Читать книгу Als noch (fast ) alles möglich war - Joachim Schmierflink - Страница 8
FU Berlin
ОглавлениеNachdem Joe sich 1970 an der FU Berlin immatrikuliert hatte, ging er zu seinem ersten Französisch-Seminar. Dort wartete bereits im Gang eine Kommilitonin, die, wie Joe, etwas zu früh erschienen war. Sie war eher der Typ Sekretärin, jedenfalls nicht das, was Joe sich unter dem Klischee einer Studentin vorgestellt hatte. Gestylte Frisur, eine halb geöffnete Bluse, die einen Appetit anregenden Einblick in ein tiefes Décolleté zuließ, ein knallenger Rock, Pumps, welche die muskulösen Waden betonten. Ihr Gesicht war eher etwas teigig, aber dezent geschminkt. Der rote Lippenstift unterstrich noch diese elegante Erscheinung. Als dann im Seminar Arbeitsgruppen gebildet werden sollten, reichte ein kurzer Blickaustausch. Joe und Ulla bildeten eine Arbeitsgruppe (zu welchem Thema auch immer). Mit seinem Motorroller, einer alten Heinkel, fuhr Joe Ulla nach Hause in die Sophie-Charlotten-Straße, wo sie sich auch gleich ans Werk machten. Also nicht ganz so im Sinne des Arbeitsauftrags, aber höchst effektiv. Es bedurfte keiner langen Vorreden, die Sache war klar. Die seit drei Stunden miteinander bekannten Arbeitsgruppenpartner fielen übereinander her und taten, was in der Situation zu tun war. Als sich beide hoch befriedigt in den Armen lagen und die obligatorische „Zigarette danach“ rauchten, begann Ulla den jungen Mann mit Liebesbezeugungen zu drangsalieren. Das war nun gar nicht in Joe’s Sinne. Sex ja, aber Gefühle ? Er war nicht einmal ansatzweise in diese junge Frau verliebt und dachte, dass sie so wie er, nur auf eine kurze unverbindliche Affäre aus gewesen war. Ihre verliebte Zudringlichkeit war ihm so unangenehm, dass er schnellstens die Wohnung verlassen wollte. Unter der vorgespielten Selbstbezichtigung, Ullas Gefühle ausgenutzt zu haben, um sie ins Bett zu bekommen, behauptete er, dass ihm übel sei und er gehen müsste. Vergeblich versuchte Ulla, ihn zurückzuhalten. Als Joe endlich die frische Abendluft des Frühlings einatmete, fühlte er sich befreit und gemein zugleich.
Die Arbeitsgruppe traf sich dann noch öfter, mal mit mehr, mal mit weniger universitären Inhalten, wobei Ulla sich mit ihren Gefühlausbrüchen zurückhielt.