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Kapitel 1: Kommissar Aschokas Beerdigung
ОглавлениеObwohl Kommissar Aschoka, mit bürgerlichem Namen KARL MALCHUS, ein sehr geachteter Mann war, kommt zu seiner Beerdigung nur eine Handvoll Leute:
Seine Enkelin ROXANE,
sein Schwiegersohn TIMO BEIL,
sein Kollege Kommissar GRACHUS,
seine Sekretärin HELGA BOQUEL,
sein Chef Kriminaldirektor OKTAVIAN NEUMANN,
die Staatsanwältin LUKREZIA SIMONIS,
der Gerichtsmediziner Dr. CICERO KOSHIBA,
der Geschichtsprofessor ARMIN WESSELS, sein Freund
sowie zwei weitere Kollegen aus seiner Abteilung.
Nachdem der evangelische Pfarrer die Beerdigungs-Zeremonie beendet hat, ergreift Prof. Wessels, ein ergrauter Universitätsprofessor, das Wort, um sich von seinem Freund zu verabschieden. Papa Wessels, wie ihn seine Studenten nennen, ist dafür bekannt, dass er ganze Vorlesungen gewissermaßen aus dem Ärmel schüttelt in wohlformulierter druckreifer Sprache inkl. Zahlen und Tabellen, die er dann ohne Vorlage an die große Tafel im Hörsaal malt. Man hat das Gefühl, er ist mit dem Stoff, den er vorträgt, so verwachsen, dass er ihn in seinem Gedächtnis „ablesen“ kann. Die Studenten in seinen meist überfüllten Vorlesungen hören staunend und ehrfurchtsvoll zu. Kein Räuspern, kein Flüsterton.
Papa Wessels nennt Kommissar Aschoka seinen Freund und Weggefährten, mit dem er ein Leben lang durch gegenseitige Achtung und gemeinsame Interessen verbunden gewesen sei. Gerechtigkeit sei immer das Ziel seines Freundes gewesen. Das habe so mancher Verbrecher, den er zur Strecke gebracht habe, erfahren müssen. „Um der Gerechtigkeit willen hat er seinen Beruf gewählt und die Verbrecher nicht nur gestellt, sondern auch dafür gesorgt, dass sie gerecht bestraft wurden, ihrem Verbrechen angemessen ...“ er macht eine rhetorische Pause … „soweit ihm das unser Rechtssystem gestattete.“ Wohl aus diesem Gefühl für Gerechtigkeit hätte er sich auch der indischen antiken Geschichte zugewendet, besonders der Zeit des indischen Kaisers Ashoka, der ihn fasziniert habe. „Hier haben sich unsere Interessen getroffen, denn auch ich beschäftige mich gern mit Ashoka und seiner Zeit. Auch seinen Berufskollegen ist sein ganz besonderes Interesse für die indische Antike nicht verborgen geblieben, und sie haben ihn daher respektvoll „Kommissar Aschoka“ genannt.
„In den letzten Jahren hat sich das Leben meines Freundes verdunkelt“, fährt der Professor fort. „Zuerst wird ihm seine Tochter ANA JULIA und dann seine Frau AMALIA genommen. An beiden hat er mit ganzer Liebe gehangen. Seine Frau, die Rechtsprofessorin, ist über den Tod ihrer gemeinsamen Tochter Anna Júlia nicht hinweggekommen und schließlich ihrem Asthmaleiden erlegen.“ Auch mit ihr habe ihn ein tiefer Respekt und ein gemeinsames Interesse an Rechtsgeschichte verbunden, führt Professor Wessels aus. „Nächtelang haben wir zu dritt diskutiert“, erinnert er sich wehmütig. „Nach ihrem Ableben haben sich sein Schwiegersohn und seine Enkelin mit viel Liebe um den alternden Kommissar gekümmert. Doch das Loch, das der Tod von Tochter und Ehefrau in sein Leben gerissen hat, konnte niemand mehr schließen. Allen, die Dich gekannt haben, wirst Du fehlen“, beschließt er seine kurze Ansprache. „Und die Welt verliert mit Dir wiederum ein Stück Gerechtigkeit.“
Die kleine Trauergemeinde löst sich bald auf. Nach Kaffee und Kuchen ist niemandem zumute.