Читать книгу Die Schwelle - Jo Danieli - Страница 6
Frau Suzzi erscheint zum ersten Mal.
ОглавлениеEine hagere, unfreundlich dreinschauende Frau, Frau Suzzi (51, mit sandfarbenen kurzen Haaren und dunklen, stechenden Augen, in weißer Bluse und dunkelrotem Rock) kommt heraus, einen LapPad (ein “ipad”-artiges Gerät) tragend und auf die Bildfläche starrend. Sie ruft mürrisch in den Raum, ohne aufzublicken.
Frau Suzzi: “Katharina Stiel!”
Niemand regt sich. Frau Suzzi hebt genervt die Brauen, immer noch ohne die Anwesenden anzuschauen, ihre Stimme nimmt einen verärgerten Tonfall an.
Frau Suzzi: “Stiel, Katharina?” Auf ihrem LapPad steht eine Klienten-Terminliste:
MS/0 / Mariella Spitzweg / 26 J., Friseuse, Kosmetikerin (neuro-observ., phys.check/o.k., regressiv, Fin.verzug)
RS/2 / Rosalind Arganeau / 42 J., Französ. Künstlerin (Fin.observ., Witwe, phys.check/pend.)
FB/0 / Fatme Birkenbichler / 35 J., Technikerin, Putzfrau, Arab./Ö.Marr. (neugeschult, psych.check/pend.aggressiv)
GB/4 / Gerhard Breutler / 33 J., Tischler, Maurer (regressiv, resist., multipl./Form.)
MB/2 / Milo Botowamungu / 27 J., Tunes., Kindergärtner (kines./obsessiv, phys.check/pend., neugeschult, polit./aktiv)
WP/3 / Werner Pradensteiner / 48 J., Vertreter (Karrierebruch, orientrg./neureg., phys.check/o.k., psych.check/pend.)
FO/6 / Franziskus Ohl / 55 J., Lehrer (rückstandslos/ver., Fin.verzug, Schulg./verzug)
KS/3 / Katharina Stiel / 21 J., Sekretärin (kredit/gesp., neugeschult, kines./obsess.pend.)
Frau Suzzi marschiert ohne Reaktion ins Büro und schlägt die Tür hinter sich zu, gerade als Gerhard Mariella ins Wort fällt.
Gerhard: “He! Ich bin dran!”
Mariella: “Na, dann machen Sie den Mund auf!”
Rosalind: “Aber wir alle haben Termine, non?”
Mariella(schaut auf die Uhr): “Oui. Und mein Termin ist jetzt genau.”
Milo (beschwichtigend): “Die haben ein System.”
Gerhard: “Haben die? Ah so! Verflucht noch einmal - ich aber auch!” (fuchtelt) “Die scheißen sich an, wenn man eine Sekunde zu spät kommt, verdammte Arschlöcher ...”
Franziskus schaut Gerhard sarkastisch an: “Und die lieben Kleinen können schon reden?“
Gerhard: “... aber selber geben die einen Dreck auf Pünktlichkeit!” (entrüstet zu Franziskus) “Was?”
Franziskus hebt verneinend die Hand, wendet sich ab. Die Geigenmusik ist immer noch zu hören. Gerhard: “Die machen das absichtlich! Die wollen einem die Service-Abos verleiden! Ja, haben wir Scheiße im Hirn?”
Mariella: “He! Ich wollte mich eh nicht vordrängen.” Gerhard macht eine “Schon gut”-Geste.
Mariella: “Sie können dann vor mir rein gehen, wirklich.” Sie greift haarschwingend in die Tasche nach ihren Zigaretten, wechselt einen Blick mit Rosalind und steckt die Zigaretten wieder ein.
Gerhard geht wieder nahe an eine der Türen heran und lauscht: “Schlafen alle?”
Alle lauschen, ob aus den Büros etwas zu hören ist, aber kein Laut ist zu vernehmen. Plötzlich hört die Geigenmusik auf - und alle nehmen erschrocken ihre Plätze ein.
Rosalind (flüstert): “Kameras?”
Alle schauen “heimlich” im Raum herum, aber nichts ist zu sehen.
Milo steht auf und macht Stretching-Übungen: “Manches kann man nicht erzwingen.”
Franziskus(mit bitterem Sarkasmus): “Aber vieles. Vor allem von Schwächeren.”
Werner drückt die Aktentasche an seine Brust und schließt die Augen.
Fatme wickelt eilig einen neuen Kaugummi aus.
Rosalind: “Es ist Influenza-Saison. Vielleicht ist Personal krank.”
Milo: “Altes Massenmanipulationsmärchen!”
Alle schauen ihn aufmerksam an.
Milo: “Es gibt keine Grippe-Saison! Reine Panikmache von der Pharmaindustrie. Damit die was verkaufen.”
Franziskus verdreht die Augen (besagend “Wie schlau der doch ist!”): “Ist das so, wo du herkommst!”
Milo: “Auf der ganzen Welt ist das so. In meinem Kindergarten sind vierzig, fünfzig Kinder nicht krank, obwohl angeblich Grippe-Saison herrscht! Nur zwei mit Schnupfen. Und wir? Sind wir krank? Also wenn ein Grippe-Virus die Macht hätte, krank zu machen, dann würde er.”
Gerhard: “Manche Leute haben eben Abwehrkräfte.”
Milo: “Eben. Das bedeutet, dass nicht der Virus krank macht, sondern etwas im Menschen ermöglicht das Krankwerden.”
Alle schauen ihn betreten an. Mariella macht eine “Zeitungs-Überschrift”-Geste: “Mysteriöser Kindergärtner für Nobelpreis nominiert!”
Rosalind: “D’accord. Aber was ist los, dann?” (schaut sich um) “Was ist hier?”