Читать книгу Als noch (fast ) alles möglich war - Joachim Schmierflink - Страница 5
Renate
ОглавлениеJoe hatte durchaus Erfolg bei Mädchen seines Alters - so mehr theoretisch. Die fanden den Jungen zwar recht sexy, aber eben nicht so attraktiv wie den Sportwagenfahrer, der ihnen alles bieten konnte, was das kleine Mädchenherz sich erträumte. „Scheiße“ dachte Joe da nicht nur einmal (bis er selbst, wie in einem späteren Abschnitt geschildert wird, genau diese Hassrolle übernehmen sollte).
Ein attraktives Suchfeld für amouröse Abenteuer waren Sport- oder Politgruppen. Mit den „Falken“ fuhr Joe als 16jähriger nach Norwegen. Renate (17), mit der er da stundenlang am Rande der Klippen in der Sonne lag, brachte ihm das Rauchen und die Erkenntnis bei, dass Ältere als Lover doch eher bevorzugt werden. Erst nach der Reise erfuhr er, dass Renate sich mit ihm lediglich tagsüber mit harmlosem Geplänkel die Zeit vertrieb, während sie mit einem der Lagerleiter, Lutz, nachts „herummachte“.
Zwei Jahre später, Joe war noch immer durchaus begehrt, aber erfahrungsmäßig noch nicht da angekommen, wo er schon seit Jahren sein wollte, fuhr er wieder mit den Falken weg, diesmal nach Holland und zwar als Zelthelfer. Auch Renate war wieder mit dabei, allerdings als ausgewiesene Verlobte des Herren, der sich vor zwei Jahren köstlich über den einfältigen Jungen amüsiert haben musste. Lutz war nicht anwesend, kam aber für ein paar Tage zu Besuch, weshalb ein kleines Zwei -Mann Zelt für das Paar aufgestellt wurde. Als Lutz dann nach drei Tagen wieder Richtung Berlin fuhr, um sich der politischen Arbeit zu widmen, stand das Zelt leer.
Wie bei den Helfern damals üblich, versammelte man sich nach 22.00 Uhr im Lagerleiterzelt und sprach ordentlich dem ansonsten verbotenen Alkohol zu. Irgendwann fragte Renate Joe, ob er nicht Lust hätte, eine Runde in der frischen Luft zu drehen. Joe, schon seit Jahren scharf wie eine Rasierklinge und vor allem auf Renate, ging auf diesen Vorschlag gerne ein.
Als sie bei dem leerstehenden Zwei-Mann Zelt vorbeikamen, machte Renate ihm ein unsittliches Angebot. Joe, verwirrt und wohl auch nicht mehr ganz im Besitz seiner Sinne (oder vielleicht doch ?) lehnte dankend ab. Die Vorstellung, sie könnte ihn nur vorführen wollen und ihn laut lachend mit heruntergelassener Hose stehen lassen, killte seine Begierde. Das war also mal wieder nichts.
Dass dies eine Fehleinschätzung war, merkte er am nächsten Morgen. Renate würdigte ihn keines Blickes und das blieb so bis zum Ende der Reise.
Egal. Sehr früh lernte Joe, dass man auch einmal Verzicht in Kauf nehmen muss, um sein Selbstwertgefühl nicht zu beschädigen.