Читать книгу Als noch (fast ) alles möglich war - Joachim Schmierflink - Страница 7
Mit erhobenem Daumen durch Europa
ОглавлениеGriechenland: Sie kamen nachts aus Jugoslawien über die Grenze und fanden nicht weit davon entfernt eine bereits geschlossene kleine Tankstelle. Todmüde (der Bus benötigte für die letzten ca. 50 Bergkilometer bestimmt sechs Stunden) wollten sie nur noch schlafen. In der Nähe der Tankstelle befand sich ein Wasserhahn, was natürlich auch die Fernfahrer der neben ihrem Schlafplatz gelegenen Landstraße wussten.
Ein Leiterwagen mit einer Deichsel stand dort auch herum. Joe’s Freundin fand das ganz praktisch, da sie ihren Slip auswaschen und dort aufhängen konnte. Kaum hatten sie es sie in ihren Schlafsäcken gemütlich gemacht, hielt der erste LKW. Der Fahrer, der zunächst nur die Absicht hatte, sich an dem Wasserhahn zu erfrischen, sah sie und meinte, ihnen sein gesamtes deutsches Vokabular anvertrauen zu müssen (deutsche Frau ficki ficki). Dann verschwand er in die Nacht. Der nächste näherte sich ihnen, warf sich wie ein Soldat auf den Boden, um dem Lichtkegel des nächsten LKW zu entgehen, begrabbelte den Schlafsack Katrins und versuchte, sie auf Joe zu schieben (mit welchem Ziel auch immer, der muss einen merkwürdigen Aufklärungsunterricht genossen haben). Da war die Schwelle für Joe überschritten, wo er meinte, einschreiten zu müssen. Man sollte diesen Zeitpunkt nicht zu früh wählen. Joe wog damals 65 kg und war ein relativ guter Judoka, aber der Andere hatte mindestens zwei Zentner, war muskulös und hätte sich mit Sicherheit nicht an sportliche Regeln gehalten. Genau in diesem Moment tauchte der nächste Lichtkegel eines Autoscheinwerfers aus dem Dunkel auf und der Grieche warf sich auf den Boden, offenbar, um nicht entdeckt zu werden. Dann sprang er auf und ward nicht mehr gesehen.
Als Katrin am nächsten Morgen ihren frisch gewaschenen Slip von der Deichsel nehmen wollte, griff sie ins Leere. Der Perverse hat ihn mitgehen lassen.
In Athen war es mit 42 Grad drückend heiß. Im Hotel „Ritz“ (Nomen ist nicht immer Omen) gab es nicht nur herunter hängende Tapeten, sondern auch kein kaltes Wasser. Die beiden jungen Leute fuhren mit dem Bus zum nahegelegenen Strand und aßen auf der Terrasse eines Strandcafés eine Kleinigkeit zu Mittag. Am Nebentisch saß ein Pärchen mittleren Alters und verspeiste genussvoll eine große Platte Meeresfrüchte. Der Mann mit seinen fettigen Haaren und dem deutlichen Bauchansatz war nicht bemerkenswert, seine Partnerin hingegen durchaus. Das pralle Décolleté ihres Bikinis, der kleine Bauch mit einem hübschen Nabel, die feurigen Augen, gewannen sofort Joe’s Interesse. Der Grieche wechselte ein paar Worte mit seiner Begleiterin. Dann wandte er sich an Joe und lud die Deutschen zur Teilhabe an ihrer Mahlzeit ein. Es war ganz offensichtlich, dass ihm Katrin gefiel, während der laszive Blick, mit dem seine Partnerin Joe unverhohlen musterte, auch hier mehr als nur oberflächliches Interesse signalisierte. Nach ein paar Floskeln, einigen Calamari und Scampis und einem Glas Weißwein, wischte sich der Mann mit einer Serviette den Mund ab und lud Katrin und Joe ein, mit ihnen im nahe gelegenen Ferienhäuschen einen Mittagsschlaf zu halten.
Obwohl Joe Katrins modellmäßigen kleinen festen Brüste mit den schnell erigierenden Brustwarzen immer wieder niedlich fand, hätte er zu gerne das Angebot angenommen und sich von dieser saftigen, Fleisch gewordenen Versuchung vernaschen lassen.
Wenn nur der Typ nicht so ekelig ausgesehen hätte. Angebot abgelehnt. Obwohl…
Jahre später fragte sich Joe, ob diese Entscheidung nicht vielleicht etwas vorschnell von ihm getroffen wurde. Vielleicht hätte sie ja den Typen gar nicht so widerlich gefunden, womöglich hatte der ja irgendetwas zu bieten, das sie scharf machte. Joe erinnerte sich an eine Auseinandersetzung, die er mit Katrin in Hamburg hatte. Kurz nachdem beide begonnen hatten, zusammenzuleben, gab Katrin eine Party für ihre Freunde, so eine Art Gesprächskreis für Heranwachsende. Sie wollte den anderen offenbar zeigen, weshalb sie in der letzten Zeit so wenig von derselben hatte. Eingeladen waren auch zwei Vorgänger Joe’s, beides richtig nette Jungs. Und ein Ekelpaket, Jürgen, vor dessen anmaßendem Verhalten sie Joe schon im Vorfeld gewarnt hatte. Da gab es irgendwelche Verpflichtungen um drei Ecken, weshalb es nicht zu umgehen war, den Kerl einzuladen.
Die Party plätscherte gesprächsmäßig dahin, Jürgen hatte, wie zu erwarten war, die Gesprächsleitung an sich gerissen und präsentierte auf Alles die „richtigen“ Antworten. Der Typ, bleichhäutig, rothaarig, fett, wirkte tatsächlich nicht nur äußerlich eklig. Joe und die anderen Gäste begannen, sich nach und nach gegen dessen egozentrisches Verhalten zur Wehr und ihm argumentativ zuzusetzen. Dann fiel eine Bemerkung Jürgens, so ganz nebenbei, die auf einen Irokesenschnitt anspielte. Joe kam sich vor wie der ahnungslose Arnolph Archilochos in Dürrenmatts „Grieche sucht Griechin“. Hatte Katrin tatsächlich mit diesem Ausbund an Hässlichkeit geschlafen? Und wenn selbst mit dem, mit wem dann noch alles ? Joe war so geladen, dass er keine von Jürgens Behauptungen unwidersprochen ließ. Als dieser sich dann erhob und seinem Begleiter sagte, dass sie jetzt wohl besser gehen sollten, das sie ja offenbar persona non grata wären, schleuderte Joe ihnen noch ein gehässiges personae non gratae 2 hinterher. Joe’s alter Lateinlehrer wäre stolz auf seinen Schüler gewesen.
Als dann die Gäste gegangen waren, wollte Joe natürlich wissen, weshalb Katrin mit diesem Abturner ins Bett gegangen war. Sie wusste es nicht.
Aufgrund des zuvor genossenen Alkohols war Joe müde genug, trotzdem schlafen zu können.
Am nächsten Morgen war Katrin eingefallen, was sie an Jürgen so attraktiv fand. Es war seine Intelligenz, die ihr so imponierte, dass das quasi aphrodisierend auf sie gewirkt hatte.
Soweit der Nachtrag zu dem hässlichen Griechen.