Meter zwischen Hand und Karte bleibt, auch, als Mariella sich reckt.

Auch Gerhard hält Herrn Braun (der in Reichweite ist) seine Karte hin. Milo hält seine Karte geduldig wartend in der Hand. Inzwischen drängt Rosalind sich eilig vor und hält Herrn Braun ihre Karte hin, der aber weiterhin Mariella anschaut, die sich nicht rührt.

Plötzlich wendet sich Herr Braun wieder seinem Büro zu, Mariella, Rosalind und Gerhard ignorierend, und nimmt unterwegs Milos Karte mit. Rosalind, Mariella und Gerhard schauen einander an, und Rosalind nimmt Gerhard und Mariella rasch die Karten ab und eilt Herrn Braun nach, um ihm alle Karten zu geben, aber Herr Braun wendet ihr demonstrativ den Rücken zu, reibt seinen Bauch, rülpst und verschwindet in seinem Büro, schließt die Tür nachdrücklich laut.

Rosalind steht einen Moment verdattert, während die anderen nach Atem ringen, dann gibt sie Gerhard und Mariella wortlos die Karten zurück. Alle schweigen, nur Mariella macht die Geste der “Zeitungs-Überschrift”, spricht leise: “Nutzamts-Beamter vom Teufel besessen.”

Milo: “Jeder hat einmal einen schlechten Tag. Der kommt wieder. Muss er. Ist sein Job.”

Gerhard hochrot im Gesicht, wendet sich ihm langsam zu, dann sieht er, wie Werner belämmert seine eigene Karte in den Händen dreht, und er beginnt zu lachen. Die anderen sind zunächst peinlich berührt, dann grinsen sie auch. Nur Werner senkt tief den Kopf und blinzelt zum Zeitungsgesicht, das ihn höhnisch anglotzt.

Gerhard ballt die Fäuste und boxt in die Luft: “Ich werde dem Kerl so in den Arsch treten!”

Franziskus: “Sie sind sicher nicht der Erste, der das will.”

Milo: “Oder der Letzte.”

Fatme: “Er schläft sicher schlecht.” Sie macht eine riesige Kaugummiblase und lässt sie zerplatzen.

Mariella: “Und seine Eier verfaulen!”

Rosalind: “Welche Eier?”

Alle kichern.

Plötzlich kommt Herr Braun aus seinem Büro gestürmt,-und noch ehe jemand etwas sagen kann, nimmt er einen Schlüssel und sperrt seine Bürotür ab. Die Wartenden hören zu lachen auf und beobachten ihn, verblüfft. Herr Braun sperrt die Tür nebenan auf, die zu Frau Suzzis Büro führt und steckt den Kopf hinein.

Herr Braun: “Xandra, die Konferenz ist vorverlegt!”

Frau Suzzis Stimme: “Na, mit uns kann man’s ja machen, gell?”

Irgendwo beginnt wieder Geigenmusik zu spielen. Herr Braun lacht bitter, schließt die Tür, wendet sich ab, und während die Wartenden hilflose Gesten machen, hastet er durch den Warteraum, stößt eine Glastür aus und eilt ins Stiegenhaus. Seine Schritte verklingen rasch.

Die Anwesenden starren ihm nach und einander an.

Mariella (schüchtern): “Heißt das, dass wir ...?”

Alle zucken die Schultern. Nur Werner öffnet eilig seinen Aktenkoffer und wühlt darin. Fatme schaut ihm diesmal herausfordernd zu: “Was ist denn da drinnen? Gold?”

Werner erschrickt und schaut Fatme über den Aktenkofferdeckel starr an. Fatme wendet sich schnaubend ab und verschränkt die Arme, wild Kaugummi kauend, dass ihre Wangenmuskeln kantig über den grell orange, grün und schwarz gemusterten Rändern ihres Kopftuches hervorstechen.

Gerhard schaut zur Decke, als sei dort die Antwort auf alle Fragen. Rosalind schaut aus dem Fenster. Milo beginnt eine komplizierte Yoga-Übung.

Franziskus klopft mit der Stiefelspitze gegen die Wand: “Wir sollten zur Rezeption gehen und fragen.”

Mariella (etwas spöttisch): “Ja sicher. Gehen Sie! Ciao!”

Gerhard zückt sein Telefon. Rosalind zeigt auf die beiden Schilde, dass “Telefonie” strikt untersagt sei.


Die Schwelle

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