Читать книгу Die Schwelle - Jo Danieli - Страница 5
Die Wartenden verlieren langsam die Geduld.
ОглавлениеDie Wartenden sind nun in etwas nervöser Bewegung. Einige spielen mit ihren Telefonen, schalten sie aber nicht ein.
Die gedämpfte Geigenmusik hört plötzlich auf, und alle erstarren in bleiernem Schweigen.
Gerhard stülpt sich seine schwarze Haube über, springt dann auf, stellt sich vor die Bürotüren und starrt sie an, zornig wippend. Franziskus geht zum Tisch und blättert Broschüren durch ohne sie wirklich zu lesen. Er klopft mit dem Stiefelabsatz einen Rhythmus, was die anderen irritiert. Milo döst ausgestreckt auf seinem Sessel. immer wieder einmal streckt er ein Bein oder einen Arm aus. Manchmal streckt er sich ausgiebig. Franziskus mustert ihn missmutig. Werner linst immer wieder zu Fatme hinüber, die es merkt und sich wegdreht, Kaugummiblasen produzierend, was Werner fasziniert und erröten lässt.
Mariella lümmelt auf ihrem Sessel, trommelt mit ihren Fingernägeln am Wasserspender. Fatme nimmt sich ein Herz, hört kurz mit dem Kauen auf und erwidert Werners Blick voll, sodass dieser, ertappt, eilig seinen Aktenkoffer öffnet. Er nimmt einen Packen Papiere heraus, beginnt sie zu sortieren.
Gerhard geht vor den Türen hin und her, schaut auf seine Armbanduhr und flucht. Er zieht sich die Wollmütze vom Kopf und stopft sie in seine Jackentasche. Rosalind setzt sich still zum Fenster, schüttelt erregt den Kopf und beginnt hektisch mit dem Fuß zu wippen. Mariella zieht eine Packung Zigaretten aus der Tasche - und begegnet Franziskus’ Blick, der vielsagend die Augenbrauen hochzieht.
Mariella zieht eine Grimasse und rollt die Augen, murmelt. “Wer macht sich da gleich ins Hemd?“ Sie steckt sich eine Zigarette zwischen die Lippen, nimmt ihren langen grünen Plüschmantel vom Garderobenständer, ihre Tasche und geht zum Ausgang.
Rosalind winkt ihr eilig warnend zu, und sie spricht mit starkem französischem Akzent: “Und wenn man Sie ruft auf?”
Mariella bleibt stehen, schaut Rosalind erstaunt an. Die Anderen beobachten, unauffällig. Mariella zuckt fragend die Schultern.
Rosalind (aufgebracht): “Na, das bringt durcheinander alles!”
Mariella nimmt die Zigarette aus dem Mund und spricht spöttisch. “Durcheinander alles”?
Rosalind nickt betont lehrmeisterlich. Mariella schaut sie nachdenklich an, kehrt dann um und wirft sich in ihren Sessel. “Ich geh’ eh nicht.” Sie spielt mit der Zigarette, steckt sie wieder weg. Sie zieht den langen grünen Plüschmantel aus und wirft ihn auf den Garderobenständer.
“Und gesund ist das nicht sehr.” Rosalind schüttelt warnend den Kopf.
Mariella (schief zu Rosalind): “Nein, tödlich. So wie jedes Zuckerl, an dem man erstickt.”
Rosalind runzelt kritisch die Stirn. ”An Krebs erstickt nicht.” Sie spricht immer mit schwerem französischem Akzent.
Mariella: “Würde Rauchen generell Krebs verursachen, hätten alle Raucher Krebs!” Sie fuchtelt, dass sie nicht mehr darüber reden will und schaut Rosalind von oben bis unten an, und Rosalind zieht ihr Kleid und ihren Schal straff, schaut weg.
Mariella macht eine Geste einer “Zeitungs-Überschrift vor den Augen”, indem sie ihre Hand in einer Geste an ihrem Gesicht vorbeizieht als würde sie großen Buchstaben folgen, die in der Luft geschrieben stehen, und sie würde sie lesen.
Mariella (mit übertrieben französischem Akzent): “Madame Moncherie erdrösselt am Nützamt mit eigene Schal.”
Rosalind runzelt entrüstet die Stirn und wendet sich kopfschüttelnd noch weiter ab. Fatme prustet und wendet sich ab, um nicht loszulachen. Franziskus verdreht die Augen. Gerhard grinst und schnaubt ungeniert und macht eine überraschende Drehung zu Mariella hin und deutet ärgerlich auf seine Armbanduhr.
Gerhard (erbost): “Darf das wahr sein? Achtunddreißig Minuten drüber. Die machen mit einem was sie wollen!” (schnaubt) “Als ob ich nichts Besseres zu tun hätte!”
“Was denn?” Mariella wirft ihre Haare über die Schultern, Gerhard provokant theatralisch anlächelnd.
Gerhard (bitter): “Drei Kinder ernähren sich nicht von selber.”
Rosalind schaut ihn entsetzt an. Franziskus zieht eine “anerkennende” Grimasse. Mariella macht erneut die Geste der “Zeitungs-Überschrift” (spöttisch): “Mangel an Verhütungsmitteln erreicht dramatische Ausmaße!”
Alle sind über diesen “Tick” etwas irritiert. Gerhard schaut sie missmutig an. “Nicht witzig. Ich kann sie ja nicht zum Grasen in den Wald schicken.”
Franziskus (kopfschüttelnd): ”Drei Kinder? In dieser Zeit?”
Rosalind: “Grasen ... im Wald?”
Gerhard (dreht sich hin und her): “Wenn die Natur es so will?”
Mariella (anzüglich): “Und wo ist das Hirn von dieser Natur?
Gerhard holt Luft, um zornig zu entgegnen, aber Mariella winkt ab: “Wenigstens seid ihr keine Auswärtigen,” (schüttelt den Kopf) “meine Nachbarn ... kein Wort versteh’ ich, was die reden. Aber die Frau - immer so ...” Sie macht die Geste des “Hochschwangerseins”. “Schupft eins nach dem anderen heraus. So muslimische, glaub’ ich,” (zuckt die Schultern) “... einige siedeln ja immer noch mittendrinnen überall.” Sie grübelt, versonnen. “Oder vielleicht Kärntner? Ganz vom Süden? Der Mann arbeitet auch nichts.
Gerhard schaut sie aggressiv provokant an. “Auch nichts? Wie wer genau?”
Mariella: “Na, wie seine Alte!”
Rosalind: “Na, wenn sie ist immer so ...” (macht die Hochschwangersein-Geste, “und viele Kind schüpft heraus, arbeitet die Frau ja viel!” Sie schüttelt genervt den Kopf über Mariella’s Urteilsvermögen.
Mariella schaut sie missmutig von oben bis unten an. “Warum zieht ihr Franzosen euch immer so modrig an, und alle müssen das dann cool finden?”
Rosalind schaut sie verständnislos an.
Gerhard beginnt wieder fluchend vor den Bürotüren zu patrouillieren. Er setzt seine Strickmütze auf, nimmt sie dann aber wieder ab und pfeffert sie zur Garderobenständer, wo sie hängen bleibt.
Eine Weile herrscht Schweigen. Die Musik fängt wieder an, und “weckt” Gerhard auf. “Stundenlang herumsitzen! Und für was?” (schaut die anderen an) “Hat euch schon einmal jemand wirklich geholfen? Ich meine - schnell und so, dass dass der Krempel dann funktioniert hat?”
Die Anderen weichen seinem Blick verlegen aus.
Gerhard: “Also meinen Anbindung setzt ständig aus - und dran bin nicht ich Schuld!”
Milo streckt sich und blinzelt in Gerhard’s Richtung: “Ich kenne jemanden, der macht’s für ...” Er macht die Geste des “Banknotenreibens”. “Aber dann ist es erledigt. Man kann halt nichts einreichen. Eigene Spesen.”
Rosalind schaut ihn erstaunt an: “Haben Sie denn noch materielles Geld?” Sie macht auch die Geste von “Banknoten”. Milo nickt. Rosalind kichert verblüfft.
Mariella macht die “Zeitungs-Überschriften”-Geste”: “Retrowelle: Banknoten aufgetaucht!”
Franziskus: “Pah! Die haben doch gar keinen Wert mehr.” Er schaut Milo anzüglich an. “Außer im Dschungel vielleicht.”
Milo (leichthin): “Na, wenn Sie sich dort auskennen ...”
Franziskus ignoriert seine Bemerkung: “Wie bekommen Sie denn Ihren Lohn?” (spöttisch “Priorität-direkt”?
Milo: “Nein. Meine Miete wird bezahlt. Ich bin Kindergärtner. Service-Tausch-Basis.”
Franziskus schnaubt: “Kinder ... - was?”
Milo (streckt sich): “Zwei- bis Fünfjährige. Ja.” Seine dunkle Haut glänzt im künstlichen Licht, und als er gähnt, entblößt er perfekte weiße Zähne zwischen den wulstigen Lippen.
Gerhard schaut Milo verblüfft an. Milo zwinkert ihm gut gelaunt zu. “Und wir grasen nicht im Wald. Ich koche.”
Franziskus: “Wen?” Er schüttelt den Kopf, erbost, wendet sich an Gerhard. “Ist das nicht Frauensache, das mit den Kindern?
Alle Frauen schauen ihn an. Mariella macht eine “Zeitungs-Überschrift”-Geste: “Alt-Hippie entpuppt sich als Macho-Chauvi.” Sie gibt Milo ein “Daumenhoch”, der amüsiert grinst. “Tja. Mein Computer ist kaputt. Also hungere ich halt, bis ich wieder ins Netz kann.”
Rosalind (kopfschüttelnd): “Sie arbeiten und hungern doch?”
Franziskus will etwas sagen - als eine der Bürotüren aufgeht.