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3. Epigenetische Mechanismen


© M. Großmann_pixelio.de

Die Epigenetik erhielt eine neue Bedeutung, nachdem das Humangenomprojekt abgeschlossen war, aber trotzdem immer noch viele Fragen unbeantwortet geblieben waren. Epigenetische Mechanismen beeinflussen also die Aktivität von Genen. Dies ist vor allem dann wichtig, wenn sich unser Organismus an eine veränderte Umwelt anpassen muss. Welche Möglichkeiten gibt es, den genetischen Status zu verändern?

1. DNA-Methylierung

Eine gut erforschte Möglichkeit der Anpassung an wechselnde Veränderungen ist die DNA-Methylierung. Dazu werden kleine Moleküle, nämlich eine Methylgruppe, das ist -CH3, an eine Base, nämlich ausschließlich an Cytosin (C) angehängt. Das geschieht allerdings nur an ganz bestimmten Cytosinen. Am häufigsten werden diejenigen Cytosine methyliert, auf die in der Gensequenz die Base Guanin (G) folgen.

Diese angehängten Methylgruppen wirken dann wie Vorhängeschlösser. Die Methylgruppen verhindern nämlich die Bildung von Proteinen. Auf diese Weise werden Gene inaktiviert. Das Gen ist nämlich plötzlich nicht mehr ablesebar.

Die Übertragung der Methylgruppe erfolgt durch ganz bestimmte Enzyme, den Methyl-Transferasen. Eine Methylierung kann allerdings Folgen haben. Methyl-Cytosin ist nämlich sehr anfällig dafür, dass dann später die Aminogruppe des Moleküls verloren geht. Dadurch entsteht dann aber die Base Thymin, also eine andere normale Base, die aber jetzt an der falschen Stelle steht. Dann kommt der Reparaturapparat aber in Schwierigkeiten, weil er jetzt nicht erkennen kann, ob die Base echt ist und die gegenüberliegende Base, das ist ja dann Guanin, falsch ist. So entstehen dann Mutationen. Es gibt auch Enzyme, welche die Methylgruppe am Cytosin wieder entfernen können.

In einem späteren Kapitel soll genauer beschrieben werden, woher diese Methylgruppen stammen, die für die DNA-Methylierung gebraucht werden und wie wir den Prozess von außen beeinflussen können.

Die Methylierung der DNA ist nicht die einzige epigenetische Modifikation, über welche die Aktivität der Gene gesteuert werden kann. Auch chemische Veränderungen an den Histonen spielt dabei eine große Rolle.

2. Histon-Modifikation durch verschiedene Substanzen, meist auch wieder Methyl.

Die DNA liegt nicht „nackt“ im Zellkern. Sie wird nämlich um die Histone herumgewickelt. Histone sind basische Proteine. Nur so kann die 2 Meter lange DNA doch noch in den Zellkern gepackt werden. Sie würde sonst niemals in den Zellkern hineinpassen. Dieses Problem wurde aber von der Natur sehr gut gelöst. Die DNA ist nämlich jetzt zu einem kleinen Knäul zusammengefaltet, der nur noch einen winzigen Durchmesser hat. Dabei spielen auch elektrische Ladungen eine Rolle. Histone sind positiv, die DNA ist negativ geladen. Es entstehen so die zwei großen linksgängigen Windungen. Es gibt unterschiedliche Typen von Histonen, die auch verschiedene Bezeichnungen haben.

Ein wichtiges Prinzip zur Herstellung von Enzymen ist das Ablesen eines Gens. Dazu muss es möglich sein, Zugang zu den entsprechenden Genabschnitten zu bekommen. Das ist aber nur dann möglich, wenn die DNA „vom Wollknäuel abgewickelt“ worden ist.

Auch der pH-Wert spielt für die Konfiguration eine Rolle. Der „saure“ DNA-Strang heftet sich nämlich an die Histone an, die alkalisch sind.

Vier Histon-Paare bilden dann ein Nukleosom. Auf jedem Nukleosom sind 147 Basenpaare der DNA aufgewickelt. Eine Abfolge von Nukleosomen wird als Chromatin bezeichnet.

Das Abwickeln der DNA von den Histonen ist nur deshalb möglich, weil die Histone kleine „Ärmchen“ besitzen, das sind kurze Ketten von Aminosäuren, die aus den Histonen herausragen. Diese Ärmchen wirken wie Abstandshalter.

Insgesamt erinnert diese Konformation an eine Perlenschnur, die verdrillt ist, um eine maximale Kompaktheit zu erreichen.

Durch die Kompaktheit dieser Konformation können Gene stillgelegt oder auch wieder aktiviert werden, je nachdem mit welchen Substanzen mit den kurzen Aminosäureketten der Histone reagieren.

Auch hier spielt der Methylierungs-Grad eine große Rolle. Ein geringer Methylierungs-Grad fördert nämlich die Genexpression, ein hoher hemmt sie.

Aber eigentlich hängt die Genexpression hauptsächlich von einem Wettbewerb zwischen Acetyl- und Methylgruppen an den Histon-Armen ab. Denn wenn diese überwiegend acetyliert sind, dann wird die Genexprimierung gefördert. Im Gegensatz dazu setzen hochgradig methylierte Histone in der Regel die Genexpression wieder herab.

Diese Acetylgruppen senken dann auch den pH-Wert. Dies scheint auch einen Einfluss auf die Aktivierung zu haben.

Woher kommen denn eigentlich die Methylgruppen?

SAM liefert die Methylgruppen. SAM ist die Abkürzung für S-Adenosyl-Methionin. Wir werden später noch ausführlicher den Methionin-Zyklus kennenlernen. Durch diesen Zyklus wird SAM bereitgestellt.

Das für die Acetylierung erforderliche Acetyl kommt vom Acetyl-Coenzym A.

3. Zinkfingerproteine

So genannte Zinkfinger sind Strukturen von Proteinen, die eine Schlüsselrolle bei der Genaktivierung spielen. Damit Gene überhaupt abgelesen werden können, müssen sich zunächst bestimmte Proteine, die Transkriptionsfaktoren genannt werden, an das entsprechende Gen anheften. Nur so kann die Transkription, also das Auslesen der Gene, beginnen. Die Transkriptionsfaktoren müssen dann ihre spezielle Bindungsstelle an der DNA ausfindig machen. Jeder dieser Transkriptionsfaktoren ist für eine ganz bestimmte Stelle an der DNA spezialisiert. Ihre Aminosäurekette ist aufgrund eines formbestimmenden Zink-Ions so gefaltet, dass sich Vorsprünge ausbilden können, die man dann als Zinkfinger bezeichnet, weil sie wie Finger aussehen. Bisher hat man mehr als 200 Zinkfinger-Proteine nachweisen können. Zu den Zinkfingerproteinen zählen beispielsweise auch die Rezeptoren für die Steroidhormone.

Die Hauptfunktion der Zinkfingerproteine besteht also in der Bildung eines stabilen Komplexes mit der DNA.

4. Leucin-Zipper

Dies ist auch ein Transkriptionsfaktor.

Das Wort „Zipper“ kommt aus dem Englischen und heißt übersetzt „Reißverschluss“. Diese Bezeichnung geht aus der Strukturbeschreibung bestimmter Proteine hervor. Bei diesen Proteinen treten in einem bestimmten Abschnitt in regelmäßigen Abständen Leucin-Reste auf. Leucin ist eine Aminosäure. Alle Leucine befinden sich auf einer Seite der DNA und sie weisen alle in die gleiche Richtung und sehen dann aus wie die Reißverschlusszähne, die auf einer Naht sitzen. Auf diese Weise wird ebenfalls das Ablesen bestimmter Gene reguliert.

5. Micro-RNA

Micro-RNA (miRNA) sind kurze RNAs, die eine wichtige Rolle in dem komplexen Netzwerk der Genregulation spielen. Micro-RNAs regulieren also auch die Genexpression.

Micro-RNA ist eine Variante der RNA. Sie scheint eine Transkription einzelner Gene zu unterdrücken und übt damit quasi eine entgegengesetzte Funktion aus wie die mRNA.

Micro-RNA erkennen spezifische Basenpaarungen an der mRNA und bindet sich an diese, was dann die Translation reguliert. Zusätzlich fördern sie die Bindung von speziellen Proteinen an bestimmte DNA-Abschnitte und verändern durch Modifikation von Histonen die Genexpression. Damit spielen sie eine wichtige Rolle bei der Zellproliferation und Zelldifferenzierung.

Micro-RNAs steuern also die Aktivität der Gene in unseren Zellen. In den Nervenzellen im Gehirn beeinflussen sie so unser Verhalten oder unsere Reaktion auf die Umwelt. Es sind Prozesse, die oft bei psychischen Erkrankungen fehlreguliert sind. Jetzt wurden Micro-RNAs gefunden, die beispielsweise als körpereigenes Antidepressivum wirken oder einen angemessenen Umgang mit stressigen Situationen ermöglichen.

Das An- und Abschalten von Genen geschieht auf unterschiedliche Weise. Wie es geschieht ist zunächst nicht wichtig. Letztendlich aber ist es doch wichtig, weil wir nur so weitere Erkenntnisse bekommen und weitere Therapien entwickeln können.

Wichtiges für die hausärztliche Praxis:

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Gene an- oder abgeschaltet werden. Am häufigsten geschieht dies über die Methylierung der DNA. Viele Steuerungs-Mechanismen sind allerdings bisher noch immer nicht in allen Einzelheiten geklärt.

Epigenetik in der hausärztlichen Praxis

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